Der Klimaschutz wurde wieder zum Diskussionsstoff – diverse Hitzewellen und die globale Schüler- und Studierendenbewegung Fridays for Future haben dazu beigetragen. Vielfach wird debattiert, ob man zum Wohle des Planeten noch Fleisch essen darf oder die nächste Fernreise mit dem Flugzeug bleiben lässt. In der Politik regieren die Extreme: Während US-Präsident Donald Trump den Klimawandel leugnet oder für eine Erfindung der Chinesen hält, erregte der deutsche Grünen-Bundestagsabgeordnete Dieter Janecek mit dem Vorschlag Aufsehen, die Zahl internationaler Hin- und Rückflüge auf drei pro Jahr zu begrenzen. In jeder Diskussion werden Flugreisen, Fleisch oder Kohlekraftwerke als Klimaschädlinge identifiziert. Doch ein Faktor wird in der Diskussion zuweilen außer Acht gelassen: das Internet.

Serverfarmen gelten als die Fabriken des Datenkapitals: Sie zu betreiben ist energieintensiv.
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Aktivitäten im Netz hinterlassen einen gewaltigen ökologischen Fußabdruck. Im Jahr 2009 rechnete der Harvard-Physiker Alex Wissner-Gross aus, dass eine Google-Suche sieben Gramm CO2 verursacht. Das entspricht etwa der Hälfte der Energie, die man für das Aufkochen einer Kanne Tee benötigt (nach Angaben von Google produziert eine typische Suchanfrage lediglich 0,2 Gramm CO2). Bedenkt man, dass Google pro Tag 3,5 Milliarden Suchanfragen verarbeitet, kommt hier, so oder so, eine beträchtliche Menge zusammen.

Netzbasierte Installation

Die Aktionskünstlerin und Wissenschafterin Joana Moll hat den CO2-Ausstoß von Google in ihrem Kunstprojekt CO2GLE visualisiert. Die netzbasierte Installation demonstriert, wie viel CO2 die Suchmaschine seit dem Ladevorgang emittiert hat. Nach nur wenigen Sekunden schnellt der Verbrauch auf ein paar Tonnen an. Die Suche im Netz, ein einziges Klimadesaster. Moll legt ihrer Berechnung zugrunde, dass die Produktion einer Kilowattstunde im Durchschnitt 544 Gramm CO2 ausstößt. Um ein Gigabyte Information zu übertragen, benötigt man 13 Kilowattstunden. Die 47.000 Suchanfragen, die die Suchmaschine pro Sekunde verarbeitet, entsprechen nach dieser Kalkulation etwa einer halben Tonne CO2.

Der Konsum dieses Videos ist kurzfristig schlecht für das Klima, hat aber womöglich langfristig eine positive Wirkung ...
The Shift Project

Die Emissionen entstehen hauptsächlich durch Rechenzentren, deren Betrieb jede Menge Energie verbraucht. Vor allem die Kühlung der heiß laufenden Server – allein im Rechenzentrum Lenoir in North Carolina sind es knapp 50.000 – ist äußerst energieintensiv. Bereits im Jahr 2012 belief sich der Energieverbrauch aller Rechenzentren auf der Welt laut New York Times auf 30 Milliarden Watt – das entspricht dem 30-Fachen dessen, was ein Atomkraftwerk an Energie erzeugt.

Verschmutzung durch Daten

Rechenzentren gelten als die Fabriken des Datenkapitals. Google betreibt auf der ganzen Welt Serverfarmen: von Oklahoma über Finnland bis nach Taiwan. Über das hauseigene Glasfasernetz Fiber werden Daten durch kilometerlange Seekabel über den gesamten Globus gejagt. Eine Google-Suche ist eine halbe Weltreise. "Daten sind Verschmutzer", kritisiert Aktivistin Moll. Für jede Sekunde, die man auf Google verbringt, müsse man 23 Bäume pflanzen, um eine ausgeglichene Klimabilanz zu erreichen. Auf Basis dieser Berechnung stellte sie ein weiteres Kunstprojekt vor: Es heißt DEFOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOREST.

Zwar setzen Google wie auch andere Tech-Konzerne durch den Zukauf von Wind- und Solarenergie vermehrt auf erneuerbare Energien . Doch laut Googles Nachhaltigkeitsbericht ist der durch erneuerbare Energien bereinigte CO2-Ausstoß in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Das liegt vor allem am steigenden Datenvolumen. Jede Minute werden allein auf Youtube 500 Stunden Videomaterial hochgeladen. Das erfordert enorme Serverkapazitäten und Rechenpower.

Streaming-Dienste wie Netflix sind indirekt eine Belastung für das Klima: Der Energiebedarf wird zu dreißig Prozent aus Kohle und zu einem Viertel aus Kernkraft gewonnen.
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Umweltschädliche E-Mails

Nicht nur Google-Suchen sind eine Belastung für die Umwelt. Auch E-Mails gelten als klimaschädlich. 205 Milliarden E-Mails werden jeden Tag verschickt. Die französische Umweltagentur Ademe (Agence de l'environnement et de la maitrise de l'energie) hat berechnet, dass ein mittelständischer Betrieb mcit 100 Angestellten allein durch E-Mails pro Jahr 13,6 Tonnen CO2 produziert – das entspricht rund 13 Flügen von Paris nach New York und zurück. Mit elektronischen Postfächern war ja anfangs die Hoffnung verknüpft, sie würden den Versand von Briefen per Luftpost überflüssig machen und damit klimafreundlich sein. Doch die Zahlen belegen genau das Gegenteil. Laut Wissenschaftern machen Rechenzentren zwei Prozent der globalen Treibhausgasemissionen aus – so viel wie die gesamte Luftfahrtindustrie. Das Internet hat einen unsichtbaren Auspuff.

Erst kürzlich fand eine Studie der französischen Denkfabrik The Shift Project heraus, dass das Streamen von Online-Videos 300 Millionen Tonnen CO2 im Jahr verursacht. Das ist etwa ein Prozent aller globalen Emissionen. Ein Drittel, also 100 Millionen Tonnen, entfällt dabei auf Netflix und Pornografie. Das Schauen von Pornos im Netz setzt etwa so viel CO2 frei, wie ein Land wie Belgien gesamt in einem Jahr produziert.

Chinas Tech-Konzerne als Klimasünder

"Der größte Treiber des Datenwachstums und der damit verbundenen Energienachfrage sind Streaming-Dienste", sagt auch der Greenpeace-Aktivist Gary Cook . Der Wissenschafter ist Autor der Greenpeace-Studie "Clicking Clean", die die ökologischen Bemühungen der Tech-Branche untersucht. Der Bericht stellt vor allem den chinesischen Technologiekonzernen ein schlechtes Zeugnis aus: Sowohl der Online-Riese Tencent als auch der Suchmaschinenkonzern Baidu beziehen zwei Drittel ihrer Energie aus umweltschädlicher Kohlekraft.

In China ist auch das Gros der Bitcoin-Minen stationiert – die Kryptowährung verbraucht mittlerweile so viel Strom wie ganz Dänemark. Die chinesische Regierung will die stromfressenden Bitcoin-Minen im Land daher verbieten. Der Streaming-Dienst Netflix, der mittlerweile ein Drittel des Internet-Traffics in den USA ausmacht, deckt seinen Energiebedarf übrigens zu 30 Prozent aus Kohle und einem Viertel aus Kernkraft.

Ein Kunstprojekt, bei dem eine KI die Social-Media-Posts von Museumsbesuchern in Rio de Janeiro analysiert.
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Die Fortschritte künstlicher Intelligenz und das exponentielle Datenwachstum könnten den Energiebedarf weiter steigen lassen. Laut einem Bericht von "Climate Home News" könnte die Datenproduktion bis 2025 zwanzig Prozent des weltweiten Strombedarfs ausmachen. Bis 2040 könnte die Kommunikations- und Informationstechnologie sogar für 14 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich sein. Wäre der IT-Sektor ein Land, würde er im Energieverbrauch auf Platz drei rangieren – hinter China und den USA und weit vor Industrienationen wie Russland, Deutschland und Japan.

Vor wenigen Wochen sorgte eine Studie der University of Massachusetts für Aufsehen, wonach ein Modell für natürliche Sprachverarbeitung so viel CO2-Emissionen wie fünf Autos erzeugt. Die Forscher rechneten aus, dass beim Training eines einzigen Modells 313 Tonnen CO2 emittiert werden. Dass Grafikprozessoren für Deep-Learning-Verfahren energieintensiv sind, ist keine neue Erkenntnis. Die Dimension der Emissionen überrascht dann aber doch, zumal es weitaus trainingsintensivere Verfahren (etwa von Computertomografie-Aufnahmen im medizinischen Bereich) gibt. Die Frage ist: Wie nachhaltig ist Maschinenlernen?

KI reduziert Emissionen

Wissenschafter argumentieren, dass das Training von KI-Systemen zwar energieintensiv ist, intelligente Systeme jedoch Emissionen reduzieren können – zum Beispiel ein Thermostat im Smart Home, der aus den Routinen des Bewohners lernt und Heizperioden an die An- und Abwesenheiten anpasst. Ein Spurhalteassistent, für dessen Programmierung die Energie eines Fahrzeugs (bzw. dessen Lebensdauer) aufgewendet wird, wäre bereits energetisch kompensiert, wenn er einen Unfall verhindert. Das Einsparpotenzial ist groß.

Google hat zum Beispiel in seinem Tochterunternehmen Deepmind ein intelligentes Steuerungssystem entwickelt, mit dem der Energieverbrauch seiner Rechenzentren laut eigenen Angaben um 40 Prozent reduziert wurde. Alle fünf Minuten macht die cloudbasierte künstliche Intelligenz eine Analyse der Kühlsysteme, um anhand von Sensordaten den Luftdruck oder die Temperatur in der nächsten Stunde vorherzusagen. Die menschlichen Kontrolleure können dann an den Stellschrauben drehen, um einen möglichst verbrauchsarmen Betrieb zu gewährleisten. Bei der Nachhaltigkeit von KI-Systemen kommt es vor allem auf den Energiemix an. Auch die smarteste IT-Anwendung ist nicht grün, wenn die Rechner mit schmutziger Kohleenergie laufen. Mit jeder Datenwolke, die man im Netz produziert, emittiert man auch Treibhausgase. (Adrian Lobe, 13.10.2019)