Bei dem Mangel an geeigneten Örtlichkeiten für Sondierungsgespräche in Wien konnte die Entscheidung nur auf das Winterpalais des Prinzen Eugen fallen. Noch ist eine Regierung fern, aber schon beginnt das Werkel der Message-Control zu rattern. Der Bevölkerung Sebastian Kurz als eine Neuauflage des edlen Ritters und Befreiers von Türken- und Migrantennot zu suggerieren war eine Idee, die sich ausbauen lässt. Die Koalitionsverhandlungen könnten dann ja vor dem Hochaltar zu St. Stephan stattfinden, der Bundeskanzler wird nicht ernannt, sondern gesalbt und die Regierungserklärung vom Balkon des Oberen Belvedere verlesen. Dem Nationalrat ist ja, wie man weiß, nicht zu trauen.

Andere tun sich schwerer, in ihre Rollen zu finden. Wenn langjährige Funktionäre der SPÖ den Zustand ihrer Partei, für den sie selber verantwortlich sind, als schwammig und nicht identifizierbar definieren, ist das nicht aktueller Erkenntnis, sondern nur dem Nachwahlschock zuzuschreiben. Der wird sich wieder legen, schließlich rinnt diese Partei seit zwei Jahrzehnten kontinuierlich aus, ohne dass Veränderungswille sich in mehr manifestiert hätte, als von Zeit zu Zeit einen neuen Vorsitzenden aus dem Hut zu ziehen. Wird es den Genossen zu heiß, darf es auch eine Vorsitzende sein.

Innerparteiliche Erneuerung

Nach den Erfahrungen der Vergangenheit könnte ein Neustart mit seiner Ankündigung auch schon wieder vorbei sein. Sollte es diesmal anders kommen? Radikal denken, wie wir es seit der Gründung nicht mehr gemacht haben, fordert Pamela Rendi-Wagner. Dazu müsste man zuerst die Angst ablegen, als das erkannt zu werden, was man zu sein vorgibt – eine kompromisslose Vertretung aller arbeitenden Menschen in einer auseinanderdriftenden, sich rasch verändernden Gesellschaft. Wenn einem da schon – nur ein Beispiel – bei einer Vermögenssteuer die Knie weich werden, wird das wohl nichts. Intelligente Konservative fordern die längst. Innerparteiliche Erneuerung ist sicher nötig, dürfte aber Wähler, die von der SPÖ über die FPÖ nun bei der ÖVP gelandet sind, weniger interessieren. Ohne eine gründliche Analyse ihrer Bedürfnisse wird Glaubwürdigkeit nicht zu gewinnen sein.

Hans-Christian und Philippa Strache.
Foto: imago/Rudolf Gigler

Da haben es die Freiheitlichen leichter. Die konnten ihren Grundstock an Wählern erhalten, und wer diesmal nur Heinz-Christian Straches wegen zu Kurz wechselte, ist mit einer Prise Herbert Kickl zurückzugewinnen, wenn erst die Familienprobleme gelöst sind. Die Grausamkeit, mit der dies nun über die Bühne geht, ist einmalig. Selbst eine so grundanständige Partei wie die NSDAP ist nie auf die Idee gekommen, ihren Führer wegen einiger Spesen der Verelendung preiszugeben. Und die waren höher. Was ist schon die Wohnbeihilfe für ein Häuschen in Klosterneuburg gegen einen Berghof in den bayrischen Alpen?

Wie sollen Hände, die seit Jahren keine Zahnprothese geschmiedet haben, von einem Tag auf den anderen eine Familie ernähren? Soll Strache etwa in einem AMS-Umschulungskurs neben Migranten Deutsch lernen? Und erst die Demütigung, die Ehefrau womöglich ins Parlament schicken zu müssen, nur damit etwas Geld ins Haus kommt. So treibt man einer radikalen SPÖ Wähler zu! (Günter Traxler, 10.10.2019)