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Simone Biles, "Turnfloh" genannt, ist ein ganz großer Name im Sport.

Foto: REUTERS/Wolfgang Rattay

Simone Biles hat schon viele Medaillen gesehen, gewonnen, eine solche aber noch nicht. In die bei der Turn-WM in Stuttgart vergebenen Plaketten ist ein Akku integriert, der sie bei Bewegungen strahlen und der sich über einen USB-Anschluss aufladen lässt.

Gut möglich, dass Biles, der Superstar des Turnsports, sich am WM-Ende blinkend ihre eigene Disco machen kann. Dem Teambewerb, den die USA überlegen gewannen, folgen schließlich noch Mehrkampf und Gerätefinale. Schon jetzt hält die 22-Jährige aus Columbus, Ohio, bei 15 Titeln und 21 WM-Medaillen insgesamt, das ist Rekord. In Stuttgart könnte der nächste folgen – bis dato räumte noch keine Turnerin bei einer WM alle sechs Goldenen ab.

"Air Biles"

1,42 Meter groß ist Biles und 47 Kilogramm schwer, man nennt sie einen "Turnfloh". Doch ihr Name ist groß, "Air Biles" macht immense Sprungkraft klar, oft ist von "Biles and More" die Rede. Als Namenspatin steht sie für bereits vier Übungselemente, die sie erfunden hat, sozusagen gerade. In Stuttgart zeigte sie am Boden erstmals auf internationaler Ebene einen unerhört schwierigen Triple-Double, also einen Doppelsalto gehockt mit integrierter Dreifachschraube.

Längst steht Biles auf einer Stufe mit Nadia Comaneci, die 1976 als erste Turnerin die damalige Traumnote 10,0 erhielt, fünfmal Olympiasiegerin war und Ende 1989, kurz vor der rumänischen Revolution, spektakulär in die USA geflohen ist.

Auch Biles erzählt Geschichten, die weit übers Sportliche hinausreichen. Aufgewachsen ist sie bei Pflegefamilien, später wurden sie und ihre jüngere Schwester von den in Texas lebenden Großeltern adoptiert, weil die drogenabhängige Mutter nicht für sie sorgen konnte.

Vom Teamarzt missbraucht

Opa Ron schupft das Biles-Business, Oma Nellie sorgt für Simones Seelenwohl. Da gab und gibt es viel zu tun. Wie 150 andere Frauen war auch Biles, wie sie im Jänner 2018 öffentlich machte, vom langjährigen US-Teamarzt Larry Nassar mehrfach sexuell missbraucht worden. Und erst vor wenigen Monaten wurde ihr Bruder Tevin (24) wegen Mordes und versuchten Totschlags angeklagt. Er war zu Silvester in eine Schießerei verwickelt, bei der drei Menschen getötet wurden.

In Stuttgart, wo ihr Tausende zujubeln, will sie weder auf Nassar noch auf den Bruder angesprochen werden. Das hat Simone Biles, die schon so viel mehr als nur Medaillen gesehen hat, klargemacht. (Fritz Neumann, 9.10.2019)