Präsident Macron bei einer Trauerfeier für die Opfer des Anschlags.

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Entrüstung in Frankreich: Banlieue-Aktivisten stellen sich hinter den Attentäter der Pariser Polizeizentrale. Ein Komitee des selbsternannten "Vorstadt-Kandidaten" Hadama Traoré hat für Donnerstag zu einer Solidaritätskundgebung vor dem Rathaus von Gonesse bei Paris aufgerufen. In dieser Gemeinde wohnte der Polizeifunktionär, der vor einer Woche vier Arbeitskollegen umgebracht hatte und dabei selbst erschossen wurde.

Traoré, dessen polemische und oft polizeifeindliche Kommentare in sozialen Netzwerken hunderttausende Likes bekommen, sagte, der Attentäter sei am Arbeitsplatz wegen seines Hörschadens diskriminiert worden. Er habe zwar eine "irreparable und scheußliche Tat" begangen und "Unschuldige umgebracht"; wenn aber die Ursachen – die Diskriminierung – nicht behoben seien, müssten sich solche Anschläge wiederholen, meinte Traoré, der bei der EU-Wahl angetreten war.

Die Reaktion folgte sogleich. Von Appellen zahlreicher Politiker unterstützt, gab Innenminister Christophe Castaner bekannt, er wolle die Kundgebung untersagen lassen, da sie eine "Niedertracht und Beleidigung für unsere Polizisten" sei. Gegen den Organisator kündigte er Rechtsmittel an.

Erinnerungen an Charlie Hebdo

Der Fall weckt Erinnerungen an den Anschlag von 2015 auf Charlie Hebdo. Die nationale Solidarität um den Slogan "Je suis Charlie" hatte rasch Risse erhalten, weil viele Muslime die Karikaturen des Satiremagazins ablehnten.

Der Demo-Aufruf in Gonesse wäre wohl auch ohne Verbot kaum befolgt worden; allein schon die breite Medienreaktion zeigt aber auf, dass es in Frankreich auch eine andere Realität gibt. Und sie wird von Aktivisten wie Traoré weidlich ausgeschlachtet. Der in einer berüchtigten Siedlung aufgewachsene Sohn malischer Eltern erklärte, die Teilnahme an seiner Kundgebung sei "für alle Muslime eine Pflicht". Was der Islam mit der angeblichen Diskriminierung zu tun haben soll, vermochte er nicht zu sagen. (Stefan Brändle aus Paris, 10.10.2019)