Heiße, geschmolzene Gesteinsplaneten jenseits unseres Sonnensystems lassen sich womöglich leichter aufspüren als feste. Zu diesem Schluss kommen Wissenschafter der Uni Bern.

Illustr.: Uni Bern/Thibaut Roge

Kleine Gesteinsplaneten wie unsere Erde entstehen aus den Resten, die bei der Geburt eines Sternensystems übrig bleiben. Alles, was nicht in den heranreifenden Zentralstern gelangt oder als Baumaterial für Riesenplaneten dient, hat das Potenzial, einen viel kleineren, terrestrischen Planeten zu formen. Derartige Welten, selbst wenn es sich um Supererden handelt, sind im Vergleich winzig und daher auch schwierig zu entdecken und zu charakterisieren.

Kühlt ein Gesteinsplanet erst mal aus und bildet eine feste Kruste, dann ist er umso schwerer auszumachen. In seiner heißen Geburtsphase dagegen, gleichsam in seiner flüssigen Form mit einer ausgedehnten Gasatmosphäre, ist ein felsiger Exoplanet bedeutend leichter zu erkennen. Zu diesem Schluss kam nun ein Forscherteam um Dan Bower von der Universität Bern.

Flüssiger Anfang

Aufgrund der starken Abstrahlung könnten Teleskope einen solchen Planeten besser aufspüren als ein festes Pendant. "Zugegeben, niemand möchte auf einem dieser Planeten Ferien machen", sagt Bower. "Aber die Untersuchung dieser Objekte ist wichtig, da viele, wenn nicht sogar alle Gesteinsplaneten ihr Leben als geschmolzene Brocken beginnen. Einige davon könnten irgendwann bewohnbar werden wie die Erde."

Was während dieser Geburtsphase geschieht, wirkt sich auch auf die weitere planetare Entwicklung aus. "Wir haben Grund zur Annahme, dass Prozesse während der Babyjahre eines Planeten für seinen späteren Lebensweg entscheidend sind", so Bower. Daher wollten die Wissenschafter die beobachtbaren Charakteristiken eines solchen Planeten in einer nun im Fachjournal "Astronomy & Astrophysics" erschienenen Studie aufdecken. Das Ergebnis: Eine geschmolzene Erde hätte demnach einen um etwa fünf Prozent größeren Radius hätte als die feste Erde.

Unter den extremen Bedingungen im Planeteninneren verhält sich geschmolzenes Material nämlich anders als festes. "Im Wesentlichen nimmt ein geschmolzenes Silikat mehr Volumen ein als der entsprechende Festkörper, und das macht den Planeten größer", erklärt Bower.

Fünf Prozent machen einen Unterschied

Einen erdgroßen Gesteinsplaneten, der einen hellen, sonnenähnlichen Stern umkreist, wird man allerdings nicht vor dem Start der Raumsonde PLATO im Jahr 2026 aufspüren. Doch inzwischen interessieren sich die Astronomen vor allem für Planeten, die kühlere, kleinere Sterne wie die Roten Zwerge Trappist-1 oder Proxima b umkreisen. Interessanterweise kann eine fünfprozentige Differenz bei den Planetenradien bereits mit aktuellen und künftigen Beobachtungsinstrumenten gemessen werden, insbesondere mit dem Weltraumteleskop CHEOPS, das in Bern entwickelt und zusammengebaut wurde und noch in diesem Jahr starten wird.

Tatsächlich deuten die neuesten Daten darauf hin, dass geschmolzene Planeten mit kleiner Masse, deren Temperatur durch das intensive Licht vom Stern über lange Zeit hoch bleibt, im Katalog der Exoplaneten bereits vorhanden sind. Einige Exoplaneten könnten also ähnliche Bausteine wie die Erde haben, aber unterschiedliche Mengen an festem und geschmolzenem Gestein, was die beobachteten Abweichungen in der Planetengrösse erklären würde. "Sie müssen nicht unbedingt aus exotischen, leichten Materialien bestehen, um die Daten zu erklären", sagt Bower.

Rätselhafte Dichtewerte

Aber selbst ein völlig geschmolzener Planet bietet möglicherweise keine Erklärung für die extremsten geringen Dichtewerte, die beobachtet wurden. Doch auch dafür hat das Forscherteam einen Vorschlag: In ihrer frühen Entwicklung können geschmolzene Planeten durch Entgasung von Magma mächtige Atmosphären aus flüchtigen Bestandteilen bilden, die ursprünglich in der Schmelze gelöst waren. Dies könnte eine zusätzliche Abnahme der beobachteten Planetendichte erklären. Das James-Webb-Weltraumteleskop (JWST) sollte in der Lage sein, eine solche Atmosphäre auf einem Planeten um einen kühlen Roten Zwergstern zu erkennen, wenn diese vor allem Wasser oder Kohlendioxid enthält.

Neben den Konsequenzen für die Beobachtungen sieht Bower als Erdwissenschaftler seine Studie in einem breiteren Kontext: "Unsere eigene Erde können wir natürlich nicht beobachten, als sie heiß und geschmolzen war. Aber die Exoplaneten-Forschung eröffnet uns die Möglichkeit, Entsprechungen der jungen Erde und der jungen Venus aufzuspüren." Das könnte für neue Erkenntnisse über die Erde und die anderen Planeten in unserem Sonnensystem sehr wichtig werden. Betrachtet man die Erde im Kontext von Exoplaneten und umgekehrt, bieten sich neue Möglichkeiten, die Planeten innerhalb und außerhalb des Sonnensystems zu verstehen. (red, 14.10.2019)