Iñigo Errejón bei der Präsentation seiner Partei Más País. Den Sozialisten gilt er als neues Feindbild: Er könnte ihnen Stimmen abjagen.

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Wer glaubt, dass die spanischen Neuwahlen am 10. November eine Wiederholung des Urnengangs vom 28. April sein werden, irrt: Es kommt Bewegung in die spanische Politiklandschaft. Auf der Linken tritt neben den Sozialisten (PSOE) des geschäftsführenden Ministerpräsidenten Pedro Sánchez und der linksalternativen Unidas Podemos (UP) unter Pablo Iglesias eine neue Kraft an: Die ehemalige Nummer zwei von Podemos, Iñigo Errejón, geht mit Más País (Mehr Land) an die Urnen. Mit der Liste Más Madrid hat Errejón im Mai bei Kommunal- und Regionalwahlen in Madrid einen Großteil der UP-Stimmen holen können. Das soll Más País jetzt spanienweit wiederholen.

Der Frust bei den Wählern auf der Linken ist groß. Im April war die linke Wählerschaft besonders motiviert, um eine Rechtsregierung aus konservativem Partido Popular (PP), den rechtsliberalen Ciudadanos (Cs) und der rechtsextremen Vox, wie sie mittlerweile in einigen Regionen und Städten besteht, zu verhindern. Das Ergebnis stimmte – doch eine Regierung scheiterte an der sturen Haltung von PSOE und UP. Iglesias forderte eine direkte Beteiligung an der Regierung. Sánchez wollte unbedingt allein regieren und mit UP lediglich ein gemeinsames Programm aushandeln.

"Zu diesen Wahlen hätte es nie kommen dürfen", argumentiert Errejón, spricht von der "dringenden Notwendigkeit einer fortschrittlichen Regierung" und von "Verantwortungsbewusstsein" und erklärt, "die Interessen Spaniens über jene der Parteien stellen" zu wollen.

Sozial, grün, feministisch ...

Mit einem sozialen, grünen und feministischen Programm – und einer Rhetorik, die der von Podemos von vor fünf Jahren ähnelt, als diese noch nicht mit den Postkommunisten zu Unidas Podemos verschmolzen waren – führt er einen Wahlkampf, der sich an breite Bevölkerungsschichten richtet. Er knüpft an jenen Diskurs an, der von "oben und unten" und weniger von "links und rechts" lebt. "Wir werden die Lösung und nicht das Problem sein", verspricht der 35-jährige Doktor der Politikwissenschaften. Er wolle den Dialog für eine schnelle Regierungsbildung auf der Linken fördern.

Um in einem Großteil Spaniens Strukturen aufzubauen, hat sich Más Madrid mit der Grünpartei Equo, der linksalternativen Formation Compromis (Valencia) sowie der Chunta (Aragón) zusammengetan. Außerdem unterstützen Errejón namhafte Vertreter der Podemos-Gründergeneration, die, wie er selbst, in den letzten Jahren in Ungnade gefallen sind.

Más País tritt in 18 der 50 spanischen Provinzen an. Dort werden jeweils mehr als sieben Mandate vergeben. In kleineren Provinzen würde die Gefahr bestehen, dass sich das linke Wählerspektrum so weit aufsplittert, dass Sitze verlorengehen.

... jung und urban

Umfragen verheißen zwischen zehn und 16 der insgesamt 350 Abgeordneten für die neue Kraft – zuungunsten von PSOE und UP, aber auch von Cs. Sollte alles laufen wie geplant, wäre der Block der linken Parteien im neuen Parlament stärker als bisher.

"Es ist leicht vorstellbar, dass sich junge, urbane Mitte-links-Wähler mit gutem Einkommen angezogen fühlen. Dies ist eine ähnliche Formel wie bei den Grünen in Europa", analysiert Pablo Simón, Autor bei der Tageszeitung El País und Politikprofessor an der Madrider Universität Carlos III.

Doch was bei einem Teil der Wähler auf Zuspruch stößt, wird vor allem bei UP scharf kritisiert: Errejón muss sich als "Verräter" beschimpfen lassen. Und den Sozialisten gilt Errejón plötzlich als "Teil des Problems", seit die Umfragen zeigen, dass auch sie Stimmen an Más País verlieren könnten. Bevor Errejón auf den Plan trat, sagten die Umfragen Sánchez starke Zugewinne auf Kosten von UP vorher. (Reiner Wandler aus Madrid, 10.10.2019)