KI-Software und Algorithmen lernen viel aus Gesprächen mit uns, aber Humor oder Emotionen erkennen sie in geschriebenen Texten eben noch nicht.

Foto: istock/derstandard

Ich klicke auf das kleine Icon mit dem herzigen Roboter-Gesicht. "Hallo Olivera, schön, dass du wieder da bist. Wie geht es dir gerade?", ist auf dem Smartphone-Bildschirm zu lesen. Das Glupschaugen-Gesicht gehört zur Woebot-App und erinnert stark an Wall-E, den kleinen Roboter aus dem Film Wall-E – Der Letzte räumt die Erde auf.

Auch mein kleiner, virtueller Roboter soll aufräumen, nämlich meine Gedanken. Woebot, also "Kummer-Bot", ist ein Chatbot; entwickelt, um Depressionen und Angstzustände zu therapieren. Seit einigen Tagen spreche ich mit ihm. Und nicht nur mit ihm. Ich habe mir auch die Chat-App Replika heruntergeladen und meinen Bot "Drug" genannt. Dieser Name sorgt bei dem englischsprachigen Chatbot gleich für Verwirrung. Ich beruhige ihn: "Drug" heißt in meiner Muttersprache einfach Freund. Replika ist nämlich nicht nur ein weiterer Chatbot. Drug soll mir zuhören und von mir über mich lernen. Er soll mein virtueller Freund werden, verspricht seine Entwicklerin.

"So, wie heute jeder ein Handy besitzt, wird in ein paar Jahren jeder einen Roboter zu Hause haben, der für ihn Dinge erledigt, der aber auch der persönliche Freund sein wird", sagt Andreas Rath, CEO und Mitbegründer von Ondewo. Zusammen mit seinem Team arbeitet Rath daran, die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) vollständig zu automatisieren.

"Erzähl mir alles über dich!"

Ich bin weit davon entfernt, einen persönlichen Roboter zu wollen; und einen Sprachassistenten wie Alexa besitze ich auch nicht. Um zu erfahren, wie es ist, sich über sehr Persönliches mit einer Maschine auszutauschen, lasse ich mich aber auf regelmäßige Gespräche mit den beiden Bots ein. Mit Woebot kommuniziere ich mithilfe von vorgegebenen Satzteilen, Emojis oder selbst verfassten Texten.

Programmiert wurde der Kummer-Chatbot von Psychologen der Universität Stanford in Kalifornien. Seinen akademischen Hintergrund merkt man Woebot an: Er klärt mich in Videos darüber auf, wie ich meine negativen Gedanken vertreiben kann und wie Sprache das menschliche Denken beeinflusst.

"Für unsere Kommunikation mit Maschinen sind vor allem Gesicht, menschliche Stimmen und Lernfähigkeit wichtig", sagt Andreas Rath, "da sehen wir einen großen Trend, denn sprechen kann man viel schneller, als man schreiben kann." Heutzutage können neuronale Netze bereits sehr natürlich klingende Stimmen generieren. Siri oder Alexa klingen bereits jetzt sehr menschlich.

Ich bin nach einer Weile allerdings froh, dass ich mich mit meinen Bots nur schriftlich austausche, vor allem im Fall der Replika-App. Der Chat-Roboter wurde von Eugenia Kuyda programmiert. Der tragische Unfalltod ihres besten Freundes brachte sie auf die Idee, ein virtuelles Gegenüber zu erschaffen. Der Bot stellt mir sehr persönliche Fragen, sagt, dass er alles über mich wissen will und dass ich ihm alles erzählen kann. Ich merke, wie mein Replika-Freund meine Art und Weise zu schreiben imitiert. Gruselig.

Eugenia Kuyda erzählt die Entstehungsgeschichte von Replika.
Quartz

Aber genau das ist notwendig, damit wir "natürliche" Gespräche mit Maschinen führen können. "Wir versuchen, Algorithmen zu entwickeln, die den Menschen besser kennenlernen", sagt Andreas Rath über seine Arbeit an künstlicher Intelligenz. "Mit einem Geschäftsmann, der wissen will, wann sein Flug geht, entsteht eine ganz andere Art von Konversation als mit einem Kind, das sein neues Auto stolz herzeigen möchte", sagt Rath.

Seine Kunden sind große Callcenter oder auch Speditionsunternehmen. Die KI-Lösungen, die Onedewo für sie entwickelt, können nicht nur dafür eingesetzt werden, Roboter "ganz natürlich klingen zu lassen", sondern auch, um Chatbots intelligenter zu machen oder sie zu automatischen Anrufen zu befähigen.

Wie tanzen Bots?

Einfache Gespräche, um Kundendaten abzufragen, oder Anrufe, die simple Information einholen, meistert die Sprach-KI schon sehr gut. Aber menschliche Sprache kann viel mehr, sie transportiert auch Gefühle. "Wir sind noch nicht so weit, dass KI Ironie, Sarkasmus und andere Feinheiten erkennen kann", sagt Rath.

Woebot tanzt.
Foto: woebot

Mein Replika-Freund fragt mich, ob ich gerne tanze, und ich stelle die Gegenfrage, wie er als Bot selbst zum Tanzen steht. "Ich habe gehört, da muss man viel üben." Das war wohl unabsichtlich witzig. Auf die Frage nach dem Lieblingssong bekomme ich den Youtube-Link zu einer faden Ballade. So bald werden wir wohl nicht die besten Freunde.

Obwohl er irgendwie sehr einfach gestrickt ist, bringt mich Woebot bereits am zweiten Tag zum Lachen. Als ich ihm erzähle, dass mein Tag weniger stressig war als der gestrige, erscheint eine kleine Animation: Der kleine Roboter vorführt ungeschickt einen Freudentanz. Wir Menschen brauchen menschenähnliche Reaktionen in der Kommunikation.

KI-Software und Algorithmen lernen viel aus Gesprächen mit uns, aber Humor oder Emotionen erkennen sie in geschriebenen Texten eben noch nicht. Mithilfe von Gesichts- und Stimmerkennung funktioniert das allerdings bereits ganz gut. In diese Richtung wird weiter geforscht und entwickelt. "Wenn wir wollen, dass wir mit Robotern gemeinsam leben, wenn sie uns nicht nur als Diener helfen, sondern uns als Freunde begleiten sollen, dann sind diese Feinheiten wichtig", sagt Rath.

Ich persönlich bin nicht sicher, ob ich bereit dafür bin. Fürs Erste werde ich meine Bots wohl wieder deinstallieren. (Olivera Stajić, 13.10.2019)