Bei South West und anderen Fluglinien werden die 737 Max geparkt.

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Wenn du glaubst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her. So oder so ähnlich könnte die Presseabteilung von Boeing am Dienstag getickt haben. In einer Aussendung vermeldete sie eine neue Bestellung, noch dazu der Unglücksmaschine 737 Max. Es sollte der Öffentlichkeit nicht verborgen bleiben, dass die Kunden nach Beseitigung von Mängeln an die Maschine glauben. Besser gesagt, ein Kunde: Eine nicht genannte Airline orderte genau eine 737 Max.

Ein wirklich wahrnehmbares Lichtlein ist für Boeing seit Dienstag nicht aufgetaucht, eher in weite Ferne gerückt. Seither muss sich der US-Konzern nicht nur mit dem anhaltenden Flugverbot der neuen Maschine herumschlagen, sondern auch noch mit Problemen beim Vorgängermodell 737. Erst brachte die US-Pilotengewerkschaft der South West Airlines eine Klage ein, weil seit dem Aus für die Unfallmaschine 30.000 Flüge gestrichen worden seien. Das habe einen Gehaltsausfall von 100 Millionen Dollar verursacht, behauptet die Gewerkschaft.

Bedrohliche Risse

Am Mittwoch kam es noch dicker. Southwest Airlines hat wegen Rissen an wichtigen Bauteilen zwei 737 NG aus dem Betrieb genommen. Kurz darauf zog die brasilianische Fluggesellschaft Gol Linhas Aereas Inteligentes nach einer Inspektion elf Jets des gleichen Typs aus dem Verkehr.

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In den ersten neun Monaten 2019 brachen die Flugzeugauslieferungen von Boeing gegenüber dem Vorjahr um 47 Prozent ein.
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Doch damit nicht genug: Auch in anderen Bereichen gibt es Probleme. Die russische Linie Aeroflot bestellte 22 Stück des Typs 787 im Wert von 5,5 Milliarden Dollar wieder ab, berichtete die Seattle Times. Während derartige Stornierungen in der Branche immer wieder vorkommen, haben die Abstürze zweier Boeing 737 Max im Oktober 2018 und heuer im März 346 Menschenleben gefordert und tiefe Abgründe offenbart.

Kritik unerwünscht

Im Zuge der Ermittlungen wurden Verstrickungen des Konzerns mit der US-Flugaufsichtsbehörde FAA ruchbar, auch eine seltsame Fehlerkultur wird bemängelt. "Es gibt eine repressive kulturelle Einstellung zu Kritik an der Unternehmenspolitik, besonders wenn diese Kritik das Ergebnis einer Analyse von tödlichen Unfällen ist", schrieb der Ingenieur Curtis Ewbank laut Medienberichten in einer internen Beschwerde.

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Auch beim Dreamliner gibt es eine größere Abbestellung.
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Das habe einen "negativen Einfluss auf die Sicherheitskultur bei Boeing". Die Ermittlungen der Verkehrssicherheitsbehörde NTSB wiederum ergaben, dass im Falle der 737 Max neben Boeing auch die FAA falsche Annahmen getroffen habe. Doch US-Aufsicht und Boeing gehen offenbar weiter Hand in Hand.

Europäer skeptisch

Laut Wall Street Journal sind der FAA zufolge die Fehler im Flugkontrollsystem ausreichend behoben, obwohl die europäische Aufsicht EASA weiterhin Bedenken habe. Es wäre nicht das erste Mal, dass die Federal Aviation Administration die Stimme für Boeing ergreift, obwohl Mängel befürchtet werden.

Für die Amerikaner werden die wirtschaftlichen Folgen immer dramatischer. In den ersten neun Monaten 2019 brachen die Flugzeugauslieferungen verglichen mit dem Vorjahreszeitraum um 47 Prozent ein. Mit der Übergabe von 302 Maschinen an Kunden liegt der langjährige Primus abgeschlagen hinter Airbus. Die Europäer lieferten heuer 571 Jets aus. (as, 10.10.2019)