Sie helfen nach der Vorlesung beim Roten Kreuz, lehren Geflüchteten Deutsch oder sind politisch aktiv. Die Möglichkeiten, sich neben dem Studium zu engagieren, sind zahlreich. Österreichweit gibt es allein elf politische Jugendorganisationen. Ehrenamtlich kann man in unzähligen Vereinen und karitativen Organisationen helfen.

Vier von zehn der 15- bis 29-Jährigen sind ehrenamtlich tätig. Das geht aus dem letzten Freiwilligenbericht des Sozialministeriums von 2015 hervor. Damit gehören die Studierenden eher zum unteren Spek trum der Engagement-Skala, nur die über 70-Jährigen sind deutlich seltener aktiv. An der Spitze liegen die 50- bis 59-Jährigen, von denen sich 55 Prozent freiwillig beteiligen.

Mehr Männer als Frauen

Nahezu jeder zweite männliche Befragte des Freiwilligenberichts engagiert sich – und dann eher in Vereinen und Institutionen als privat. Letzteres zieht besonders freiwillige Frauen an, von denen sich rund 42 Prozent engagieren. Sie betreuen sehr häufig pflegebedürftige Personen oder geben unbezahlte Nachhilfe. Egal wo Personen mithelfen, das Engagement steigt mit dem Bildungsabschluss. Während sich nur knapp ein Drittel jener mit Pflichtschulabschluss engagieren, sind es bereits mehr als die Hälfte derjenigen mit Matura und 61 Prozent unter den Hochschulabsolventen.

Insgesamt hilft die Mehrzahl der Freiwilligen bis zu 30 Tage pro Jahr. Das trifft laut dem Freiwilligenbericht vor allem auf Helfer im Katastrophen- und Rettungsdienst sowie in den Bereichen Umwelt- und Tierschutz und Religion zu. Wer ein Ehrenamt in der Kultur, im Sport, in der Bildung sowie teilweise in der politischen Arbeit hat, investiert aber "deutlich mehr Tage".

Übrigens: Ein Ehrenamt macht sich nicht nur gut im Lebenslauf, sondern der Schlüssel zum Glücklichsein liegt in der Dankbarkeit und Hilfsbereitschaft, sagt die Glücksforschung. Da reichen auch ein paar wenige Stunden.

Foto: Regine Hendrich

Laura Fellerer plant die Donnerstagsdemos

"Ein Dreivierteljahr nachdem die türkis-blaue Regierung angelobt wurde, fragte mich ein Freund, ob ich bei Do! mitmachen und künftig Donnerstagsdemos gegen die Regierung organisieren will. Ich wollte: Ich war schockiert vom Nichtstun und der rassistischen, sexistischen und diskriminierenden Politik der Regierung. Und ich fand es gut, dass es keine Institution mit_hierarchischer Struktur ist, sondern eine Bewegung vieler, die für eine bessere Gesellschaft aufstehen.

Auf der Demo hat jeder stets andere Aufgaben: Ich habe schon Reden geschrieben, Merch verkauft und Social Media betreut. Etwa zehn Stunden pro Woche wende ich dafür auf, nebenbei arbeite ich 15 Stunden. Das ist schon stressig, aber die Demos geben mir so einen Adrenalinschub, dass ich daraus Kraft tanken kann. In Mindest studienzeit kann ich da natürlich nicht abschließen. Aber ich will nicht nur an der Uni sein, wenn quasi Leben von menschenverachtender Politik abhängen.

Nach der Wahl war die vorerst letzte Demo. Wir lösen uns nicht auf, sondern widersetzen uns weiter politisch: Kurz war nie unser Kanzler, daher schauen wir ihm auf die Finger." (set)

Laura Fellerer (22) studiert Soziologie an der Uni Wien und Unwelt- und Bioressourcenmanagement an der Boku. Sie organisiert die Donnerstagsdemos mit.

Marlaine Domocos gibt Tipps fürs Studium

"In der Schule habe ich die ÖH über die Studien- und Maturantenberatung kennengelernt. Als eine Stelle, an die man sich wenden kann. Als Studienanfängerin habe ich dann bei der Allgemeinen Beratung durchgeklingelt und die Leute mit Fragen bombardiert. Die haben mir gesagt, dass es für die Studien eigene Vertretungen gibt. So bin ich bei der Institutsgruppe Geschichte gelandet, wo ich mich nun engagiere. Es war angenehm, Leute kennenzulernen, die sich mit anderen Themen beschäftigen als meine Freunde. Ein Ort, wo man sich über Politik unterhalten kann.

Mittlerweile organisiere ich Veranstaltungen mit und setze mich in Uni-Gremien für Studierende ein. Es mir ist wichtig, mich politisch zu engagieren. Es sind Dinge in der Geschichte passiert, die nie hätten passieren dürfen und nie wieder passieren dürfen. Darum versuchen wir, bei Veranstaltungen wie Studienreisen diese Situationen zu reflektieren und auf die Gegenwart umzulegen.

Ich berate auch Studierende zum Studium. Es macht mir Freude, neuen Studierenden zu helfen. Ich war am Anfang meines Studiums ja auch völlig aufgeschmissen." (ook)

Marlaine Domocos (20) studiert Geschichte und Lehramt an der Uni Wien. Seit den ÖH-Wahlen 2019 ist sie Studienvertreterin. Daneben jobbt sie im Verkauf.

Foto: Regine Hendrich

Paula Traupmann lenkt kranke Kinder ab

"Ich will in meiner Freizeit nicht nur ins Kino gehen und mich entspannen. Sondern ich will mich nützlich machen, indem ich anderen Menschen helfe. Das ist mein Ausgleich zur Uni.

Im März 2018 habe ich angefangen, in einem Lernclub des Roten Kreuzes freiwillig zu arbeiten. Ich habe Schülern bei den Hausübungen geholfen oder mit ihnen das Einmaleins geübt. Ein halbes Jahr habe ich auch den Club geleitet. Das war eine schöne Erfahrung, aber auch nervenaufreibend.

Es ergab sich dann die Chance, mein Interesse für Medizin mit dem Ehrenamt zu verknüpfen: Seit April unterstütze ich im St.-Anna-Kinderspital das Personal in der Ambulanz. Ich spiele mit den Kindern, lese ihnen was vor, um sie zu beruhigen. Zwei- bis dreimal monatlich habe ich von 18 bis 22 Uhr Dienst. Da ist am meisten los. Um elf falle ich dann erledigt ins Bett. Doch der Dank der Eltern und die Möglichkeit, was Gutes zu tun, motivieren mich.

Mit meinen Kursen und Prüfungen ist das gut vereinbar, auch wenn ich oft abends Vorlesungen habe – dann übernehme ich eben mal den Dienst am Wochenende. Die Uni leidet nicht darunter, und umgekehrt hindert sie mich nicht daran zu helfen. Trotzdem bin ich die einzige meiner Studienkollegen, die sich engagiert. Vielleicht fehlt manchen die Motivation, zusätzlichen Aufwand zu betreiben, oder sie wissen gar nicht, welche Möglichkeiten es gibt. Viele müssen auch nebenbei arbeiten. Derzeit finanzieren mich meine Eltern, aber neben meinem künftigen geringfügigen Job möchte ich weiter ehrenamtlich tätig sein.

Denn man lernt dabei so viele Sozialkompetenzen, wie beispielsweise offen mit Menschen umzugehen, Verständnis für andere zu haben, denen es schlechter geht. Und seither schätze ich Kleinigkeiten mehr: Etwa wenn ein Kind lacht, nehme ich das auf eine andere Art bewusst wahr." (set)

Paula Traupmann (21) studiert im fünften Semester Wirtschaftsrecht an der Wirtschaftsuni in Wien. Sie ist freiwillige Helferin beim Roten Kreuz Wien.

Foto: Regine Hendrich

Nina Schrott lernt mit Geflüchteten Deutsch

"Zur ehrenamtlichen Tätigkeit bin ich zufällig gekommen. Während meines Bachelors in Linguistik habe ich im Frühjahr 2017 die Freiwilligenmesse an der Uni Wien besucht. Dort wurde mir schnell klar, dass Deutschunterricht das richtige Engagement für mich ist. Menschen, die die Flucht bis nach Wien geschafft haben, brauchen sofort Hilfe, um sich zurechtzufinden. Auf der Messe bin ich mit einem Mitarbeiter der VinziChance, eines Vereins, in dem Flüchtlinge Deutsch lernen, ins Gespräch gekommen.

Ein paar Wochen später habe ich zum ersten Mal unterrichtet. Unangenehme Situationen hatte ich mit den Teilnehmern – entgegen vielen Erwartungen – noch nicht. Viele haben Vorurteile und denken, es sei Vorsicht geboten, wenn eine junge Frau eine Gruppe ‚fremder‘ Männer unterrichtet. Menschen denken so, weil die wenigsten Kontakt mit Geflüchteten haben.

Ich unterrichte ein- bis zweimal die Woche; immer morgens zwischen halb neun und zehn, bevor ich auf die Uni oder arbeiten gehe. Klar bin ich da mal müde. Schwierig finde ich, dass unsere Teilnehmer mit sehr unterschiedlichen Vorkenntnissen in den Kurs kommen. Mit manchen kann ich mich ganz normal auf Deutsch unterhalten, andere müssen erst unser Alphabet lernen. Aber die Freude über kleine Erfolge meiner Teilnehmer überwiegt. Etwa wenn sie die Verben richtig konjugieren. Ich verlasse meinen Unterricht immer mit einem guten Gefühl, das mir Energie für den Tag gibt.

Empathie ist eine unabdingbare Eigenschaft, wenn man mit geflüchteten Menschen arbeitet. Man muss im Hinterkopf haben, dass sie teils traumatische Fluchtwege hinter sich haben. Einer unserer Teilnehmer ist mit 18 Jahren aus Afghanistan geflüchtet. Dort musste er mitansehen, wie seine Eltern erschossen wurden. Es ist mir ein Rätsel, wie er so eine Erfahrung verarbeitet. Anfangs war er schüchtern und wollte im Unterricht nicht laut reden. Heute, zwei Jahre später, ist er einer unserer besten Schüler. So einen Prozess mitzuerleben ist für mich schön. Ich denke, dass ich für meine Teilnehmer nicht nur Lehrerin, sondern auch Bezugsperson bin.

Es ist mein Traum, später eine Sprachschule zu leiten, die offen für Menschen jeder sozialen Herkunft ist. Für die nähere Zukunft habe ich mir vorgenommen, immer Zeit für die VinziChance zu finden. Egal, wie stressig es auf der Uni oder in der Arbeit ist." (alpi)

Nina schrott (25) studiert Deutsch als Zweit- und Fremdsprache an der Uni Wien. Die Deutschlehrerin in der Erwachsenenbildung unterrichtet ehrenamtlich in der VinziChance.

(Oona Kroisleitner, Allegra Mercedes Pirker, Selina Thaler, 13.10.2019)