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Ketchup und Saucen haben Kraft-Heinz lange Zeit Erfolg gebracht. Nun ändert sich scheinbar der Geschmack der Kunden. Heinz musste den Wert seiner Marken zuletzt massiv berichtigen.

Foto: Reuters / Brendan McDermid

Veränderung hat es immer gegeben. Von der Agrarwirtschaft zur Industrialisierung mit der Serienfertigung etwa. Damit verbundene Hoffnungen und Ängste der Bevölkerung auch. Dennoch wird heute viel von den Megatrends gesprochen. Was ist neu an den aktuellen Veränderungen? "Das Tempo", sagt Adrian Daniel, Manager des Fonds "Main First Absolute Return Multi Asset".

Internet und Digitalisierung hätten in den vergangenen zwanzig bis 25 Jahren so viele (Kosten-)Vorteile gebracht, "dass eine neue Wirtschaftsebene geschaffen wurde", sagt Daniel. Etablierte Unternehmen könnten diese Entwicklung nicht mehr vernachlässigen und müssten sich immer öfter fragen, ob sie der neuen Situation noch gewachsen sind.

Massive Verschiebung im Handel

Wie sehr alte und neue Welt aufeinanderprallen, lässt sich am Handel besonders gut ablesen. Während das deutsche Warenhaus Karstadt 2017 einen Jahresumsatz von 2,2 Milliarden Euro verbuchte, scheffelte Amazon am gehypten Cybermonday im gleichen Jahr an nur einem einzigen Tag 5,5 Milliarden. Noch krasser wird der Vergleich mit Alibaba – der chinesische Onlineriese nahm 2017 am Singles Day 21,1 Milliarden Euro ein. "Die Macht von Amazon und Alibaba wächst durch deren Zukäufe und die stetige Erweiterung ihres Angebots", sagt Daniel.

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Der Single's Day ist ein großes Shopping-Festival in China. Für den Online-Riesen Alibaba eine Herausforderung und mega Einnahmequelle. 2017 betrug der Umsatz an diesem Tag 21,1 Mrd. Euro. 27 Mrd. Euro waren es im Vorjahr.
Foto: Reuters / Stringer

Schon heute zeige sich, dass viele Einzelhändler nicht mehr wirtschaftlich sinnvoll operieren können, weil die Laufkundschaft weniger wird. Geschäftszentren in kleineren Ortschaften und Einkaufsstraßen sieht Daniel daher massiv bedroht. Dass viele Ketten – etwa Mediamarkt – nun ihren stationären Handel um eine Onlinepräsenz erweitern, damit die Deckungsbeiträge steigen, sieht der Fondsmanager auch kritisch: "Damit schaufeln sie sich ihr eigenes Grab." Ein guter Onlineauftritt bringe Konsumenten noch mehr dazu, auf das Internet auszuweichen.

Dazu gesellen sich gesellschaftliche Veränderungen. Kraft-Heinz etwa musste auf bestehende Marken zuletzt Wertberichtigungen in Höhe von 16 Milliarden Dollar vornehmen und wies fürs Vorjahr ein Minus von 10,3 Milliarden Dollar aus. "Die nächste Generation hat eben einen anderen Geschmack", sagt Daniel. Um dem Zeitgeist der Konsumenten zu entsprechen, muss investiert werden. Das drückt den Gewinn. Ähnlich ist das im Kosmetikbereich, wo der Verzicht auf Chemie in Produkten zum immer größeren Trend wird.

Blick nach Asien

In Summe werde viel Wertschöpfung nach Asien wandern. Das sei bereits deutlich zu erkennen. Historisch war China im Technologiesektor auf Chips von US-Unternehmen angewiesen. Nun baut es seine eigene Halbleiterindustrie auf. Diese sei zwar noch nicht kompetitiv, aber in fünf bis zehn Jahren wird es laut Daniel so sein, dass die Chinesen die Amerikaner oder Südkoreaner nicht mehr brauchen, um Handys zu bauen. Die Fertigung passiere dann komplett im eigenen Land.

Auch bei der Anmeldung von Patenten zeigt sich, wohin die Reise geht. Seit 2007 zieht China massiv davon, während Europa stagniert. "Das verändert das globale Spiel", sagt der Investor, der für seinen Fonds Unternehmen sucht, die vom konjunkturellen Auf und Ab losgelöst sind und nicht unter strukturellem Gegenwind leiden.

Ein anderes Beispiel gibt Daniel mit Shenzhen: In den vergangenen 40 Jahren wurde das einstige Fischerdorf zur 12,5-Millionen-Metropole. China will heuer 1500 Antennen für 5G aufstellen – während Europa noch über Lizenzvergabe und Ausgestaltung dieser Technologie redet. Die 5G-Technologie sei aber wichtig, um neue Dienste wie autonomes Fahren nutzen zu können. Damit die dafür nötigen Sensoren funktionieren, braucht es eine komplette 5G-Abdeckung.

Preispolitik mischt mit

Einen anderen Treiber für den immer rascheren Wandel sieht Daniel darin, dass bestimmte Technologien immer billiger geworden sind. Der Preisverfall führt zu einem Nachfragewachstum. So steigt etwa das Wachstum in der Datenverarbeitung exponentiell – die dahinterliegenden Technologien (Chips oder Server) wurden immer billiger, was auch die Entwicklung von Cloudspeichern ermöglichte.

Einfluss auf Trends hat auch die Politik, die jetzt etwa durch die CO2-Debatte die Automobilwirtschaft zur E-Mobilität drängt. "Auf solchen Vorgaben können wir als Investoren auch aufbauen", sagt Daniel. Das mache neue Zulieferer interessant – etwa Hersteller für die Fertigung von E-Motoren. Zu erkennen sei auch, dass in der ganzen Wertschöpfungskette deutlich mehr Lithium gebraucht werde. Das eröffne neue Investmentchancen.

Zudem steigen die Kostenvorteile bei E-Autos. Seit 2010 sind die durchschnittlichen Kosten von Batteriezellen um 85 Prozent gesunken und liegen aktuell bei rund 170 Dollar pro kW-Stunde. Bei 100 Dollar pro kW-Stunde (wird laut Mainfirst 2024 unterschritten sein) ist die Herstellung dann so weit, dass man E-Autos billiger kaufen kann als Autos mit Verbrennungsmotor.

Das Dilemma dabei: Traditionelle Autobauer müssen viel investieren, um in diesem Bereich zu punkten. Das drückt aber erst einmal auf die Margen. Auch hier zeigen neue Player, wie das Spiel geht: Die Autoabsatzstatistik der USA zeigt, dass im September 2018 das Modell Tesla 3 – gemessen am Umsatz – die meistverkaufte Limousine war. (Bettina Pfluger, 12.10.2019)