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Sylvie Goulard, an Fehlern und Uneinsichtigkeit gescheitert.

Foto: AP / Olivier Matthys

Mit einem Knalleffekt endete am Donnerstag die Fortsetzung der Anhörung von Sylvie Goulard, der Kandidatin für das Amt einer EU-"Superkommissarin" für Binnenmarkt, Industrie und Rüstung, vor den Ausschüssen des Europäischen Parlaments (EP) in Brüssel. Die Abgeordneten verweigerten der Französin die Zustimmung, weil sie für ihr Amt nicht geeignet sei, da Verfahren wegen möglichen Missbrauchs von öffentlichen Geldern gegen sie laufen.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wird dringend Ersatz für sie suchen müssen, wenn sie den Termin der Wahl ihres Teams im EP am 23. Oktober noch rechtzeitig hinbekommen will – in Absprache mit Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron, dessen erklärte Favoritin Goulard gewesen ist.

Macron macht von der Leyen für das Debakel verantwortlich: Er habe die Kommissionspräsidentin auf die laufenden Ermittlungen gegen Goulard hingewiesen, diese habe sich aber dennoch für Ex-Ministerin als Mitglied ihres Teams entschieden, sagte Macron am Donnerstag in Lyon. Von der Leyen habe ihm versichert, dass sie die Zustimmung der drei großen Fraktionen im EU-Parlament für Goulard für den Spitzenposten in der EU-Kommission erhalten habe. Er habe ihr zuvor sogar insgesamt drei Namen für den Posten vorgeschlagen, so Macron.

Probleme für die derzeitige Vizepräsidentin der französischen Notenbank hatten sich bereits vergangene Woche bei der ersten Anhörung durch die EU-Abgeordneten abgezeichnet.

Fachlich gut

Die Kandidatin konnte zwar fachlich überzeugen. Sie spricht alle Arbeitssprachen (und mehr) fließend, hat glänzende Abschlüsse von Elitehochschulen, war EU-Abgeordnete, unterrichtet an der Europaakademie in Brügge, war Beraterin des früheren Kommissionschefs Romano Prodi und 2017 kurzfristig Verteidigungsministerin in ihrem Land.

Aber Goulard konnte die Abgeordneten nicht davon überzeugen, dass sie auch moralisch geeignet beziehungsweise einsichtig bei früheren Fehlern ist. So hatte sie als EU-Abgeordnete jahrelang eine Nebenbeschäftigung für einen US-Thinktank mit einem Monatshonorar von 10.000 Euro. Und sie bezahlte einen Assistenten aus EU-Mitteln, was von der Administration des Europäischen Parlaments als unrechtmäßig erkannt wurde, weil er in Frankreich für eine nicht EU-konforme Tätigkeit eingesetzt worden war. Den Schaden hatte Goulard zwar gutgemacht, sie musste aber als Macrons Verteidigungsministerin schon nach wenigen Wochen zurücktreten. Bei der Anhörung zeigten sich die Abgeordneten erstaunt, warum sie glaube, als Kommissarin geeignet zu sein, nicht aber als Ministerin.

An Arroganz gescheitert

Die Kandidatin wischte die Einwände etwas arrogant vom Tisch, verwies auf ihre hohe Qualifikation und pochte auf Unschuldsvermutung im Fall der Beschäftigung des Assistenten, der derzeit von der Betrugsbekämpfungsbehörde Olaf geprüft wird.

Die Ausschüsse gaben der Französin eine zweite Chance, sie musste offene Fragen schriftlich beantworten und erneut zur Anhörung antreten. Sie zeigte sich wenig einsichtig und fiel blamabel durch: 82 Abgeordnete stimmten gegen, nur 29 für sie, vor allem liberale Parteifreunde. Bei Christ- und Sozialdemokraten hieß es, das sei auch eine kleine Rache an Macron, weil der die Spitzenkandidaten Manfred Weber und Frans Timmermans beim Präsidentenamt ausgebootet hatte.

Da auch die Kommissarskandidaten von Ungarn und Rumänien durchfallen und deren Ersatzleute noch nicht bestätigt sind und die rumänische Regierung Donnerstag gestürzt wurde, spricht man im Parlament bereits davon, dass die Kommission nicht am 1. November, sondern ein paar Wochen später gewählt werden könnte. Das Team Juncker müsste dann länger im Amt bleiben. Ein Ersatz für Goulard ist auch deshalb nicht ganz so einfach, weil die Zuständigkeit für Binnenmarkt und Industrie plus militärische Sicherheit viel Gewicht hat. Man wird bei der nächsten Anhörung den französischen Kandidaten sehr genau prüfen. (Thomas Mayer, APA, 10.10.2019)