Alle Jahre wieder wird Alarm geschlagen: "Die Zahl der Schüler mit nichtdeutscher Umgangssprache steigt!" Im neuesten Integrationsbericht kommt eine neue Facette dazu: In Österreich sprechen Einwanderer in der zweiten Generation noch immer zu 73 Prozent zu Hause eine andere Sprache als Deutsch.

Nur: Wo ist der Skandal, wo ist das Problem? Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass Eltern Wert darauf legen, ihren Kindern auch die Sprache ihres Herkunftslandes zu vermitteln. Das muss nicht automatisch bedeuten, dass diese Kinder Deutsch nicht ausreichend beherrschen. Darin sind sich Sprachwissenschafter einig, und das räumt auch der Integrationsbericht ein.

In Österreich sprechen Einwanderer in der zweiten Generation noch immer zu 73 Prozent zu Hause eine andere Sprache als Deutsch.
Foto: APA/AFP/FRED TANNEAU

Dem eigentlichen Skandal kommt man näher, wenn man sich die Verteilung der Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache nach Schultypen anschaut. Diese Kinder sind in den Hauptschulen, den Neuen Mittelschulen und vor allem in den Sonderschulen überrepräsentiert; in Österreich wird der Bildungsgrad vererbt, das betrifft auch und insbesondere die Migrantenkinder. Sie kommen nicht voran, sie werden in unserem Bildungssystem abgehängt.

Seit 50 Jahren (Stichwort Gastarbeiter) leben in Österreich Migranten mit niedriger beruflicher Qualifikation. Jahrzehntelang mussten sie und ihre Nachkommen in einem Schulsystem zurechtkommen, das vor allem auf frühe Selektion und teuren Nachhilfeunterricht setzt. Fünf Jahrzehnte lang wurden kaum systematische Maßnahmen gesetzt, um Migrantenkinder und deren Sprachkenntnisse zu fördern. Statt nach sprachlicher Assimilation zu streben, sollte man daher Lehramtsstudierende auf die Realität der Mehrsprachigkeit und auf die Elternarbeit mit Einwanderern vorbereiten. Und man muss Geld in die Hand nehmen, um mehrsprachige Hilfslehrer und Schulpsychologen zu bezahlen und nach Bedarf einzusetzen. (Olivera Stajić, 9.10.2019)