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US-Präsident Donald Trump glaubt, nicht auf Berater hören zu müssen.

Foto: AP/Vucci

Mitch McConnell ist nicht gerade dafür bekannt, schnell auf Distanz zu Donald Trump zu gehen. Im Gegenteil: Der republikanische Parlamentsveteran aus Kentucky legt eine solche Loyalität gegenüber Parteifreunden und dem US-Präsidenten an den Tag, dass ihn Zeitgenossen mit spitzer Zunge schon mal als "Türsteher an den Pforten des Trump'schen Palasts" verspotten. Eben erst hat er per Video versichert, unter seiner Führung werde eine Senatsmehrheit die Amtsenthebung des Präsidenten auf alle Fälle blockieren. Umso bemerkenswerter ist, mit welcher Verve McConnell im Senat Trumps jüngste Weichenstellung in Syrien kritisiert.

Die dort verbliebenen US-Truppen überstürzt abzuziehen, so erklärte McConnell, würde allein Russland, dem Iran und dem syrischen Regime von Bashar al-Assad nützen. Zudem erhöhe ein solcher Schritt das Risiko, dass sich die Milizen des "Islamischen Staats" und andere Terrorgruppen neu formierten. Und es folgte ein Satz, der weit hinausgeht über den konkreten Anlass: "Amerikanischen Interessen ist am besten durch Führungsstärke gedient – nicht durch Zurückweichen."

Warnungen von Parteifreunden

Nun: Der Streit ist nicht neu. Er dreht sich nicht nur um Syrien, sondern auch um die Grundsatzfrage, welche Rolle die Vereinigten Staaten in der Welt spielen sollen. Schon als Trump 2015 und 2016 fürs Weiße Haus kandidierte und ihm das konservative Establishment zunächst den Weg zu versperren versuchte, rieben sich die maßgeblichen Außenpolitiker der Partei an einem Unberechenbaren, der sich den Rückzug aus Konfliktgebieten auf die Fahnen schrieb und der die nach 1945 gebildeten Allianzen infrage stellte – sei es die Nato, sei es das Bündnis mit Japan und Südkorea. Diesmal aber stellen sich prominente Konservative mit einer verbalen Schärfe gegen Trump, wie man sie nicht mehr erlebt hatte, seit der Mann im Oval Office regiert.

Senator Marco Rubio, weltpolitisch ein Falke, spricht von einem schweren Fehler, der Folgen weit über Syrien hinaus haben werde. Lindsey Graham, gleichfalls ein Hardliner, aber eben auch einer der engsten Vertrauten Trumps im Kongress, nannte die Entscheidung "kurzsichtig und unverantwortlich". "Das ist die größte Lüge dieser Administration, dass der IS geschlagen ist. Das Kalifat wurde zerstört, aber tausende Kämpfer sind geblieben."

Romney spricht von Verrat

Mitt Romney, einst gescheiterter republikanischer Präsidentschaftskandidat, ging sogar so weit, den Schulterschluss mit einem Demokraten zu proben: mit Chris Murphy, seinem Senatskollegen aus Connecticut. Trump übe Verrat an den kurdischen Verbündeten, indem er sie angesichts eines drohenden türkischen Angriffs im Stich lasse, schrieben beide in einem Statement. Nachdem man sich der Hilfe der Kurden bedient habe, um den IS zu vernichten, öffneten die USA nunmehr die Tür zu deren Vernichtung. Dies werde ihre Glaubwürdigkeit als verlässliche Partnerin ernstlich untergraben, warnte das Duo, ohne es auf den Nahen Osten zu beschränken.

Schon jetzt lässt sich absehen, dass der US-Senat dem Präsidenten eine schallende Ohrfeige verpassen wird, ähnlich wie im Jänner. Damals, nach Trumps jähem Entschluss, sämtliche US-Soldaten aus dem Nordosten Syriens nach Hause zu beordern, hatte er einen kompletten Abzug sowohl aus Syrien als auch aus Afghanistan mit klarer Mehrheit (68 zu 23 Stimmen) abgelehnt.

Es war einer dieser parteiübergreifenden Brückenschläge, wie man sie in Washington nur noch höchst selten erlebt. Unter dem Druck des Parlaments wie auf Zureden seines mittlerweile geschassten Sicherheitsberaters John Bolton machte der Präsident einen Rückzieher, wenn auch nur einen halben. Er reduzierte das US-Kontingent von 2000 auf 1000 Mann, von denen einige Hundert in vorgeschobener Position auf der syrischen Seite der Grenze zur Türkei stationiert wurden, um Ankara von einer Invasion abzuschrecken.

"Er ist zum Gottkaiser geworden"

Eine Korrektur auf Raten wie damals? Das Szenario könnte sich wiederholen. Dass der Widerstand in den eigenen Reihen nicht ohne Wirkung bleibt, ließ Trump bereits erkennen, als er Ankara mit Konsequenzen drohte, nachdem er kurz zuvor noch grünes Licht für einen türkischen Einmarsch signalisiert hatte. Wenn die Türkei etwas unternehme, das er, Trump in seiner "großartigen und unvergleichlichen Weisheit" für tabu halte, werde er die türkische Wirtschaft zerstören und auslöschen, twitterte er am Montagabend. Amerikas populärster Fernsehsatiriker bedachte das prompt mit einer prägnanten Zeile: "Nun ist er endgültig zum Gottkaiser geworden", spottete Stephen Colbert.

Am Mittwoch versuchte Trump eine kleine Reparatur: Den Kurden, allesamt "wunderbare Kämpfer", werde weiter mit Waffen und Geld geholfen. Und seine Drohung Richtung Ankara wiederholte er auch noch. (Frank Herrmann aus Washington, 8.10.2019)