Sebastian Kurz (links) und Norbert Hofer tauschten sich über die "wichtigen Zukunftsfragen für Österreich" aus – in eine Koalition will Hofer derzeit nicht.

Foto: matthias cremer

Wien – Der erste Reigen der Sondierungsgespräche für eine Regierungsbildung ist abgeschlossen – und die FPÖ hat sich selbst aus dem Spiel genommen. Ihr Parteichef Norbert Hofer hatte mehrmals erklärt, dass das schlechte Resultat bei der Nationalratswahl kein Regierungsauftrag sei. So auch nach seinem Treffen mit ÖVP-Chef Sebastian Kurz. Dieser respektiere die freiheitliche Entscheidung. Damit stehe man für weitere Sondierungen vorerst nicht mehr zur Verfügung, heißt es bei den Freiheitlichen.

Eine Hintertür ließ Hofer allerdings offen: Er habe klargemacht, "dass sich die FPÖ ihrer Verantwortung bewusst ist, sollte die ÖVP an der Regierungsbildung scheitern". Kurz hat angekündigt, mit Hofer Kontakt halten zu wollen.

Hofer prognostiziert Türkis-Grün

Die FPÖ bedauere die aktuelle Entwicklung deshalb "umso mehr und sagt voraus, dass sich die politischen Verhältnisse in dieser Variante der Ära Mitterlehner nähern werden", wie es Hofer formulierte. Die ÖVP werde im Laufe der kommenden Legislaturperiode hinter die FPÖ zurückfallen, prognostiziert man in der FPÖ. Und Kurz werde in der künftigen Koalition "gefangen" sein. "Denn er kann nicht ein drittes Mal eine Regierungszusammenarbeit vorzeitig beenden."

"Weniger Kogler selbst als die basisdemokratisch ausgerichteten und zum Teil extrem links stehenden Grün-Mandatare im Parlament werden – ich kann es kaum anders formulieren – zum Kryptonit des ÖVP-Obmanns werden", prophezeite Hofer.

Weitere Gespräche nächste Woche

"Die vier Gespräche mit den Parteichefs sind sehr gut verlaufen. Wir haben die Möglichkeit genutzt, uns über die wichtigen Zukunftsfragen für Österreich auszutauschen", sagte Kurz. Man habe sich sowohl mit der Frage beschäftigt, welche Themen man gemeinsam im Parlament behandeln könne als auch mit der Frage einer gemeinsamen Regierung.

"Die FPÖ hat bereits klar gesagt, dass das Wahlergebnis kein Auftrag sei zu regieren und es für sie in Richtung Opposition gehe, um sich dort innerparteilich neu aufzustellen. Die anderen drei Parteichefs haben Bereitschaft signalisiert, einer nächsten Bundesregierung potenziell anzugehören und mitzugestalten."

Kurz setzt auf Verhandlerteam von 2017

Die ersten Sondierungsgespräche mit den anderen Parteien "in größerer Runde" sollen laut Kurz ab kommendem Mittwoch stattfinden. Eine konkrete Reihenfolge nannte er am Donnerstagvormittag nicht.

Bei seinem Verhandlungsteam will sich der ÖVP-Chef nach eigenen Angaben an den vorigen Regierungsverhandlungen orientieren. Damals hatte die ÖVP neben Kurz unter anderen die damaligen Generalsekretäre Elisabeth Köstinger und Stefan Steiner sowie den Wiener Parteichef Gernot Blümel in die Gespräche geschickt.

Mahrer sieht Koalitionen mit Grünen als Chance

Allgemein wird erwartet, dass die ÖVP nun zu vertiefenden Sondierungsrunden mit Grünen, SPÖ und möglicherweise Neos einlädt. Nach der finalen Unterredung mit Grünen-Chef Werner Kogler am Mittwochabend deutet durchaus einiges auf Verhandlungen zwischen ÖVP und Grünen hin. Zwar nahm Kogler nach seinem Vieraugengespräch mit Kurz das Wort Verhandlungen noch nicht in den Mund, erklärte aber, er wolle "vertiefende Sondierungsgespräche".

Grünen-Chef Kogler hat nach den Sondierungsgesprächen mit Sebastian Kurz (ÖVP) ein Resümee gezogen.
DER STANDARD/APA

Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer steht einer ÖVP-Grüne-Koalition offenbar alles andere als ablehnend gegenüber. Im Gespräch mit der "Presse" nannte der ÖVP-Politiker diese Option "sicher realistisch und spannend". Während seiner Regierungszeit habe er "die große Mehrheit der Grünen in der parlamentarischen Zusammenarbeit als pragmatisch, sachorientiert und diskursfähig erlebt. Ich habe ganz selten eine negative Erfahrung gemacht. Insofern würde ich den Grünen Vorschusslorbeeren geben." Gegenüber der "Wiener Zeitung" meinte Mahrer, ein "Green New Deal auf Österreichisch" könne eine Chance sein.

Als Wirtschaftsvertreter sei er "pragmatisch": "Wir fürchten uns jedenfalls nicht, und wenn ein Teil der Erzählung sein sollte, Klima- und Umweltprodukte 'Made in Austria' für die Weltmärkte, dann kann das auch eine große Chance sein", hielt der Wirtschaftskammer-Chef in der "Wiener Zeitung" fest. (red, APA, 10.10.2019)