Mehr als nur "Jugend forscht": Im Sparkling-Science-Programm profitierte auch die Wissenschaft von der Kooperation mit Schulen.

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Filter-Bubbles gibt es nicht nur im Internet. Offenbar wurde das, als im Sparkling-Science-Projekt "Vielfalt der Kulturen – Ungleiche Stadt" die zumeist aus bildungsbürgerlichen Elternhäusern stammenden Schüler eines Wiener Gymnasiums auf ihre Pendants einer "Brennpunktschule" mit vielen Kindern aus sozial schwachen Familien trafen. Gemeinsam mit der WU Wien, die an Theorien des städtischen Zusammenhalts arbeitete, schaffte man es, aus der Bubble auszubrechen, erstmals Kontakte zu knüpfen und über das städtische Zusammenleben zu sprechen. Das Resultat: Man ist offener geworden. "Was auch geblieben ist: das Selbstbewusstsein. Wir haben viel Expertise", war bei einer Evaluation aus der "Brennpunktschule" zu hören. Von dem Überwinden der Grenzen profitierte auch eine spätere "Bildungsgrätzl"-Initiative, die mehrere Schulen vereint.

Das Projekt war eines von hunderten im Sparkling-Science-Programm des Wissenschaftsministeriums, das vom Österreichischen Austauschdienst (OeAD) abgewickelt wurde und seit 2007 Hochschulen und Forschungsorganisationen mit Schulen zusammenbrachte. Die letzten Projekte, die nach dem finalen Call von 2016 starteten, laufen noch. Im Rahmen eines Kongresses am vergangenen Montag an der TU Wien ließ man nun die vergangenen zwölf Jahre Revue passieren.

Mögliches Nachfolgeprogramm

Seit Jahren macht man sich auch über ein mögliches Nachfolgeprogramm Gedanken. Aus früheren Ankündigungen wurde offenbar nichts. Aus dem Wissenschaftsministerium ist dazu zu hören, dass es durchaus noch Hoffnung gibt: "Aufgrund des nachweislichen Programmerfolgs und der bestehenden aktuellen Herausforderungen an der Nahtstelle zwischen Wissenschaft und Schule ist seitens des Ministeriums aus bildungs- und forschungspolitischer Sicht geplant, Umsetzungsmöglichkeiten für ein Folgeprogramm zu sondieren."

Dass die Projekte für beteiligte Organisationen prägende Erfahrungen waren, davon ist auch Brigitte Tiefenthaler vom Beratungsunternehmen Technopolis überzeugt. Sie fertigte im Auftrag des Wissenschaftsministeriums eine Wirkungsanalyse an. Die zentralen Fragen darin: "Welche Spuren hat Sparkling Science bei den beteiligten Institutionen hinterlassen? Was ist dort jetzt, was zuvor nicht oder anders war?"

Citizen-Science

Sie hat unter anderem einige "Fallvignetten" zusammengetragen: Projekte, die zeigen, wie die positiven Wirkungen dieser bis dato unüblichen Kooperationen aussehen konnten. Sie illustrieren etwa, wie das Programm dazu beigetragen hat, im Sinne von Citizen-Science Bürger an der Forschung zu beteiligen. Ein Beispiel: Das Konrad-Lorenz-Institut in Oberösterreich konnte mit Volksschülern und Studierenden der Pädagogischen Hochschule OÖ relevante Daten zu Graugans- und Waldrappprojekten erheben, die auch in wissenschaftliche Publikationen eingingen. Das gab den Anlass, Citizen-Science als Methode bei der Erhebung längerer Datenzeitreihen auch über die Sparkling-Science-Projekte hinaus in Betracht zu ziehen. Die Erfahrungen der Forscher haben auch ihre Wissensvermittlung geprägt: Man beteiligte sich an der Kinderuni, Führungen und Workshops profitierten von den Materialien.

Das Prinzip von Citizien-Science gab es aber schon lange vor dem Begriff. Ein gutes Beispiel dafür ist die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG), wo seit Mitte des 19. Jahrhunderts mittels sachkundiger Helfer phänologische Daten über die Entwicklung der Natur im Jahreskreis gesammelt werden. Im Sparkling-Science-Projekt "NaturVerrückt" ging man daran, neue Zielgruppen zu gewinnen. Gemeinsam mit Schülern – unter anderem aus fünf landwirtschaftlichen Fachschulen – entwickelte man eine App, die auch jugendlichen Naturbeobachtern interessant erscheinen sollte.

Von Schülern profitiert

Die Forschung hat noch in vielen weiteren Aspekten von der Arbeit mit Schülern profitiert: Im Projekt "Doing Welterbe", das den Umgang mit den Überresten von Pfahlbauten in Seen zum Inhalt hatte, machten die Forscher eine Entdeckung: Erledigten die Schüler die Interviews mit Ortsansässigen, kamen ganz andere Sichtweisen zur Sprache. Die Wissenschafter lernten, wie sie später sagen werden, dass ihre Ansprüche auf ihr Forschungsobjekt nicht die einzig legitimen sind.

In einem anderen Fall entstand durch das Miteinbeziehen der Schüler gleich ein ganzer Forschungsschwerpunkt: Im Projekt "Unterwegs", in dem die Wiener Boku mit vier Schulen kooperierte, machte man sich über die Mobilität von Kindern und Jugendlichen Gedanken. Mittlerweile wird das Thema in einer Vielzahl von Aspekten behandelt.

Diese Beispiele zeigen, dass die Kooperationen längst nicht nur dazu taugen, Schüler für Wissenschaft zu interessieren, sondern dass auch die Forschung selbst wesentlich profitiert. Die Auswertung ergab, dass zum Teil längerfristige Kontakte und Partnerschaften entstanden. Man lernte, mit den neuen Partnern umzugehen, Wissen auf neue Art weiterzugeben. "Die Frage ist: Wie erkläre ich mein Forschungsanliegen so, dass es ein Siebenjähriger versteht und dann mit mir arbeiten kann", veranschaulicht Tiefenthaler.

Verwertbares Wissen

Für Unterricht und Lehre ergaben sich naturgemäß viel verwertbares Wissen, neue Erfahrungen und Materialien. "In vielen Fällen wurden begonnene Beobachtungen im 'normalen' Unterricht über die Projekte hinaus fortgesetzt – sowohl an Universitäten wie auch an Schulen", schreibt Tiefenthaler in ihrem Bericht. Manchmal würde sie sich allerdings wünschen, dass die Projektergebnisse auf breiterer Basis in den Schulen eingesetzt werden könnten.

In einem erfolgreichen Projekt habe etwa die Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (mdw) mit Klassen mit hohem Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund zu Musik und Identität gearbeitet. Das Ergebnis war unter anderem ein Buch, in dem Geschichten um die Musik aus den verschiedensten Ländern versammelt waren. Tiefenthaler: "Es wäre nützlich, wenn man so etwas nicht nur an einzelnen Standorten macht, sondern im Schulsystem verankert." (Alois Pumhösel, 13.10.2019)