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Marcel Halstenberg (links) im Zweikampf mit Roberto Pereyra.

Foto: AP/Martin Meissner

Frisch und mutig, aber ohne Fortune: Mit Klasse und Finesse hat eine deutsche Notelf beim Dortmunder Debütantenball ihre Fans begeistert, den Sieg jedoch verschenkt. Trotz rekordverdächtiger 13 Ausfälle überzeugte die Mannschaft von Joachim Löw am Mittwoch gegen das ebenfalls gebeutelte Argentinien im Länderspielklassiker mit einem 2:2 (2:0) – und das erstmals seit dem WM-Titel ohne einen Weltmeister von 2014.

Nicht nur die sehenswerten Tore von Serge Gnabry (15.) und Kai Havertz (22.) rissen die lediglich 45.197 Zuschauer in der ersten Halbzeit von den Sitzen. Die deutsche Elf, eine wahrscheinlich einmalige Verlegenheitslösung, spielte riskant und attraktiv, geriet dann aber heftig unter Druck und hielt nicht stand.

Robin Koch, Luca Waldschmidt, Nadiem Amiri und Suat Serdar durften erstmals das DFB-Trikot tragen. Für Argentinien trafen Lucas Alario von Bayer Leverkusen (66.) und Lucas Ocampos (85.).

Härtetest auf hohem Niveau

Für Löw hätte es ein Abend tieferer Erkenntnisse sein sollen: ein Härtetest auf hohem Niveau, ein Jahr nach Beginn des Umbruchs. Dann kamen die Absagen – und mit ihnen kam der Frust. "Die Gesamtlage ist sehr angespannt und unerfreulich", sagte der Bundestrainer, noch bevor sich Jonathan Tah und Niklas Stark am Spieltag erkrankt abmeldeten.

Löw nahm die Einsicht mit, dass auf die zweite bis dritte Reihe Verlass ist. Sein letztes Aufgebot nahm die Neuauflage dreier WM-Finale stürmisch in Angriff. Die Debütanten 102 und 103 der Ära Löw waren zwei Freiburger: Mit der Feuertaufe Waldschmidts neben Gnabry war gerechnet worden, an den unaufgeregt spielenden Koch in der Innenverteidigung war hingegen bis zu dessen Nachnominierung kaum zu denken gewesen.

Marc-Andre ter Stegen bekam im Tor die versprochene Chance anstelle von Manuel Neuer und hatte lange wenig zu tun; Toni Kroos, Julian Draxler und Matthias Ginter gehörten zu den vielen Fehlenden. Einziger Mann, der das WM-Finale in Rio gespielt hatte, war Argentiniens Innenverteidiger Marcos Rojo.

Wenig überraschend begann das Spiel zäh, bis Emre Can gegen Lautaro Martinez klären musste (9.). Schließlich befinden sich auch die Argentinier im Umbruch, neben dem gesperrten Lionel Messi fehlten Sergio Agüero und Angel Di Maria sowie die besten Spieler von River Plate und Boca Juniors.

Die deutsche Mannschaft machte das Beste daraus. Der auffällig starke Gnabry gefiel schon vor seinem Tor, das Lukas Klostermann vorbereitete. Julian Brandt hatte kurz zuvor erstmals Torhüter Agustin Marchesin geprüft (14.): Die Gastgeber suchten das Risiko. Havertz schloss eine sehr gute Kombination über Klostermann und Gnabry perfekt ab.

Halstenbergs Freistoß traf nur Aluminium

Eine einstudierte Freistoßvariante hätte gegen lustlos verteidigende Gäste beinahe das 3:0 gebracht (27.), Marcel Halstenberg zirkelte den Ball an die Querlatte (31.). Auf der anderen Seite traf Rodrigo de Paul mit einem Fernschuss den Pfosten (33.) – das Spiel war reich an Höhepunkten.

Der bis dahin kaum eingebundene Waldschmidt eröffnete mit einem guten Abschluss die zweite Hälfte (48.), in der die Spielfreude nachließ. Joshua Kimmich und Havertz erledigten in der Zentrale gut den Aufbau, Can stieß ab und an mit Wucht nach vorne. Doch die nun stärkeren Argentinier kämpften sich kraftvoll zurück.

Weiter geht es für Deutschland am Sonntag (20.45 Uhr, RTL) in der EM-Qualifikation. Das Duell mit Estland in Tallinn ist eine Pflichtaufgabe. Der geschonte Marco Reus und Timo Werner sollen dann wieder dabei sein. Neuer wird im Tor stehen. (sid, 9.10.2019)