Ältere Menschen brauchen für ein selbstbestimmtes und oft auch noch sehr mobiles Leben persönliche Betreuung, gut eingerichtete Wohnräume und die passende Ausrüstung.

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Informiert man sich über die verschiedenen Arten des Wohnens im Alter, ist es, wie vor einem Buffet zu stehen. Zu viel Auswahl. Gut, wenn dann nicht nur eine schlichte Tafel darüber informiert, was man da eigentlich vor sich hat, sondern die Ideengeber es direkt erzählen und man jeglicher Verwirrung von Beginn an entgegenarbeiten kann.

Wobei: "Betreutes Wohnen", "betreubares Wohnen" – diese Begriffe sorgen sehr häufig für Konfusion. Wolfgang Gräsel kann davon ein Lied singen. Seit 30 Jahren plant, errichtet und betreibt er Seniorenresidenzen, auf dem Wohnsymposium teilte er seinen Erfahrungsschatz.

Nur noch "Residenz"

Sein erstes Haus ging 1996 in Bad Vöslau in Betrieb und hieß zuerst "Seniorenresidenz", dann nur noch "Residenz". Das Wort "Senior" habe nämlich niemand gerne, das musste er lernen. "Wir haben das dann weggelassen."

150 Apartments baute er, deren Bewohner waren wesentlich rüstiger und gesünder, als es die Statistik erwarten ließ. Allerdings war das eher ein gebildetes, einkommensstarkes Publikum. "Und wer reich ist, ist gesünder als jemand, der sozial schwach ist."

Später hatte Gräsel die Idee, neben dem Landespensionisten- und Pflegeheim Klosterneuburg seniorengerechte Wohnungen als betreubare Wohnungen zu errichten. Den Bauträger, für den er damals arbeitete, "verließ aber leider der Mut, es wurden ganz normale Eigentumswohnungen" .

Mittlerweile gibt es immer mehr Investoren- bzw. Renditeobjekte, die Seniorenimmobilie wurde als Assetklasse entdeckt. Das sei zwar nicht per se schlecht, so Gräsel, denn so eine Investition treffe sich ja durchaus mit dem Vorsorgegedanken. Bei Bauherrenmodellen, wo das Steuersparen im Vordergrund steht, sollte man als Bewohner jedoch vorsichtig sein.

Wohnbauforscher Wolfgang Amann sprach aber ein Problem an, das viele Projekte hätten: "Auf der einen Seite sind einkommensstarke, mobile, junge Senioren, die bereit sind zu investieren", und die könne man für solche Projekte durchaus gewinnen. Bloß: "Diese Personen benötigen noch keine Pflege." Im Gegensatz dazu gebe es Hochbetagte mit oft mäßigen Einkommen, die die Pflege bräuchten, aber nicht mehr "immobilienwirtschaftlich aktivierbar sind". Soll heißen: Die Entscheidungen treffen andere für sie.

Begriffsverwirrung

Laut Amann gibt es derzeit in Österreich rund 17.000 Wohneinheiten für Betreutes Wohnen, jedes Jahr kämen 1500 dazu. Die Begriffsverwirrung dämpfe das Potenzial, meint der Wohnbauforscher und klärte auf: "Betreubares Wohnen" meint die "Hardware", also die bauliche Gestaltung als barrierefrei, mit rutschfesten Böden und optimierten Küchen und der bloßen Ausstattung für eine Betreuung. Beim Betreuten Wohnen sei diese dabei.

Bei den Projekten gibt es zwei große Gruppen: einmal die geförderten, mit Kosten von rund 500 Euro im Monat inkl. Grundbetreuungspaket. Bei den freifinanzierten müsse man hingegen mit rund 1000 Euro pro Monat rechnen.

Wohnen neben Pflegeheim

Der Wiener gemeinnützige Bauträger Gesiba verfolgt seit einiger Zeit einen eigenen Ansatz. 2004 hat sie sich in der Troststraße für die Bebauung einer Liegenschaft unmittelbar neben einem Wohnheim der Fortuna beworben. "Da hatten wir die Idee, dass wir hier doch einen integrativen Ansatz versuchen könnten", berichtete Generaldirektor Ewald Kirschner.

Als Bauträger lieferte man die "Hardware", für die "Software" in Form der Betreuungsdienstleistung handelte man mit der Fortuna einen Vertrag aus. Dieser umfasste vor allem "eine Art Garantie für den Fall der Fälle, wenn man in eine Bettenstation muss", so Kirschner. Die Gesiba errichtete 140 Wohneinheiten auf der Liegenschaft, für 30 Prozent sollte ein Betreuungspaket angeboten werden. Nach weniger als einem Jahr waren alle betreuten Wohnungen vergeben. Sechs solche Projekte mit 177 Wohneinheiten hat die Gesiba mittlerweile umgesetzt, ein siebentes ist in Bau, zwei weitere sind in Bauvorbereitung.

Lebendige Umgebung

Ein wenig anders ist das "Haus im Leben", das Anton Stabentheiner schon ein paarmal umgesetzt hat. In Innsbruck etwa, wo 98 Wohneinheiten für alle Altersgruppen entstanden, damit das Haus möglichst bunt wird. "Denn alte Menschen wollen nicht immer nur unter anderen alten Leuten sein, genau das macht einen erst wirklich alt", so das Credo von Stabentheiner. Die Umgebung müsse lebendig sein.

Im "Haus im Leben" sind Alt und Jung in jedem Stockwerk durchmischt. "Das funktioniert aber nur, wenn es eine soziale Betreuung gibt." Und die wiederum wird von allen im Haus bezahlt, die Kosten dafür liegen bei 84 Cent je Quadratmeter und Monat. Für das Geld ist eine Lebens- und Sozialberaterin 40 Stunden in der Woche vor Ort. Das wird auch von den Jungen akzeptiert, denn im Betreuungspaket ist auch für Kinder und Jugendliche etwas dabei: Lernhilfe etwa.

Sehr viel Betreuung passiere einfach über gegenseitige Hilfeleistung, so Stabentheiner. "Eine Rollstuhlfahrerin hatte beispielsweise einmal längere Zeit keine Küche. Da wurde sie dann von den anderen Wohnungen bekocht."

Umzug in "Alten-WG"

Werner Nussmüller schließlich hat wieder ganz etwas anderes gemacht. Der Grazer Architekt beschloss vor rund zehn Jahren gemeinsam mit seiner Frau, das 150 m² große Haus in Graz zu verlassen und in eine "Alten-WG" zu ziehen. Ein schlechtes Gewissen spielte da auch mit, erzählte er. "Unsere drei Kinder können das Haus besser nutzen als wir."

Die Nachbarschaft aufzugeben fiel nicht leicht. Nun setzt man das Projekt aber um, es fanden sich ausreichend Gleichgesinnte, die auch die Werte der Gruppe – "teilen, wertschätzen, gegenseitiges Vertrauen" – teilen. Wichtigste Gemeinsamkeit war aber, dass man rechtzeitig an selbstbestimmtes Wohnen im Alter denken will.

Man sieht schon: Die Konzepte sind vielfältig, da kann man schon einmal den Überblick verlieren. Wiens Patientenanwältin Sigrid Pilz forderte deshalb von der Politik mehr Information, am besten in Form von "aufsuchender Beratung". Das könnte ein wenig die Qual aus der Wahl nehmen. (Martin Putschögl, Thorben Pollerhof, 9.10.2019)