Muss Pamela Rendi-Wagner ihren Platz räumen? Offiziell diskutieren die Genossen über die Reform der Partei, hinter den Kulissen aber auch über neue Anführer.

Foto: Matthias Cremer

Der "Startschuss" für die Erneuerung soll in Kürze fallen: Am Freitag trifft sich das Präsidium der SPÖ, um Konsequenzen aus der Wahlniederlage zu ziehen. Eine tabulose Diskussion verspricht Parteichefin Pamela Rendi-Wagner: Sie wolle die Probleme "radikal" anpacken.

Eine Debatte hat Rendi-Wagner tatsächlich bereits angestoßen – allerdings mit anderer Stoßrichtung als gewünscht. Auslöser war ihr Auftritt im ORF-Report am Dienstagabend. Die Obfrau scheiterte nicht nur an der Klärung, ob es einen Reformparteitag, einen Zukunftskongress oder sonst was geben soll, sondern antwortete auf die Frage nach dem Alleinstellungsmerkmal der SPÖ auch: "Daran werden wir arbeiten."

Er stehe "loyal zur Pam", sagt der Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler, ein Wortführer der Parteilinken: "Aber wenn ihr in einem Interview nicht einmal die Kernforderungen einfallen, muss sie schlecht beraten sein."

Andere, die sich nicht namentlich aus der Deckung wagen, urteilen noch schärfer. Eine Partei brauche Führung und klare Ansagen, meint ein langjähriger Wiener Funktionär. Im Interview habe die Chefin das genaue Gegenteil verkörpert: "Das wird nix mehr."

In roten Kreisen kursieren bereits Planspiele über eine Rochade an der Spitze. Nach der für die SPÖ nicht sehr aussichtsreichen Steiermark-Wahl am 24. November könnte es schnell gehen, lautet ein Szenario. Ein anderes geht von einer Schonfrist bis zur Wien-Wahl im Herbst 2020 aus, weil die Genossen in der Bundeshauptstadt bis dahin keine unangenehme Debatte brauchen könnten.

Lercher, Mernyi oder Bures

Aber wer soll sich dann an die Front stellen? Hoch gehandelt wird der Steirer Max Lercher, den Rendi-Wagner vor einem Jahr als Bundesgeschäftsführer demontiert hat. Der 33-Jährige ist in der Partei beliebt, tut sich in den (sozialen) Medien mit Reformvorschlägen hervor und hat bei der Wahl einen Sitz im Nationalrat ergattert – ein Vorteil gegenüber einer anderen Nachwuchshoffnung: Der ebenfalls populäre Gewerkschafter Willi Mernyi gilt als Kampagnenprofi, könnte mangels Mandats aber nicht Politik aus dem Parlament heraus machen. Außerdem werden dem 51-Jährigen eher Ambitionen auf einen späteren Sprung an die ÖGB-Spitze nachgesagt. Mernyi soll dem damaligen SP-Chef Christian Kern abgesagt haben, als dieser 2016 einen Bundesgeschäftsführer suchte.

Konservativere Variante: Obwohl sie sich in der Vergangenheit dagegen gewehrt hat, könnte Nationalratspräsidentin Doris Bures die Führung übernehmen – ob auf Dauer oder nur zum Übergang, bis ein geeigneter Spitzenkandidat für die nächste Nationalratswahl gefunden ist, würde sich weisen. Die 57-Jährige könnte insbesondere dann zum Zug kommen, wenn eine regierungserfahrene Vizekanzlerin für eine Koalition mit der ÖVP gebraucht wird.

Lercher und Mernyi gelten überdies als Anwärter für den derzeit umstrittensten Posten: Die Kür von Christian Deutsch als Bundesgeschäftsführer ist wohl der Hauptgrund, warum der Ärger über Rendi-Wagner in der Partei gewachsen ist. Deutsch hat als Wahlkampfmanager nicht nur die Niederlage mitzuverantworten, er stammt auch aus dem Kreis um Ex-Kanzler Werner Faymann – und dessen Zeit gilt Kritikern als Antithese zur nun beschworenen "Öffnung" der Partei für unkonventionelle Ideen und Mitstreiter.

Es geht nicht nur um Köpfe

Jüngster Aufreger: Es wird gemunkelt, dass Deutsch trotz Wahlschlappe den mit 20.000 Euro im Monat dotierten Beratervertrag mit Nedeljko Bilalic, einem anderen Ex-Faymann-Mann, verlängere, während Parteimitarbeiter wegen des Sparkurses vor einer Kündigungswelle zitterten. Die SPÖ-Zentrale hat diese Information am Mittwoch weder bestätigt noch dementiert.

Geht es in der SPÖ also doch nur um die Köpfe? Andreas Kollross sieht in der "im Hinterzimmer" ohne Debatte erfolgten Deutsch-Kür zwar auch "ein schlechtes Signal", nennt die Personaldebatte aber vorgeschoben. "Die SPÖ hat ein Glaubwürdigkeitsproblem", sagt der Parlamentarier: Statt die Frage der Verteilung zwischen Arm und Reich konsequent in den Vordergrund zu stellen, lasse man sich tagespolitisch treiben und agiere – Stichwort Erbschaftssteuer – "wie ein Fahnl im Wind".

Die Partei müsse nun "Kante zeigen", ergänzt Bürgermeister Babler: Wenn die SPÖ über Jahrzehnte etwa stets Arbeitszeitverkürzungen erkämpfte, könne sie keinesfalls dem Zwölfstundentag zustimmen, sagt er. Ergo: Nein zu einer Koalition mit der ÖVP.

Zweitens müsse sich die Partei öffnen, auf dass nicht nur die verdienten Funktionäre, sondern – Beispiel Klimaschutz – etwa auch kompetente NGO-Vertreter mitreden könnten. Die einst unter Kern beschlossenen Reformen seien das Mindestmaß, sagt Babler und wirbt für Gerechtigkeit im Urteil: "Rendi-Wagner badet nun Versäumnisse der letzten 15 Jahre aus." (Gerald John, 9.10.2019)