Manchmal kommt unverhofft: Coco Gauff steht in der 2. Runde.

Foto: APA/BARBARA GINDL

Maria Scharapowa musste verletzt absagen, sie kam aber extra für eine Pressekonferenz und eine Autogrammstunde nach Linz.

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Linz – Im Sport mag man das: Wunderkinder, Supertalente, Zukunftshoffnungen. Es wirkt zuweilen wie ein Rennen um die Glaskugel, ein Wettcafé der Szene: Wer schafft es, die zukünftigen Superstars so früh wie nur möglich auszuweisen. Cori Gauff macht es einem leicht: Die 15-Jährige aus Atlanta, Georgia, USA, spielt ein außergewöhnliches Tennisjahr. Sofern sie spielen darf. Das Reglement besagt nämlich, dass Spielerinnen unter 16 nur an einer beschränkten Anzahl an Turnieren teilnehmen dürfen. Das soll Burn-out und Verschleiß verhindern.

"Nennt mich einfach Coco", sagt Gauff in einem Werbespot für ihren Ausrüster. Der Teenager spielte sich 2019 ins Rampenlicht. In Wimbledon zog sie sensationell ins Achtelfinale ein, schlug dabei in der ersten Runde Venus Williams. Eines ihrer Idole. Bei den US Open scheiterte sie in der dritten Runde an Naomi Osaka. Das kann passieren. Außergewöhnlich dabei war aber, dass Osaka das Interview auf dem Platz mit der Verliererin zusammen führte. Das macht man eigentlich nicht. Beide waren gerührt, Gauff weinte. In einem Sport, in der Egomanie ähnlich wichtig ist, wie eine gute Rückhand, eine außergewöhnliche und bemerkenswerte Szene. Gauff erinnert sich: "Zuerst wollte ich nur so schnell wie möglich weg. Es war mir unangenehm. Aber am Ende hat es gezeigt, dass man sich trotz aller Rivalität neben dem Platz respektieren kann. Das kann die Welt vom Sport lernen."

Giftige Rückhand, verbotenes Casino

Dass Gauff Talent hat, sah man auch in Linz. Und das, obwohl ihr erster Auftritt seit den US Open mit einem ordentlichen Dämpfer begann. In der finalen Qualifikationsrunde musste sie sich der Deutschen Tamara Korpatsch in zwei Sätzen geschlagen geben. Das hat sich die 15-Jährige freilich anders vorgestellt: "Sie hat die Bälle besser ins Eck gespielt" , analysierte Gauff nach der Partie. Da aber die Griechin Maria Sakkari wegen einer Verletzung nicht antreten konnte, rutsche Gauff in den Hauptbewerb. Dort bezwang sie am Dienstag in der ersten Runde Stefanie Vögele aus der Schweiz 6:3, 7:6(3).

Gauff hat jetzt schon vieles, was eine Topspielerin ausmacht. Sie misst 176 Zentimeter (jetzt schon), das Service ist eine Waffe, die Rückhand kommt giftig und gemein. Die Vorhand des Teenagers ist ausbaufähig. Noch. Auf dem Platz wirkt Gauff ruhig. Hier und da pusht sie sich, wenn ein Punkt gelingt, die große Emotion bricht nicht aus ihr heraus. "Angespannt", beschreibt sie sich selbst. Wenn etwas schiefgeht, wirkt sie zuweilen wie ein Kind, dem man gerade sagt, dass es den Geschirrspüler ausräumen soll. Kurz Ärgern, dann weiter. Die Automatismen des Profitums sitzen aber noch nicht ganz. Die Players Party am Montag wurde wegen ihr ins Musiktheater verlegt. Eigentlich wäre das Casino eingeplant gewesen, dort darf man als 15-Jährige aber noch nicht rein. Es war ihre erste Players Party. Es werden sicher noch einige kommen.

Trainiert wird Gauff eigentlich von Patrick Mouratoglou, dem Coach von Serena Williams. Das Operative übernimmt der Vater, er begleitet sie auf der Tour. Der Vater heißt Corey, das könnte man lustig finden. Schon rund um Tochter Cocos Sensationslauf in Wimbledon, gab sich der Vater der Gefahren bewusst: "Wir wissen, dass jüngere Spielerinnen manchmal verheizt werden und sich nicht zurechtfinden. Wir achten darauf, dass das bei Coco nicht passiert. Sie soll den Spaß nicht verlieren", sagte der ehemalige Basketballspieler. Mutter Candi war früher Leichtathletin und Turnerin. Eine Sportfamilie also.

Die Tochter hat Ambitionen: "Ich will die Größte aller Zeiten werden", sagte sie schon vor zwei Jahren. Da war sie 13. Bald ist sie 16. Und spätestens dann wird es um Coco noch lauter.

Der Auftritt

Laut war es auch in den Gängen der TipsArena am Dienstag. Menschen schälen sich an den Tischen vorbei, Hände mit Mobiltelefonen werden in die Höhe gestreckt. Es riecht, wie es in Sportstätten an einem späten Nachmittag eben riecht: Bier, Schweiß, gefüllte Semmerln, ein bisschen Restparfum. Kinder nutzen ihren seltenen Körpervorteil und schlängeln sich geschickt zwischen den breiten Erwachsenen durch. Auch sie haben die Handys gezückt, alle wollen einen Schnappschuss ergattern. Während Maria Scharapowa brav Autogramme schreibt, findet auf dem Showcourt ein Doppel statt. Am Center Court gewinnt die Französin Kristina Mladenovic ihre Auftaktpartie gegen die Tschechin Katerina Siniakova in zwei Sätzen.

In den Gängen ist das Nebensache. Alle wollen einen Blick auf Maria Scharapowa werfen, ein verschwommenes Foto für die Whatsappgruppe machen, ein Autogramm ergattern. Die Russin ist eine Grande Dame des Tennis, ein Superstar, weltbekannt, steinreich. 2015 wurde sie wegen Dopings gesperrt, seit ihrer Rückkehr auf die Tour kämpft die 32-Jährige mit ihrem Körper. Ihren sportlichen Start in Linz musste sie nach einer Schulterblessur absagen. Ein Dämpfer für Turnierdirektorin Sandra Reichel, die aber dennoch einen Deal mit Scharapowa aushandelte. Für eine Pressekonferenz und eine Autogrammstunde flog die Russin extra ein. Sie zählt immer noch zu den zehn bestbezahlten Sportlerinnen des Planeten.

Die Ansagen

Scharapowa war geduldig, beantwortete Fragen und zeigte sich abgeklärt. Es gibt wenig, was die Russin aus dem Konzept bringt. In Linz beginnt's für sie mit einem Déjà-vu. "Ich habe sehr gute Erinnerungen an 2006, als ich hier gewonnen habe. Ich habe gerade ein Bild von mir von damals gesehen als 19-Jährige. So viele Dinge haben sich seit damals verändert und ich habe so viele Ups und Downs durchlebt", erinnert sie sich.

Das Feuer sei nach all den Jahren immer noch da. "Ich glaube das Wissen und die Wertschätzung, was ich tue, ist definitiv höher. Ich bin mir viel mehr bewusst, was man leisten muss und wie sehr ich es will und was der Körper durchmachen muss."

Die Zukunft ist für die Russin noch ungewiss. Ein bisschen dürfte noch gehen: "Als ich hier als 19-Jährige gespielt habe, hätte ich nicht gedacht, dass ich mit 32 noch spielen werde. Ich liebe den Sport, bin eine große Kämpferin, aber ich komme heim und komme gern heim. Ich bin der Ziellinie sicher näher, aber wer weiß?" (Andreas Hagenauer, 8.10.2019)