Die Abwahl von Christine Oppitz-Plörer wird nicht nur ihr selbst Kopfzerbrechen bereiten.

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Die lange und emotional geführte Gemeinderatssitzung hat das Vertrauen unter den Koalitionspartnern erschüttert.

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Innsbruck – Die Entscheidung fiel zu später Stunde, kurz vor ein Uhr morgens. Mit 23 zu 17 Stimmen wurde Vizebürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer (Für Innsbruck, FI) ihres Amtes enthoben. Damit fand der entsprechende Antrag der FPÖ eine Mehrheit im Innsbrucker Gemeinderat. Neben den oppositionellen Freiheitlichen selbst waren es die Grünen, die ihrer Koalitionspartnerin das Vertrauen entzogen. SPÖ und ÖVP, die ebenfalls Teil der grün geführten Viererkoalition sind, taten das demonstrativ nicht.

Die Amtsenthebung einer Vizebürgermeisterin war eine Premiere in der Tiroler Landeshauptstadt. Hintergrund war Oppitz-Plörers Rolle beim Neubau der Patscherkofelbahn, bei dem es zu einer deutlichen Überschreitung der veranschlagten Kosten gekommen ist. Ursprünglich hatte der Gemeinderat insgesamt 41 Millionen Euro für das Projekt freigegeben. Mittlerweile ist von bis zu 67 Millionen die Rede, noch immer sind aber nicht alle Rechnungen abgeschlossen.

Vorwurf fehlender Transparenz

Als Bürgermeisterin sei sie über die finanzielle Schieflage während des Großprojektes – die Kosten steigerten sich sukzessive – informiert gewesen. Sie habe es angesichts dessen aber trotzdem nicht gestoppt und diese Informationen auch nicht korrekt an den Gemeinderat weitergeleitet. Genau das wurde Oppitz-Plörer nun vorgeworfen. Allerdings, so die Kritik von mehreren Mandataren, hätten auch die Grünen selbst aufgrund der damaligen politischen Rollenverteilung eine gewisse Mitverantwortung.

Von einem Koalitionsbruch will Bürgermeister Georg Willi (Grüne), der sich für eine Amtsenthebung seiner Stellvertreterin ausgesprochen hatte, aber nichts wissen. In seiner Rede vor der Abstimmung legte er seine Beweggründe für die Entscheidung, die ihm nicht leichtgefallen sei, dar: "Mir ist klar, dass mein Stimmverhalten eine tiefe Kränkung hinterlässt." Er wolle damit aber einen "neuen, verantwortungsvollen Umgang mit Steuergeld bewirken".

SPÖ und ÖVP wollten bei "Show" nicht mitspielen

SPÖ und ÖVP sahen die Zusammenarbeit allerdings durchaus belastet und stimmten dem Antrag nicht zu. Aus den Reihen der Sozialdemokraten kam die deutliche Frage an Willi: "Wie soll die Fortführung dieser Koalition funktionieren nach dieser Abwahl?" Für diese Art der "Showpolitik" sei die SPÖ nicht zu haben.

Die ÖVP vermisste "nach wie vor die rechtliche Aufarbeitung". Oppitz-Plörers Abwahl sei nur "eine Politshow", mit der "ein Exempel statuiert" werden solle. Bei diesem "Scherbengericht" wollte die Volkspartei nicht mitwirken.

Oppitz-Plörer wies in ihrer Rede kurz vor Mitternacht die Vorwürfe zurück; Gemeinderat und Koalitionspartner seien sehr wohl informiert gewesen. Sie selbst will trotz der Amtsenthebung als FI-Vertreterin ohne Ressortzuständigkeit im Stadtsenat verbleiben. Das wird die weitere Koalitionsarbeit nicht einfacher machen. Denn die emotional geführte Debatte – es flossen sogar Tränen bei FI-Abgeordneten– am Donnerstagabend dürfte Spuren hinterlassen haben.

Risse in Viererkoalition zeichnen sich ab

Wie stabil die Viererkonstellation tatsächlich noch ist, wird sich spätestens im November zeigen, wenn die Regierung das Budget absegnen muss. Kann man sich nicht einigen, könnte sich der Gemeinderat mit einer Zweidrittelmehrheit auflösen und so Neuwahlen bedingen. Willi kann einem solchen Szenario relativ gelassen entgegensehen. Die Grünen verspüren derzeit offenbar Rückenwind.

Oppitz-Plörers FI hingegen, die 1994 als ÖVP-Abspaltung vom späteren Tiroler Landeshauptmann Herwig van Staa gegründet wurde, drohen in einem solchen Fall herbe Verluste. Insofern ist erklärbar, warum man trotz des Misstrauens gegen Oppitz-Plörer an der Koalition festhalten will. Die Innsbrucker ÖVP wäre wohl ebenfalls Profiteur von Neuwahlen, sollte FI implodieren. Die SPÖ hingegen ist intern zerrissen und dementsprechend gegen einen erneuten Urnengang. Die FPÖ glaubt nicht an Neuwahlen, fürchtet sie aber auch nicht.

Ende einer Ära?

Für Oppitz-Plörer endete am Donnerstagabend, zumindest vorerst, ihre Spitzenrolle in der Innsbrucker Stadtpolitik. Im Juni 2009 wurde sie erstmals Vizebürgermeisterin, im Jahr darauf beerbte sie Hilde Zach in der Position der Bürgermeisterin, die sie bis zu ihrer Wahlniederlage gegen Willi im Frühjahr 2018 innehatte. Seither ist sie wieder Stellvertreterin. Anders als ihre Vorgänger van Staa und Zach, die sich in Innsbruck mit Großprojekten Denkmäler setzten, stolperte Oppitz-Plörer letztlich über ein solches.

Und es könnte noch mehr kommen. Denn neben ihrer Rolle beim Neubau der Patscherkofelbahn droht der einstigen Stadtchefin nun weiteres Ungemach. Auch der Pema-2-Turm, ein umstrittenes Hochhausprojekt, das ebenfalls am Donnerstagabend für hitzige Debatten im Gemeinderat sorgte, dürfte noch ein politisches Nachspiel haben. Oppitz-Plörer fühlt sich zu Unrecht in der Kritik und betont, sie selbst ziehe eine insgesamt positive Bilanz ihrer Tätigkeit als Stadtoberhaupt. (Steffen Arora, 10.10.2019)