Am Samstag haben nach Polizeiangaben 200 Menschen in Theresienfeld gegen den Bau einer Abfallbehandlungsanlage demonstriert.

Foto: ichhabdawastv/ Michael Schober

Theresienfeld – Abfallanlagen sind ein Thema, das die kleine Gemeinde Theresienfeld unweit von Wiener Neustadt immer wieder einholt. In den 80er-Jahren war es die Fischer-Deponie, die medial für Aufsehen sorgte, 2007 haben die Bürger der 4.000-Einwohner-Gemeinde eine Recyclinganlage durch Proteste verhindert, und jetzt läuft erneut ein Bewilligungsverfahren, diesmal für eine Abfallbehandlungsanlage. Aber die Theresienfelder wollen sich wieder wehren.

500.000 Tonnen "nicht gefährlichen Abfalls" sollen pro Jahr auf dem Gelände einer ehemaligen Schottergrube im Ortsgebiet von Theresienfeld zwischengelagert, teilweise behandelt und dann an Verbrennungs- oder Verwertungsanlagen weitergegeben werden. Bei dem Abfall handle es sich beispielsweise um Holz, Bauschutt, Beton oder nicht gefährlichen Siedlungs- beziehungsweise Gewerbeabfall. So steht es in der Kundmachung des Landes Niederösterreich vom 12. September.

Das Gelände, auf dem die Abfallbehandlungsanlage errichtet werden soll, liegt nicht weit vom Ortszentrum entfernt.

"Wir waren schockiert", sagt Wolfgang Simecek, der auf seinem Grundstück in unmittelbarer Nähe der Schottergrube eine Pferdezucht betreibt und als Anrainer in dem Verfahren Parteienstellung hat. Erst nach der ersten Verhandlung mit Gemeinde und Antragsteller Günter Knautz habe er herausgefunden, dass die Menge an Abfall, die jedes Jahr durch die Anlage in Theresienfeld gehen soll, "fast das Doppelte von der Anlage Rinterzelt in Wien" sei. Rinterzelt ist mit 280.000 Tonnen Jahresdurchsatz "die größte Behandlungsanlage Österreichs für die Aufbereitung, Sortierung sowie Konfektionierung von Abfällen", heißt es auf der Homepage der Stadt Wien.

Außerdem rechnet Einreicher Knautz, selbst ein Theresienfelder, mit einem Verkehrsaufkommen von 350 Lkws pro Tag. "Und das in einer 4.000-Einwohner-Gemeinde", sagt Simecek. Da die Behandlung der Abfälle teilweise in einer Zelthalle stattfinden soll, die auf einer Seite offen ist, rechnet Simecek mit Luftverschmutzung durch Plastikpartikel, die der Wind durch das Schreddern von Kunststoff in die Luft trägt. Dazu kommen der Lärm der Lkws und die Feinstaubbelastung. "Für mich steht fest, diese Anlage muss verhindert werden. Das wäre der Tod von Theresienfeld", sagt Simecek.

Ein Video von dem Gelände, auf dem die Anlage geplant ist.

Feinstaub, Lärm und Grundwasser

Um die Errichtung der Anlage zu verhindern, hat Simecek gemeinsam mit anderen besorgten Bürgern eine überparteiliche Bürgerinitiative gegründet. 4.000 Unterschriften wurden bereits für den Stopp der Anlage gesammelt, und am Samstag haben laut Polizei gut 200 Menschen vor dem Gemeindezentrum demonstriert. Im Gemeinderat wurde einstimmig eine Resolution gegen das Projekt beschlossen. "Als Bürgermeisterin bin ich strikt gegen dieses Vorhaben", sagt Bürgermeisterin Ingrid Klauninger (SPÖ). Knapp 700 Meter von der geplanten Abfallanlage wird gerade ein Kindergarten gebaut, Fußballplatz und Spielplatz seien keine 300 Meter entfernt. Auch der Bürgermeister des knapp einen Kilometer entfernten Wiener Neustadt, Klaus Schneeberger (ÖVP), hat sich bereits klar gegen die Anlage ausgesprochen. Sorgen bereiten Klauninger vor allem der Feinstaub, der Lärm und die Insektizide, die auf dem Gelände eingesetzt werden sollen.

Ein nicht unwesentliches Detail in der Angelegenheit ist auch, dass Theresienfeld auf einem der größten Grundwasserreservoirs Europas liegt, der Mitterndorfer Senke. Diese liegt direkt unter gut durchlässigem Schotterboden. 1982 wurde auf dem Gelände der nach ihrem Betreiber benannten Fischer-Deponie, knapp einen Kilometer vom Standort der jetzt geplanten Anlage entfernt, festgestellt, dass Fässer mit Lack- und Lösungsmitteln vergraben worden waren und kontaminierter Bodenaushub das Grundwasser verunreinigt hat. Die Räumung hat sich bis ins Jahr 2005 hingezogen und knapp 130 Millionen Euro gekostet. "So was bleibt im Gedächtnis einer Gemeinde", sagt Bürgermeisterin Klauninger.

Am Samstag fand eine Demonstration mit knapp 200 Teilnehmern statt.
NÖN

Der Vergleich hinkt

Genau solche Vergleiche wie jener mit der Fischer-Deponie und jener mit Rinterzelt in Wien basieren auf Fehlinformationen, meint Günter Knautz. Seiner Mutter, die immer noch auf dem Grundstück wohnt, gehört das 42.000 Quadratmeter große Areal, und er selbst ist hier aufgewachsen. "Uns haben auch die Arbeiten in der Schottergrube nie gestört", sagt er. Bei der von ihm geplanten Anlage handle es sich ausdrücklich um keine Deponie, sondern ein Zwischenlager, betont er. "Es wird hier nichts vergraben!" Außerdem werden bei ihm nicht wie in Rinterzelt 280.000 Tonnen Abfall behandelt, sondern bloß 29.640 Tonnen pro Jahr. Dabei handle es sich um Gewerbeabfall, der verarbeitet, in Ballen gepresst, foliert und weiterverkauft werden soll. Der Rest sei hauptsächlich Bauschutt, der zwischengelagert, teilweise sortiert und verwertet werden soll. Nicht mehr.

Wesentlich sei auch, dass der Verkehr nicht durch das Ortsgebiet geleitet werden soll, sondern über eine Umfahrung, "die das Land Niederösterreich extra für viel Geld errichtet hat, um die Schottergruben an das Verkehrsnetz anzubinden", sagt Knautz. Es werde also kein Lkw durchs Ortsgebiet fahren. Außerdem hätte ein Gutachten, das auch vom zuständigen Sachverständigen des Landes geprüft wurde, bereits gezeigt, dass Feinstaubaufkommen und Geruch unbedenklich seien. Bei der zuständigen Abteilung für Anlagenrecht des Landes Niederösterreich will man sich zum Inhalt von Gutachten in einem laufenden Verfahren nicht äußern.

Auch bezüglich Grundwasser müsse man keine Sorge haben, sagt Peter Sander, der Anwalt von Knautz. Der Trinkwasserbrunnen der Gemeinde ist zwar bloß 700 Meter von der geplanten Anlage entfernt, diese sei aber rundum befestigt. "Es wird hier nichts mit Boden oder Grundwasser in Berührung kommen", so Sander. In den Protesten vermutet er "erste Ausläufer eines Gemeinderatswahlkampfs".

Einige Gutachten sind noch ausständig

Auch Wolfgang Simecek hat sich einen Anwalt genommen. Dieser sieht in der Angelegenheit "einiges im Argen". In dem Antrag für das Projekt ist angegeben, dass "Baurestmasse bis zu einer Höchstmenge von 199.500 Tonnen pro Jahr behandelt" werden soll. Da die Grenze, ab der eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) notwendig ist, genau bei 200.000 Tonnen behandelten Abfalls pro Jahr liege, sieht Anwalt Wolfgang List darin "einen klassischen Umgehungsversuch der UVP".

Um gegen das Projekt vorzugehen, will List deshalb prüfen lassen, ob eine UVP verpflichtend notwendig ist. Außerdem seien in dem Gutachten von Herrn Knautz zum Thema Feinstaubaufkommen falsche Normen angewendet worden, man werde das in einem eigenen Gutachten prüfen lassen, so List. Gutachten zu den Themen Lärm, Geohydrologie, Meteorologie und Humanmedizin sind noch ausständig. (Johannes Pucher, 20.10.2019)