Wer in der Wiener Innenstadt einen E-Scooter benötigt, um flott von A nach B zu kommen, der muss nicht lange suchen. Mittlerweile tummeln sich bereits acht Anbieter (Lime, Bird, Tier, Wind, Circ, Hive, Kiwiride und Rollmi) in der Stadt – und das fast ausschließlich innerhalb des Gürtels. Die hohe Dichte an Rollern sorgt mittlerweile immer wieder für Diskussionen über verstellte Gehsteige und Radständer.

Lime aus Kalifornien hat vor einem Jahr als zweiter Anbieter nach Bird seine Scooter in Wien verteilt. Im Gespräch mit dem STANDARD zieht Tonalli Arreola, Geschäftsführer von Lime in Österreich, Bilanz und verrät, warum er sich dennoch eine Möglichkeit wünscht, mehr Scooter auf die Straßen Wiens bringen zu können.

Verfügbarkeit als Erfolgsrezept

Mit der Entwicklung in Wien ist Arreola "sehr zufrieden", trotz des zunehmenden Konkurrenzdrucks. Das Angebot werde "gut angenommen". Ob man hierzulande bereits mit schwarzen Zahlen operiert, bleibt offen. Allerdings mache Lime in mehreren europäischen Städten bereits Profit.

Als wesentliches Differenzierungsmerkmal zu einer Konkurrenz, die im Prinzip die gleiche Dienstleistung anbietet, sieht Arreola die Verfügbarkeit. Die Stärke von Lime sei, Scooter stets dort zu platzieren, wo sie gefragt sind, und die Wege für die Nutzer zu den Rollern damit kurz zu halten, was die Wahrscheinlichkeit verringere, dass sie auf ein Fahrzeug der Konkurrenz setzen.

Tonalli Arreola leitet das Geschäft von Lime in Österreich. Das Unternehmen bietet seine Leihscooter in Wien und Linz an.
Foto: Lime

"Verkaufen keine Daten"

Einen Grund für das Scheitern der Radverleiher Obike und Ofo sieht Arreola darin, dass diese ihre Räder kaum bewegt hätten. Das begünstige auch Vandalismus, der gerade die mietbaren Fahrräder recht häufig betroffen hatte. Schon aus geschäftlicher Sicht sei es nicht sinnvoll, einen Scooter, der 24 Stunden ungenutzt an einem Ort steht, dort zu belassen.

Bei Lime sorgt ein Algorithmus, basierend auf laufenden Berechnungen der Nutzung, für die möglichst profitable Verteilung der Roller. "Unser Geschäft sind Fahrten. Wir verkaufen auch keine Daten", fügt er hinzu. Vandalismus an Scootern gebe es auch in Wien, er komme allerdings nicht häufig vor. Konkrete Daten liegen dazu allerdings nicht vor, da Schäden durch Vandalismus oft nicht von Unfällen unterscheidbar seien.

Dass in einem Jahr immer noch acht E-Scooter-Anbieter in Wien konkurrieren werden, glaubt der Lime-Chef nicht. In den USA sehe man schon Anzeichen einer baldigen Konsolidierung. Auch in Europa rechnet er noch über den Winter mit ähnlichen Entwicklungen, in Form von Übernahmen oder Konkursen. Denn schließlich würden auch die Geldgeber hinter den oft jungen Verleihfirmen nicht ewig einer Perspektive auf Rendite harren wollen.

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DER STANDARD

Preiserhöhung nicht an "Juicer" weitergegeben

Auch bei Lime strebt man freilich nach einer besseren Bilanz, und so hat man als einer von mehreren Anbietern im Frühsommer den minütlichen Fahrpreis um ein Drittel erhöht – von 15 auf 20 Cent. Die Kunden habe das nicht sonderlich beeindruckt, man habe keine signifikanten Auswirkungen auf die Nachfrage festgestellt. Mittelfristig sei der neue Preis stabil und keine weitere Erhöhung in Aussicht, heißt es.

Die "Juicer" – Privatpersonen, die gegen Entgelt nachts leer gefahrene E-Scooter einsammeln, aufladen und wieder abstellen – profitierten von dem Preisanstieg allerdings nicht. Er wurde bislang nicht weitergegeben, da er laut Arreola ausschließlich zur Deckung der operativen Kosten dient. Allerdings habe man im Lauf der Zeit mehr Verdienstmöglichkeiten geschaffen, Juicer werden nun etwa auch für den Transport defekter Scooter ins Lager entlohnt. Pro Woche seien derzeit "einige hundert" Leute nebenverdienstlich für Lime tätig.

Die Möglichkeit, mehr Scooter aufstellen zu dürfen, ist für Lime die Grundvoraussetzung, um auch Außenbezirke zu bedienen.
Foto: AFP

Scooter sollen mindestens ein Jahr halten

Vor einigen Monaten war auch eine Diskussion über die Haltbarkeit der E-Scooter im Leihbetrieb entbrannt. Das US-Magazin "Quartz" wertete Daten des Anbieters Bird im Open-Data-System der US-Stadt Louisville (Kentucky) aus und kam zu dem Schluss, dass ein Roller durchschnittlich nach 29 Tagen aus dem Betrieb genommen wurde und bis dahin rund 260 Kilometer gefahren worden war. Bird bestritt diese Werte. Damals operierte das Unternehmen mit umprogrammierten Xiaomi-M365-Scootern, mittlerweile hat man Roller nach eigener Konzeption im Einsatz.

Die aktuelle Generation eigener Scooter von Lime ist in Wien seit zehn Monaten im Umlauf und ebenfalls ein "Eigenbau", erklärt Arreola. Bislang habe man keine Probleme mit der Haltbarkeit entdeckt, abseits von Vandalismus und Unfällen seien bislang nur Reparaturen vorgekommen. Man rechnet damit, dass diese Roller zumindest ein Jahr oder länger halten. In den kommenden Monaten wird die nächste Version nach Wien gebracht, die noch bessere Haltbarkeit bieten soll.

Stadt Wien lädt zum Gipfel

Spannend wird es für alle Anbieter in Wien Ende Oktober. Dann lädt die Stadt nämlich zu einem E-Scooter-Gipfel, auf dem man Erkenntnisse einer Evaluation des bisherigen Betriebs und daraus abgeleitete Maßnahmen präsentieren will. Trotz der Debatte über die innerstädtische Scooter-Flut wünscht sich Arreola die Möglichkeit, mehr Scooter aufstellen zu können – allerdings nicht in der Innenstadt.

In Deutschland hat das Umweltbundesamt die Scooter-Verleiher kritisiert. Zwar begrüßt man die Roller als klimafreundlichere Alternative zum Auto, ist aber nicht glücklich darüber, dass die Scooter praktisch exklusiv in den Innenstädten stehen, wo die Dichte an Stationen des öffentlichen Nahverkehrs in der Regel ohnehin hoch ist. Sollten die Scooter tatsächlich Autos ersetzen, müssten sie in die Außenbezirke gebracht werden, in denen die Öffi-Versorgung meist schlechter ist.

Lime spricht sich klar gegen fixe Stellplätze für Leihscooter aus.
Foto: AFP

Mehr Scooter für Simmering

"Wir waren zum Start in 22 Bezirken", erklärt der Lime-Chef dazu. Allerdings habe man das Fahrgebiet bald reduzieren müssen, da man keine ausreichende Dichte an Rollern bereitstellen konnte, um eine Alternative für andere Verkehrsmittel zu sein. Müssten Nutzer erst einen halben Kilometer zu Fuß gehen, ehe sie einen Scooter finden, schwinde die Akzeptanz drastisch.

Mit dem aktuellen Limit von 1.500 Scootern je Anbieter könne man daher kein größeres Gebiet bedienen. Eine Ausweitung des Dienstes nach Donaustadt, Simmering, Liesing und Co sei daher nur mit mehr Rollern möglich. Gelöst werden könnte das etwa mit Limits, die sich auf bestimmte Stadtgebiete oder Bezirke beziehen, argumentiert Arreola.

Lime gegen fixe Stellplätze

Für mehr Parkdisziplin in der Innenstadt hingegen will man einerseits über die eigenen Kommunikationskanäle – die App und Social Media – sorgen. Andererseits beschäftigt man eigens Mitarbeiter, die durch die Stadt fahren und sich um beschädigte, umgefallene oder schlecht abgestellte Scooter kümmern. Ebenso würde man eine Diskussion über mehr Parkmöglichkeiten für E-Scooter begrüßen. Fixe Stellplätze lehnt Lime allerdings ab. Denn gerade die hohe Flexibilität, die Nutzer nicht zwingt, sich an bestimmten Parkstationen zu orientieren, sei der Schlüssel zur hohen Akzeptanz der Leihroller.

In anderen Städten bietet Lime auch andere Verkehrsmittel, etwa E-Bikes, zur Leihe an. Dass man das Angebot auch in Wien erweitern könnte, schließt Arreola nicht aus, konkrete Pläne gebe es aber nicht. Überlegt wird hingegen die Einführung neuer Tarifmodelle, etwa in Form von Tages- oder Monatspässen als Ergänzung zu den Einzelfahrten. Genaueres will der Lime-Chef gegenwärtig dazu aber nicht sagen. (gpi, 13.10.2019)