Christian Konrad (links) und Ferry Maier (rechts) von der Allianz Menschen Würde Österreich.

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Eine Afghanin floh mit ihrer Familie aus ihrem Heimatland nach Österreich. Sie wurde hier als Flüchtling anerkannt und hat relativ rasch Arbeit gefunden. Alles lief, den Umständen entsprechend, endlich wieder gut. Doch dann bekam sie plötzlich Angstzustände: Ging sie auf der Straße, glaubte sie, sie werde verfolgt. Sie traute sich kaum mehr, die Wohnung zu verlassen.

"Symptome treten oft zeitversetzt auf", sagt Nora Ramirez-Castillo vom Verein Hemayat, der sich um Menschen kümmert, die "Krieg und Folter er- und überlebt haben". Traumata würden es geflüchteten Frauen oft schwer machen, den Alltag zu bewältigen. Dann falle etwa die Konzentration in Deutschkursen oder das Nachgehen einer Arbeit schwer.

Maßnahmen am Arbeitsmarkt

Die Geschichte, die Ramirez-Castillo erzählt, ist eines von vielen Beispielen dafür, wie es geflüchteten Frauen nach ihrer Ankunft in Österreich geht. Denn: Die "typische geflüchtete Frau" gebe es nicht, sagt Judith Kohlenberger vom Institut für Sozialpolitik der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien. Was es aber gebe, sei der Bedarf, in puncto Inklusion geflüchteter Frauen Maßnahmen zu setzen. Darin war man sich bei der Pressekonferenz der Allianz "Menschen Würde Österreich" rund um Ex-Regierungsflüchtlingskoordinatoren Christian Konrad und Ferry Maier am Donnerstag einig.

Die Initiative präsentierte eine mit Expertinnen ausgearbeitete Resolution samt Forderungen an die nächste Regierung, was in dem Themenbereich zu tun wäre. Konrad machte darauf aufmerksam, dass 40 Prozent der Geflüchteten mittlerweile Frauen sind. "Jene Energie, die man bisher in das Kopftuchverbot gesteckt hat, hätte man lieber in Maßnahmen zur Inklusion von Frauen stecken sollen", sagte sein Kollege Maier.

Neben ausreichend Psychotherapieplätzen für Frauen, die durch die Flucht Traumata erlitten, brauche es vor allem Maßnahmen am Arbeitsmarkt, hieß es. Denn die Frauen sind relativ schlecht in den Arbeitsmarkt integriert, sagt Sozialwissenschafterin Kohlenberger. Die Erwerbsquote bei Männern betrage 62 Prozent, bei Frauen nur 45 Prozent – und das obwohl Frauen teils höher gebildet seien als die Männer.

Verschiedene Bedürfnisse

Die meisten Frauen würden allerdings arbeiten wollen, auch wenn sie das in ihrem Herkunftsland nicht getan hätten. Diese Erfahrung bestätigt auch Manuela Vollmann von ABZ*Austria, einem Unternehmen, das sich für die Integration von Frauen am Arbeitsmarkt einsetzt. Nach dem von ABZ*Austria angebotenen Kompetenzcheck hätten bereits viele Frauen Fuß am Arbeitsmarkt gefasst. Viele Frauen, die kommen, seien gebildet und teils gut qualifiziert. Anderen wurde seit Kindheit an Bildung verwehrt, diese würden dann oft sagen, sie könnten "nichts". Doch auch das sei falsch, denn oft gebe es Kompetenzen und Fähigkeiten, diese seien nur nicht auf dem formalen Bildungsweg erreicht worden. Für alle Frauen brauche es jedenfalls passende Angebote.

Bei der Integration in den Arbeitsmarkt, also der Nostrifizierung bestimmter Abschlüsse, müsse man zuweilen auch pragmatisch vorgehen, meint Kohlenberger: etwa wenn jemand im Herkunftsland im Gesundheits- oder Sozialbereich tätig war. Gerade hier würden dringend Fachkräfte gebraucht.

Rücknahme der neuen Sozialhilfe gefordert

In der Resolution wird im Bereich Bildung etwa gefordert, dass Deutsch- und Alphabetisierungskurse für alle Frauen zugänglich sein müssten, um Teilhabe zu ermöglichen. Außerdem brauche es "individualisierte Unterstützung für den Arbeitseinstieg", "Unterstützung für Betriebe, um passende Strukturen zu schaffen", sowie flächendeckende Kinderbetreuung.

Um eine gesicherte Existenz zu ermöglichen, fordert die Initiative außerdem die Rücknahme der Verschärfungen im Sozialhilfegrundgesetz. Was die Präferenzen für die neue Regierung betrifft, sagte Konrad: "Die vergangene Koalition wünschen wir uns nicht mehr." (Vanessa Gaigg, 10.10.2019)