Die öffentliche Hand stärken? Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil ist zum Beispiel bei der Pflege dafür.

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Die Wahlauseinandersetzung für die burgenländische Landtagswahl im Jänner 2020 ist weit übers kleine, nicht ganz 300.000 Einwohner beherbergende Land von Interesse. Denn erstmals seit langem geht es hier auch wieder ums Grundlegende: die ökonomisch und sozial gestalterische Rolle des Staates. Soll die öffentliche Hand stärker zupacken? Oder soll sie tunlichst die Finger von solchen Dingen lassen?

Hans Peter Doskozil, der rote Landeshauptmann, der sich im Jänner erstmals überhaupt einer Wahl zu stellen hat, plädiert seit längerem für eine starke öffentliche Hand. Drei diesbezügliche Maßnahmen haben er und sein rot-blaues Regierungsteam nun schon auf Schiene gebracht. Die Anstellung pflegender – richtigerweise: betreuender – Angehöriger ist seit 1. Oktober möglich; noch im Oktober wird beschlossen, Landesförderungen für Pflegedienste und -heime nur noch bei Gemeinnützigkeit zu gewähren; und ab 1. Jänner 2020 gilt im Landes- und landesnahen Dienst der Mindestlohn von 1.700 netto.

Um das Anstellungsmodell für pflegende Angehörige vorzustellen, tourt gerade Soziallandesrat Christian Illedits durchs Land. 210 Interessenten haben sich bereits gemeldet, mit mehr als 50 gibt es schon konkrete Gespräche. Ab November werden dann die ersten tatsächlich angestellt werden. Sie sind dann auch die ersten, die in den Genuss des Mindestlohns von 1.700 Euro netto – 2.450 Euro brutto – kommen.

Gesetz in Begutachtung

Das Mindestlohn-Gesetz ist seit derzeit in Begutachtung. Die ÖVP lässt daran kein gutes Haar und kündigt an, nicht zustimmen zu wollen. Sie spricht von einem "Einheitslohn", denn das Gesetz bringt auch eine Neuordnung des Dienstrechts und eine Abflachung der Gehaltskurve. Bei manchen, so VP-Landeschef Thomas Steiner, gebe es überhaupt keine Steigerung mehr. "Das heißt, man beginnt mit 1.700 Euro, und wenn man nach 35 oder 40 Jahren in Pension geht, verdient man ebenfalls 1.700 Euro. Das ist kein faires Gehaltssystem für zukünftig motivierte und gut ausgebildete Mitarbeiter."

Steiners Klubobmann im Landtag, Christian Sagartz, erinnert das alles "eher an die realsozialistischen und kommunistischen Staaten, wo am Ende des Tages jener der Dumme war, der mehr leisten wollte".

"Mogelpackung"

Insgesamt sei die Gehaltsreform – bereits Beschäftigte können optieren – "eine Mogelpackung", zumal ja auch noch mehr gearbeitet werden müsse. Die halbe Stunde bezahlte Mittagspause und drei Urlaubstage würden nunmehr gestrichen. Tatsächlich sind künftig Allerseelen, der 24. Dezember und Silvester normale Arbeitstage.

Die Kritik der ÖVP hält der FPÖ-Klubobmann Géza Molnár für "skurril und plump". Denn sie bestätige ja, "dass wir mit der Einführung des Mindestlohns auch noch den Steuerzahler entlasten, ein viel besseres Zeugnis könnte man uns gar nicht ausstellen".

"Neiddebatte wird geschürt"

Roland Fürst, der streitbare Zweit-Geschäftsführer der Landes-SPÖ, zieht jedenfalls schon die Kampflinien für die Landtagswahl. Beschämend sei es nämlich – und zwar "mehr als" – wenn "hochbezahlte ÖVP-Politiker gegen den Mindestlohn von zehn Euro netto pro Stunde Stimmung machen, von einer Mogelpackung sprechen und somit die Neiddebatte schüren". Die ÖVP werde wohl "bis zur Wahl gegen die Interessen des Burgenlandes arbeiten". Die SPÖ dagegen werde "bis zum Schluss für die Menschen im Burgenland an den wichtigen Themen weiterarbeiten und den verfrühten Wahlkampf der ÖVP überlassen".

Nach Ibiza hat das Burgenland seinen Wahltermin ja auch vorgezogen. Allerdings nur augenzwinkernd, vom regulären Termin im Mai auf den roten Wunschtermin im Jänner. Bis dahin sollen die Doskozil-Pläne – aus türkiser Sicht: die realsozialistischen Mogelpackungen – legistisch unter Dach und Fach sein. Die dazugehörigen Debatten könnten jedenfalls durchaus Modellcharakter entwickeln. (Wolfgang Weisgram, 8.10.2019)