Die Aussagen auf Ibiza kosteten Johann Gudenus und Heinz-Christian Strache ihre politischen Karrieren. Anwalt M. soll eine zentrale Rolle bei der Gesprächsanbahnung mit der vermeintlichen lettischen Oligarchennichte gespielt haben.

Quelle: Spiegel, SZ / Sueddeutsche Zeitung

Wien – Neben Staatsanwaltschaften in Österreich und Deutschland sowie der im Bundeskriminalamt angesiedelten Soko Ibiza ist auch der Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Wien mit der Causa Ibiza-Video beschäftigt. Schließlich hat der Wiener Anwalt M. bereits im Mai seine Mitwirkung am Zustandekommen des Videos bestätigt. Die Veröffentlichung führte zu den Rücktritten von Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sowie Ex-FPÖ-Klubchef Johann Gudenus – und in der Folge zum Bruch der türkis-blauen Bundesregierung.

Rechtsanwalt M. räumte über seinen Anwalt Richard Soyer ein, dass es sich um ein "zivilgesellschaftlich motiviertes Projekt" gehandelt habe, an dem er mitgewirkt habe, "bei dem investigativ-journalistische Wege beschritten wurden". Seit Ende Mai verweist Anwalt M. bei Interviewanfragen auf diese Pressemitteilung, ohne auf Fragen einzugehen.

Rechtsanwaltskammer wurde hellhörig

Bei dieser Argumentation wurde auch die Anwaltskammer Wien hellhörig: Sie prüft "im Interesse des Berufsstands der Rechtsanwälte sowie zum Schutz des Rechtsstaats" die Vorwürfe gegen den Anwalt, hieß es im Mai. Eine Untersuchung wurde eingeleitet. Ob M. Berufspflichten verletzt oder Ehre und Anstand des Standes beeinträchtigt hat, muss der Disziplinarrat entscheiden.

Laut Staatsanwaltschaft steht M. im Verdacht, an der Fälschung eines Passes mitgewirkt zu haben. Es geht um jenen Pass, den der aus dem Video bekannte Lockvogel vorgewiesen hat – und der eine lettische Identität beweisen sollte.

M. spielte bei der Gesprächsanbahnung zwischen Gudenus und der vermeintlichen Oligarchennichte laut dem Ex-FPÖ-Klubchef eine zentrale Rolle. Zudem wird von der Staatsanwaltschaft der Missbrauch von Tonaufnahme- oder Abhörgeräten untersucht. Am Kanzleisitz und an der Wohnadresse von M. wurden Hausdurchsuchungen durchgeführt. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Standesrechtliches Verfahren liegt praktisch auf Eis

Während die Staatsanwaltschaft ermittelt und die Causa als Verschlussakt führt, liegt in solchen Fällen das standesrechtliche Verfahren der Rechtsanwaltskammer Wien hingegen praktisch auf Eis. Denn laut Disziplinarstatut kann bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Strafverfahrens "kein Disziplinarerkenntnis gefällt werden". Darauf weist Herbert Gartner, Präsident des Disziplinarrates, im Gespräch mit dem STANDARD hin. Auch ein Freispruch ist vorab nicht möglich.

Zwar besteht die Möglichkeit, bei Gefahr im Verzug eine einstweilige Maßnahme wie eine Sperre des betroffenen Anwalts zu verhängen. Das ist laut Gartner aber hauptsächlich bei Veruntreuung oder Mitwirkung am Betrug der Fall, wenn die Fakten klar auf dem Tisch liegen. "Bei Geld hört sich der Spaß auf." Ohne über den konkreten Fall sprechen zu können, liegt es laut Gartner nahe, dass eine solche einstweilige Maßnahme im Fall M. keine Rolle spielt.

Streichung aus Anwaltsliste kommt selten vor

Eine Streichung aus der Anwaltsliste bei Vergehen ist die schwerwiegendste Konsequenz und wird sehr selten verhängt – "einmal in fünf Jahren", wie Gartner sagt. Auch eine vorläufige Suspendierung eines Anwalts ist eine seltene Disziplinarmaßnahme: Gartner spricht von durchschnittlich einem Fall pro Jahr in Wien. Immerhin gehe es hier auch um die berufliche Existenz.

Die Vorwürfe gegen M. betreffen nicht nur das Ibiza-Video: Schon davor soll M. versucht haben, belastendes Material über Strache anzubieten. Vor der Wien-Wahl 2015 dürfte es Gespräche mit Vertretern oder parteinahen Beratern von SPÖ, ÖVP und Neos gegeben haben, wie ein Informant dem STANDARD bestätigte. Laut Profil wurde einem ÖVP-nahen Berater auch ein Plastiksackerl mit einer Haarprobe Straches angeboten. "Es war schon erkennbar, dass dahinter finanzielle Interessen standen", wurde der Mann zitiert. Aus einem Verkauf wurde 2015 nichts.

M. ist weiterhin als Anwalt tätig

Die belastenden Informationen soll Anwalt M. von Straches langjährigem Bodyguard erhalten haben. M. ist seit Jahren mit Straches Ex-Bodyguard bekannt und vertrat diesen in einigen Fällen.

M. ist weiter als Anwalt tätig, bestätigt sein Anwalt Richard Soyer. "Ja, er ist in die Liste der Rechtsanwälte eingetragen und als Rechtsanwalt tätig", heißt es in einer Stellungnahme. (David Krutzler, 9.10.2019)