Bundespräsident Alexander Van der Bellen gratulierte ausgiebig per Twitter – drei Tweets waren nötig.

Foto: Screenshot Twitter/Alexander Van der bellen

So gespannt das Verhältnis Peter Handkes zu Österreich in der Vergangenheit auch teilweise war: Am Tag der Bekanntgabe, dass der aus Kärnten stammende Schriftsteller den Literaturnobelpreis bekommt, standen die Gratulanten Spalier. Eine halbe Stunde nach der Verkündung übermittelte bereits Österreichs Literaturnobelpreisträgerin Nummer eins, Elfriede Jelinek, eine Jubelmeldung an die APA: "Großartig! Er wäre auf jeden Fall schon vor mir dran gewesen", schrieb die Autorin.

Die Politik meldete sich wenige Minuten später zu Wort: "Was für ein Tag! Ein 'geglückter' Tag!", ließ Bundespräsident Alexander Van der Bellen wissen. "Wir haben Peter Handke viel zu verdanken. Ich hoffe, er weiß das." Weniger hintergründig die Wiener Stadtregierung, für die Bürgermeister Michael Ludwig und Kulturstadträtin Veronica Kaup -Hasler stellvertretend das Wort ergriffen: Durch eine unglaubliche Fülle an Werken sowie eine unvergleichbare poetische Sprache habe Handke dem "Gewicht der Welt" Ausdruck verliehen, erklärten sie in einer ersten Stellungnahme. Das Gewicht der Welt gehört zu den wichtigsten Werken Handkes der 1970er-Jahre und ist der Versuch, den Gegenständen des Alltags eine sprachliche Realität zu schaffen.

Freude allerorts in der Politik

Auch die Kultursprecher der ÖVP, Gernot Blümel, der SPÖ, Thomas Drozda, und der Grünen, Eva Blimlinger, mengten sich in die Gratulantenschar, ebenso Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger. Groß natürlich auch die Freude in Kärnten, allen vor an bei Landeshauptmann Peter Kaiser und beim Klagenfurter Verleger Lojze Wieser, in dessen Verlag einige Texte von Handke erschienen sind. Er bezeichnete Handke als den "größten Spracherneuerer aus dem Widerspruch dieses Landes heraus" und wies auf den "seltsamen Zufall" hin, dass der Nobelpreis für den zweisprachigen Autor ausgerechnet am Gedenktag für Abwehrkampf und Volksabstimmung bekanntgegeben wurde. Aus Salzburg schickte Handke-Verleger Jochen Jung eine Gratulation. Und in Berlin knallten die Korken bei Suhrkamp, Handkes Heimatverlag.

Auch Florian Scholz, der Intendant des Klagenfurter Stadttheaters, wo am Abend das Handke-Stück Die Stunde, da wir nichts voneinander wussten Premiere feierte, schwelgte im Glück. Joachim Lux, Intendant des Hamburger Thalia Theaters, an dem die Festspielinszenierung Immer noch Sturm wiederaufgenommen wird, ebenso.

"Alter Schwede!"

Und die heimische Literaturwissenschaft? Sie gratulierte und jubilierte in Gestalt von Klaus Kastberger (Grazer Literaturhaus) und Bernhard Fetz (Wiener Literaturmuseum). Tochter Amina Handke machte ihrer Begeisterung unterdessen auf Facebook Luft. "Alter Schwede!", schrieb sie. So kann man es auch sagen.

Knapp, aber euphorisch hat Peter Handkes Schriftstellerkollege Michael Köhlmeier auf die Nachricht des Literaturnobelpreises gegenüber der APA reagiert: "Es freut mich außerordentlich. Der größte Poet unserer Sprache hat den Preis bekommen."

Für Burgtheaterdirektor Martin Kušej ist Handke "ein enorm wichtiger Künstler und eine faszinierende Künstlerpersönlichkeit", wie er in einem der APA übermittelten Statement erklärt. Er habe erst nach einer Probe davon erfahren und sich "einfach nur gefreut. Ich bin mit Peter Handkes Literatur aufgewachsen." Handke sei ein Autor, "der nicht nur das Theater, sondern auch die Sprache immer wieder infrage stellt – seine Texte sind damit für das Theater auch eine Herausforderung." Er kenne ihn persönlich noch gar nicht so lange, "habe ihn aber immer als sehr warmherzigen, fast väterlichen Menschen erlebt, der aber auch einen fast beißenden, zynischen Ton anschlagen kann". Natürlich werde das Burgtheater "auch ein Stück von Peter Handke in unserem zukünftigen Spielplan haben, allerdings hat das nichts mit dem Nobelpreis zu tun – das hatten wir ohnehin schon länger vor".

Literaturwissenschafterin Daniela Strigl betonte in einer "Zeit im Bild" die Bedeutung der Handke-Entscheidung für die Literatur an sich: "Es ist schon auch über Österreich hinausgehend ein Preis, der eine Literatur der Bedächtigkeit und Langsamkeit stark macht, gegen eine marktgängige Literatur des flotten Erzählens."

Gemischte Meinungen aus dem Westbalkan

In den Ländern des Westbalkans stieß die Verleihung auf gemischte Meinungen. Während in Serbien die Auszeichnung für den "Freund Serbiens" begrüßt wird, gibt es aus dem Kosovo und Bosnien-Herzegowina harsche Kritik in Bezug auf die ihm vorgeworfene Verharmlosung von serbischen Kriegsverbrechen.

Der ehemalige kosovarische Außenminister Petrit Selimi fragte die Nobelpreis-Akademie über Twitter, ob sie auch Handkes Rede, die er beim Begräbnis des serbischen Ex-Präsidenten Slobodan Milošević hielt, als Teil seines literarischen Opus berücksichtigt habe, als sie beschloss, "diesem Genozid-Leugner" den Nobelpreis zu verleihen. "Skandalös", twitterte unterdessen die kosovarische Botschafterin in den USA, Vlora Çitaku, und bezeichnete die Entscheidung als "absurd und schändlich".

Auch der Außenminister Albaniens, Gent Cakaj, bezeichnete die Auszeichnung als "unwürdig und schändlich". "Als jemand, der leidenschaftlich an die Schönheit und Macht der Literatur zur Bereicherung der menschlichen Erfahrung glaubt, und als Opfer von ethnischer Säuberung und Genozid bin ich empört über die Entscheidung, den Literaturnobelpreis einem Genozid-Leugner zu verleihen", schrieb der aus dem Kosovo stammende Politiker auf Twitter.

Kritik für politische Statements

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) kritisierte die Verleihung des Preises an Handke. "Während des Bosnienkrieges hat sich Handke bedingungslos an die Seite serbischer Kriegsverbrecher gestellt", hieß es in einer Mitteilung der nichtstaatlichen Menschenrechtsorganisation am Donnerstag. Handke habe dem als Kriegsverbrecher angeklagten Milošević bis zu dessen Tod im Den Haager Gefängnis 2006 die Treue gehalten. "Es ist vollkommen unverständlich, warum das Nobelpreiskomitee die intellektuelle Unterstützung für den Völkermord auszeichnet", so die GfbV-Referentin für Genozid-Prävention und Schutzverantwortung, Jasna Causevic.

Äußerst kritisch kommentiert die "Washington Post" die Verleihung des Literaturnobelpreises an Peter Handke: "Handkes Sieg kommt nicht ohne Kontroverse. Das Komitee, das so darauf bedacht war, die jüngsten Skandale hinter sich zu lassen, könnte gerade in einen neuen gestolpert sein", heißt es. Kollegen wie Salman Rushdie hätten schon früher alarmiert auf Handkes Kuschelkurs mit Serbien reagiert.

Der "Guardian" zitiert den slowenischen Philosophen Slavoj Žižek, der auf Handkes frühere Aussage, der Literaturnobelpreis gehöre abgeschafft, sagt: Die heurige Entscheidung beweise, "dass Handke recht hatte". "Das ist Schweden heute", so Žižek. "Ein Apologet von Kriegsverbrechen bekommt den Nobelpreis, während das Land einen wesentlichen Beitrag zum Charaktermord des wahren Helden unserer Zeit, Julian Assange, geleistet hat. Unsere Reaktion sollte sein: nicht den Literaturnobelpreis für Handke, sondern den Friedensnobelpreis für Assange."

Fiammetta Rocco, Kulturredakteurin des "Economist" und Administratorin des Booker International Prize, plädiert laut "Guardian" dafür, die beiden Preisträger Handke und Tokarczuk "in einem gemeinsamen Kontext" zu sehen: "Sie haben beide offensichtlich sehr unterschiedliche Schreibstile, aber beide schreiben über umstrittene Länder, darüber, wem die Erinnerung gehört und über den zentralen menschlichen Wunsch, Geschichten zu erzählen." Tokarczuk sei bei allen außer der polnischen Rechten beliebt, Handke sei "nicht bei allen so beliebt, außer bei den Anhängern von Slobodan Milošević. Aber sie werden beide für ihr formales Werk, ihre Imagination und ihren Gebrauch der Sprache geliebt." (hil, APA, 10.10.2019)