"Wer sich wenig bewegt, der signalisiert seinen Körperzellen, dass diese Leistung nicht gebraucht wird. Deshalb sind regelmäßige Bewegung und Krafttraining auch so wichtig", sagt Afrodite Zendeli.

Foto: Herz-Jesu Krankenhaus

Gesunde Knochen haben ein dichte Struktur. Osteoporose macht Knochen porös und damit anfälliger für Brüche.

STANDARD: Warum werden Menschen mit den Lebensjahren zunehmend kleiner?

Zendeli: Unsere Knochen befinden sich so wie alle anderen Organe in einem ständigen Auf- und Abbauprozess. Es gibt Zellen, die Knochen aufbauen, und solche, die ihn wieder abbauen. Wir nennen das Knochenstoffwechsel. Ab dem 40. Lebensjahr werden die knochenaufbauenden Zellen schwächer. Das ist der Grund, warum Menschen im Alter kleiner werden, zudem führt es auch dazu, dass die Wirbelkörper einbrechen. Neben den Knochen spielen da auch noch andere Veränderungen im Körper eine Rolle.

STANDARD: Wie lange wird es als natürlicher Alterungsprozess gesehen, und ab wann ist es pathologisch, also tatsächlich Osteoporose, auch Knochenschwund genannt?

Zendeli: Das ist eine Definitionsfrage. In dem Moment, in dem Knochen ohne einen gröberen Unfall einfach brechen, ist es ein eindeutiges Zeichen von Osteoporose. Doch das ist dann schon die drastische Folge. Bis dahin passiert viel im Körper. Osteoporose tut nicht weh, es ist wie Falten bekommen. Betroffene merken die Krankheit gar nicht.

STANDARD: Sie ließe sich durch eine Knochendichtemessung abklären. Ab welchem Alter empfehlen Sie diese Untersuchung?

Zendeli: Der Lebensstil spielt bei dieser Erkrankung eine sehr große Rolle. Wer raucht, übergewichtig ist, Alkohol trinkt und sich wenig bewegt, hat ein höheres Risiko. Auch die genetische Veranlagung spielt natürlich eine Rolle. Wer von Oberschenkelhalsbrüchen mütterlicher- oder väterlicherseits weiß, sollte es in seine Überlegungen einbeziehen und zur Knochendichtemessung gehen.

STANDARD: Ab wann ist eine Knochendichtemessung sinnvoll?

Zendeli: International wird normalgewichtigen Nichtraucherinnen, die sich regelmäßig bewegen, die wenig Alkohol trinken und keine genetische Veranlagung haben, eine routinemäßig Knochendichtemessung ab dem 60. Lebensjahr empfohlen. Wenn Risiken vorliegen, dann früher.

STANDARD: Ist Osteoporose eine Frauenkrankheit?

Zendeli: Nein, das ist ein grundlegendes Missverständnis. Frauen sind häufiger betroffen, weil Östrogen im Knochenstoffwechsel eine wichtige Rolle spielt und dieses Hormon in der Menopause weniger gebildet wird. Das kann die Entstehung von Osteoporose stark beeinflussen. Wir empfehlen diese Untersuchung aber auch Männern ab dem 70. Lebensjahr, manchmal auch früher, auch das hängt vom Risikoprofil ab.

STANDARD: Ab welchen Werten muss man sich Sorgen machen?

Zendeli: Defintionsgemäß sollte man bei einer Knochendichte beziehungsweise einem T-Score von minus 2,5 eine Therapie beginnen. Das sind Werte, die die WHO vorgibt. Da aber die Knochendichte nur einer von zwölf Risikofaktoren ist, sollte vor Therapiebeginn bei der Risikoeinschätzung hinsichtlich einer Fraktur auch der Frax-Wert ins Kalkül gezogen werden, da werden allgemeine Risikofaktoren abgefragt. Wer zum Beispiel mehr als einen halben Liter Bier täglich trinkt, hat ein um 40 Prozent höheres Osteoporose-Risiko.

STANDARD: Osteoporose kann aber auch eine Nebenwirkung anderer Medikamente sein, oder?

Zendeli: Genau, Cortison zum Beispiel ist sehr schlecht für die Knochen. Zudem stellt sich die regelmäßige Einnahme von Magenschutzpräparaten als Osteoporose-fördernd heraus. Auch Menschen mit Rheuma, Diabetes, Zöliakie, Brustkrebs und Schilddrüsenerkrankungen sollten sich untersuchen lassen.

STANDARD: Was tun, wenn sich herausstellt, dass die Knochendichtewerte nicht optimal sind?

Zendeli: Wenn noch keine Brüche vorliegen, lässt sich sehr viel durch einen entsprechenden Lebensstil zum Positiven beeinflussen. Vitamin-D-Tropfen und kalziumreiche Ernährung sind wichtig.

STANDARD: Welche Lebensmittel genau?

Zendeli: Brokkoli, Orangen, Marillen, fettreiche Fische wie Sardinen und Lachs, Mandeln, Bohnen tun den Knochen gut. Auch Milchprodukte und Mineralwasser. Doch vor allem Bewegung ist wichtig.

STANDARD: Inwiefern Bewegung?

Zendeli: Der menschliche Körper reagiert immer auf die Anforderungen, die an ihn gestellt werden. Das ist sehr gut erforscht. Knochen und Muskeln spielen da eng zusammen. Eine wichtig Rolle spielen die Osteozyten, die wie eine Art Sensor agieren. Wenn Muskelbelastung da ist, regen sie den Knochenaufbau an. Wer sich wenig bewegt, der signalisiert seinen Körperzellen, dass diese Leistung nicht gebraucht wird. Deshalb sind regelmäßige Bewegung und Krafttraining auch so wichtig.

STANDARD: Welche Medikamente gibt es?

Zendeli: Bei starker Osteoporose wird zum Beispiel mit Bisphosphonaten behandelt.

STANDARD: Gab es da nicht Probleme mit der Verträglichkeit?

Zendeli: Ja, wenn die Medikamente oral eingenommen wurden, hatten manche Patienten und Patientinnen Beschwerden. Doch mittlerweile werden diese Substanzen eigentlich meistens als Infusion oder Spritzen verabreicht. Sie kommen dafür alle drei Monate in die Ambulanz.

STANDARD: Gibt es Alternativen?

Zendeli: Wenn Bisphosphonate nicht wirken oder schlecht vertragen werden, ist Denusomab eine Option. Teriparatide sind eine weitere Alternative. Während Bisphsosphonate und Denusomab den Knochenabbau hemmen, stimulieren Teriparatide die knochenaufbauenden Zellen.

STANDARD: Eine abschließende Frage: In welchem Lebensalter sind die Knochen eigentlich am stärksten?

Zendeli: So um das 30. Lebensjahr sind die Knochen am stabilsten. Wir erkennen aber zunehmend, dass die Grundlagen für stabile Knochen schon in der Kindheit und Jugend gelegt werden. Deshalb ist Bewegung in diesen Jugendjahren auch ganz essenziell. Man schafft sich damit eine gute Grundlage, von der man bis in die späten Lebensjahre profitiert. (Karin Pollack, 10.10.2019)