Die Visualisierung des vorgeschlagenen Quantensimulators zeigt ultrakalte Atome, die sich in einem optischen Gitter bewegen und die Rollen von molekularen Atomen imitieren.

Illustr.: Javier Argüello Luengo, MPQ

Wien/Innsbruck/München – Bei der Suche nach medizinischen Wirkstoffen oder neuen chemischen Verfahren greifen Wissenschafter gerne auf Computersimulationen von Molekülen oder Reaktionen zurück. Doch die Methode hatte bisher ihre Grenzen, weil die Moleküle der Quantenphysik gehorchen. So kann etwa ein Elektron simultan links und rechts herum rotieren. Besteht ein Molekül aus vielen Teilchen, potenziert sich die Zahl dieser parallelen Möglichkeiten. Weil zudem jedes Elektron mit jedem anderen wechselwirkt, wächst die Komplexität ins Unermessliche.

Nun hat ein internationales Wissenschafterteam, darunter der Innsbrucker Theoretische Physiker Peter Zoller, im Fachjournal "Nature" das Konzept für einen Quantensimulator vorgestellt, der die Quantenchemie von Molekülen nachahmt.

Vereinfachte Lasermodelle

Bereits 1982 machte der US-Physiker Richard Feynman den Vorschlag, Quantensysteme zu simulieren, indem man sie als vereinfachte Modelle im Labor aus einzelnen Atomen nachbaut. Solche Quantensimulatoren sind heute bereits im Einsatz und ahmen beispielsweise Kristalle nach. Deren regelmäßiges Atomgitter wird dabei durch ein "optisches Gitter" aus vielen sich kreuzenden Laserstrahlen imitiert, an deren Kreuzungspunkte Atome sitzen, so wie Eier in den Mulden eines Eierkartons. Die Wechselwirkung zwischen den Atomen kann durch Veränderung der Intensität der Laserstrahlen kontrolliert werden. Mit einem solchen Modell lässt sich das Verhalten von Atomen exakt studieren.

Die Wissenschafter um Ignacio Cirac vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching bei München schlagen in ihrem Konzept nun vor, einen ähnlichen Aufbau für die Simulation eines Moleküls zu nutzen. Elektrisch neutrale Atome übernehmen dabei im optischen Gitter die Rolle der Elektronen. Die Atome können sich im "Eierkarton" von Mulde zu Mulde ähnlich frei bewegen wie die Elektronen in der Hülle eines Moleküls. Mit einer speziellen Anordnung können die Forscher dabei auch die sogenannte "Coulomb-Wechselwirkung" simulieren, mit der sich Elektronen aufgrund gleicher elektrischer Ladung voneinander auch über weitere Entfernungen abstoßen.

Auch größere Moleküle sind möglich

Anhand des Wasserstoffs, dem einfachsten aller Moleküle, demonstrierten die Wissenschafter, wie der Quantensimulator das Verhalten der Elektronenhülle eines realen Moleküls reproduzieren kann. Das von den Theoretikern vorgeschlagene System kann aber auch viel größere Moleküle modellieren. Sie zeigen in ihrer Arbeit, wie Experimentalphysiker einen solchen Simulator schrittweise aufbauen können. Damit ließe sich in Zukunft ein Vergleich zwischen Quantensimulation und herkömmlichen Computermodellen herstellen und diese entsprechend justiert werden. (red, APA, 10.10.2019)