Die Ökonomen Philipp Heimberger und Atanas Pekanov sehen im wirtschaftlichen Abschwung die zentrale Herausforderung für die neue Bundesregierung. Im Gastkommentar treten sie für eine Ausweitung öffentlicher Investitionen ein.

Die Rahmenbedingungen für mehr öffentliche Investitionen sind derzeit besonders günstig.
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In den vergangenen Monaten hat sich die konjunkturelle Entwicklung im Euroraum zunehmend abgekühlt. Die deutsche Wirtschaft ist nicht zuletzt aufgrund der Folgewirkungen der von US-Präsident Donald Trump angezettelten Handelskonflikte und wegen der Unsicherheiten rund um den Brexit besonders stark getroffen. Vor dem Hintergrund der ausgeprägten Konjunkturschwäche der wichtigen Handelspartner Italien und Deutschland ist auch die österreichische Wirtschaft im Abschwung: Im zweiten Quartal 2019 wuchs sie lediglich um 0,3 Prozent gegenüber dem Vorquartal.

Die türkis-blaue Regierung agierte über weite Strecken im Kontext eines kräftigen konjunkturellen Aufschwungs, der aufgrund von steigenden Steuereinnahmen unter anderem die vorübergehende Erreichung eines Nulldefizits ermöglichte. Angesichts des wirtschaftlichen Abschwungs wäre es jedoch kontraproduktiv, die Priorität weiterhin darauf zu legen, einen Überschuss der Staatseinnahmen über die Staatsausgaben zu erzielen.

Vorbeugender Finanzstimulus

Das wichtigste wirtschaftspolitische Ziel sollte vielmehr die Bekämpfung des wirtschaftlichen Abschwungs sein. Die Erfahrungen der letzten Krise zeigen, dass es wichtig ist, möglichst rasch Maßnahmen zu ergreifen, um einem Anstieg der Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken. Steigende Arbeitslosigkeit führt zu negativen langfristigen Folgewirkungen – etwa durch erhebliche Einkommensrückgänge für Langzeitarbeitslose, welche die Konsumnachfrage schwächen; sowie zu Verlusten an Qualifikationen, die auch das langfristige Wachstumspotenzial nach unten drücken. Um diese negativen Auswirkungen zu verhindern, bedarf es entschlossener Gegenmaßnahmen.

Dabei ist auch zu bedenken, dass eine schwache Konjunktur durch geringere Steuereinnahmen und höhere Sozialausgaben die öffentlichen Haushalte belastet. Dies spricht ebenfalls für die rasche Umsetzung antizyklischer Fiskalpolitik, welche die Gesamtwirtschaft unterstützt. Eine wohldurchdachte defizitfinanzierte expansive Fiskalpolitik kann in der aktuellen Situation sogar dazu beitragen, dass die Staatsschuldenquote weiter sinkt. Dies steht im starken Gegensatz zu der oftmals geäußerten Behauptung, wonach expansive Fiskalpolitik lediglich zu höheren Schulden führe. Die nächste Regierung sollte deshalb möglichst rasch ein Konjunkturpaket vorlegen, noch bevor die Konjunkturschwäche voll durchschlägt.

Günstige Rahmenbedingungen

Die Rahmenbedingungen sind denkbar günstig. In einer bahnbrechenden Arbeit argumentiert Ex-IWF-Chefökonom Olivier Blanchard, dass die Kosten von öffentlichen Schulden in einem Umfeld sehr niedriger Zinsen neu bewertet werden müssen: Es hat wichtige Konsequenzen für die Fiskalpolitik, wenn die "sicheren Zinsen" auf Staatsanleihen niedriger sind als das nominelle Wirtschaftswachstum. Staaten können sich relativ problemlos höher verschulden, wenn Wirtschaftsleistung und Staatseinnahmen schneller wachsen als Zinskosten.

Die Zinsen für zehnjährige Staatsanleihen sind mittlerweile negativ; der österreichische Staat muss am Ende der Laufzeit sogar weniger zurückzahlen, als er an Kredit aufgenommen hat. Zudem lag das Wirtschaftswachstum in den vergangenen Jahren substanziell höher als die Zinsen. Folgt man den Argumenten Blanchards, dann eröffnet dieser Umstand erhebliche Handlungsspielräume.

Auch Jason Furman, ehemaliger ökonomischer Chefberater von Barack Obama, rät wirtschaftspolitischen Entscheidungsträgern, ihre Instrumente präventiv einzusetzen.

Schwarzes Loch

Der bekannte Makroökonom Larry Summers verweist mit Anna Stansbury darauf, dass sich der Euroraum in einem geldpolitischen "schwarzen Loch" befinde – einer Liquiditätsfalle, in der es nur minimalen Spielraum für expansive geldpolitische Maßnahmen gebe. Die Bekämpfung von Wirtschaftsabschwüngen mache es deshalb umso mehr erforderlich, dass nationale Regierungen eine expansive Steuer- und Ausgabenpolitik betreiben, um Wirtschaftswachstum und Beschäftigung zu stimulieren.

Die Rahmenbedingungen für mehr öffentliche Investitionen sind besonders günstig. Die empirische Wirtschaftsforschung belegt, dass eine expansive Fiskalpolitik – insbesondere eine Ausweitung der öffentlichen Investitionen – gerade in Zeiten eines wirtschaftlichen Abschwungs erhebliche positive Wachstums- und Beschäftigungseffekte erzielt. Zum einen würden sich, wie der belgische Ökonom Paul de Grauwe argumentiert, im vorherrschenden Niedrigzinsumfeld zahlreiche öffentliche Investitionen finden lassen, die sich rentieren und positiv zu Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum beitragen. Zum anderen würden auch kommende Generationen von Zukunftsinvestitionen profitieren.

Durch die Ausweitung öffentlicher Investitionen im Rahmen eines Konjunkturpakets könnten erste Schritte hin zu einer Adressierung zentraler langfristiger Probleme gemacht werden. Angesichts bestehender gesellschaftlicher Herausforderungen wie Alterung, Digitalisierung und Klimawandel besteht ohnehin ein großer Bedarf an Investitionen. Die kommende Regierung könnte also sinnvolle öffentliche Investitionen langfristig und enorm günstig finanzieren – und damit auch dem wirtschaftlichen Abschwung entgegenwirken. (Philipp Heimberger, Atanas Pekanov, 10.10.2019)