Wenn sich die Wahrnehmung der Umwelt verändert und das Gehirn nicht mehr zwischen Realität und Einbildung unterscheiden kann, kommen Menschen in Berägnis – bei Schizophrenie ist das oft der Fall.

Foto: istockphoto

Schizophrenie ist für gesunde Menschen nur schwer vorstellbar. "Patienten mit Schizophrenie erleben im Rahmen der Psychose eine umfassende Veränderung der sie umgebenden Realität. Die Wahrnehmung der Außenwelt ist verändert, die Sinne täuschen sie. Sie hören Stimmen, Farben und Gerüche können verändert wahrgenommen werden.

Alltägliche Vorgänge erhalten eine tiefere Bedeutung, Zusammenhänge mit der eigenen Person werden vermutet oder wahnhaft interpretiert. Aber auch die Wahrnehmung der eigenen Person ist verändert, die eigenen Gedanken werden als fremd erlebt, die Logik setzt aus", erklärt Jens Mersch. Psychiater in Ternitz/Niederösterreich im Rahmen einer vom Pharmakonzern Lundbeck veranstalteten Aufklärungsveranstaltung in Wien.

Ins soziale Aus schlittern

Reizüberflutung, Wahnideen, Verfolgungsängste, Halluzinationen, Stimmen, die unablässig auf sie einreden, sie beschimpfen, sich über sie unterhalten, ihnen Dinge befehlen – dies führt zu Einsamkeit, Verwirrung, Angst. Und im schlimmsten Fall zum Suizid, als radikaler Befreiungsversuch, um den quälenden psychotischen Erlebnissen ein Ende zu setzen, oder aus Selbsthass aufgrund der verlorenen Fähigkeit, das Leben zu meistern.

Die Erkrankung verläuft sehr oft in Schüben. Reizüberflutung, Wahnideen, Verfolgungsängste, Halluzinationen, Stimmen, die unablässig auf sie einreden, sie beschimpfen, sich über sie unterhalten, ihnen Dinge befehlen, sind einmal stärker, dann wieder schwächer.

Für Menschen, die an Schizophrenie leiden, verschwimmen Realität und Fiktion. Alltägliches wird als Verschwörung und Bedrohung empfunden. Wahnideen, Verfolgungsängste, Halluzinationen, Angst und Stimmen, die unablässig auf sie einreden, und der tägliche Kampf dagegen bestimmen das Leben der Betroffenen. Das Ich attackiert sich quasi selbst. Dies führt zu Einsamkeit, Verwirrung, Angst und im schlimmsten Fall zum Suizid, als radikaler Befreiungsversuch, um den quälenden psychotischen Erlebnissen ein Ende zu setzen, oder aus Selbsthass aufgrund der verlorenen Fähigkeit, das Leben zu meistern.

Angst vor Kranken

Die meisten gesunden Menschen haben Angst vor psychisch kranken Menschen. Das ist auch verständlich, denn der Mensch hat Angst vor dem Unvorhersehbaren, und Schizophrenie-Kranke verhalten sich oft unvorhersehbar. Diese Angst vor ihnen kann wiederum ihre Unsicherheit und ihre Wahnvorstellungen befeuern. Nach dem Motto: "Die haben etwas gegen mich, die verschwören sich gegen mich." Und es kommt auch immer wieder zu Gewalttaten, die von an Schizophrenie erkrankten Personen begangen werden.

"Dass ein Zusammenhang zwischen Schizophrenie und Gefährlichkeit besteht, ist zumindest in der öffentlichen Meinung eine Tatsache, die immer wieder durch Meldungen über schwere Gewalttaten, begangen von an Schizophrenie Erkrankten, Bestätigung findet", sagt Heidi Kastner, Leiterin der Klinik für Psychiatrie mit forensischem Schwerpunkt an der Kepler-Universität Linz. Dem aber widerspräche die bis heute umfassendste epidemiologische Studie über die Gewalttätigkeit psychisch Kranker (Böker, Häfner 1973). In dieser wurde nämlich ein gesamthaft nicht erhöhtes Gewaltrisiko von Psychiatriepatienten festgestellt.

In weiteren Untersuchungen zeigte sich, dass sogenannte "late starters", die vor Erkrankungsausbruch und Delinquenz ein weitgehend unauffälliges Leben geführt hatten, eine deutlich bessere Prognose hatten als die sogenannten "early starters", die schon vor Erkrankungsausbruch gewalttätig gewesen waren. Wenn es gelingt, bei "late starters" eine ausreichende medikamentöse und sozialtherapeutische Behandlung zu etablieren, sinke das Risiko eine Gewalttat zu begehen, wieder auf das Niveau des Durchschnittsbürgers.

Um künftige Gewalttaten zu verhindern, sei es jedoch wichtig, Risiken ernst zu nehmen und eine geeignete Behandlung zu forcieren. Kastner: "Eine andere durchaus effiziente und immer noch nicht ausreichend genutzte Behandlungsstrategie beruht auf der Empfehlung zur Depotbehandlung, die sich sowohl pharmakodynamisch als auch bzgl. Langzeitverlauf der Erkrankung in unzähligen Studien als die bestmögliche Behandlungsform erwiesen hat."

Medikamente als Unterstützung

Für die belastenden Symptome der Schizophrenie gibt es Medikamente. "Schizophrenie ist heute zumeist gut behandelbar, wenn auch noch allzu häufig nicht heilbar", erläuterte Christoph U. Correll, Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Die Therapie setze sich im Idealfall aus einer individuell abgestimmten Kombination von medikamentöser Behandlung, Psychotherapie und anderen therapeutischen Verfahren wie Ergotherapie, Soziotherapie etc. zusammen. Als Medikamente kommen Antipsychotika zum Einsatz, die die Botenstoffe in bestimmten Gehirnregionen dahingehend beeinflussen, dass vor allem die psychotischen Positiv-Symptome (etwa Halluzinationen, Wahnvorstellungen, Zerfahrenheit der Gedanken) gehemmt werden.

"Der Therapieerfolg ist maßgeblich von der Dauer der unbehandelten Psychose abhängig. Je schneller nach Auftreten der ersten psychotischen Phase mit einer geeigneten Therapie begonnen wird, desto besser wirkt sich dies auf den weiteren Verlauf aus," so Correll. Und es gelte, Rückfälle in psychotische Phasen unbedingt zu verhindern. Der beste Weg, um Rückfälle zu vermeiden, ist eine kontinuierliche Langzeittherapie.

Enorme Belastung für Angehörige

Schizophrenie stellt eine enorme Belastung für die Betroffenen, aber auch für ihre Angehörigen dar, sagt Psychiater Nestor Kapusta von der Med-Uni Wien. "Am Beispiel der Schizophrenie wird auch die hohe Belastun

g der Angehörigen deutlich. Angehörige von Menschen mit psychischen Erkrankungen entwickeln nicht selten selbst affektive Störungen und Burnout bis hin zu Suizidgedanken oder identifikatorischen Krisen mit Nachahmungssuiziden. Suizidalität ist somit ein komplexes Phänomen, das nicht nur Betroffene, sondern auch die Umgebung zu Mitbetroffenen machen kann."

Die große Angst ist für Angehörige ist die Suzidgefahr, die bei dieser Erkrankungen zwichen fünf und zwölf Prozent liegt. "Neben dem bilanzierten Suizid, der aufgrund der scheinbaren Ausweglosigkeit aus der Krankheit oder aufgrund der Lebensumstände oder der aktuellen Situation begangen wird, kommt es immer wieder zum Suizid als ‚Unfall der Psychose‘. Denn die während einer psychotischen Phase veränderte Realität kann zu einer veränderten Risikoeinschätzung führen: Das heißt, die Stimmen befehlen den Suizid, man glaubt fliegen zu können oder ähnliches", so Psychiater Mersch. Die Rate der Suizidversuche wird auf zwei- bis fünfmal so hoch geschätzt."Junge Patienten mit Schizophrenie sind überproportional stärker von Suizidalität betroffen", so Kapusta, der an der Meduni Wien die Suicide Research Group leitet. Wenn Patienten langfristig gut eingestellt sind, wirkt sich das natürlich positiv auf das Suizidrisiko aus. (red, 10.10.2019)