In Sachen Klimakrise werden sich die Jungen sicher nicht mit dem "Selber schuld!"-Argument abspeisen lassen.

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Wir waren diese Woche zu einem Abendessen eingeladen (Danke an H. und T. für die großartige Paella und die Crème brulée), und früher als erwartet saß Greta Thunberg mit uns am Tisch. Eine Freundin, jedes Rechtsauslegertums unverdächtig, hatte sich über Thunbergs Rede vor der Uno geärgert und las zwischen Hauptgang und Dessert einen "offenen Brief" an die junge Schwedin vor.

Ich habe im Internet nachgesehen: "Offene Briefe" an Thunberg sind ein populäres Brief-Subgenre. Es gibt sie von ernsthaft besorgt über hämisch, idiotisch, pseudosatirisch bis hin zu fundamentalchristlich. Der, den wir hörten, wurde in der nicht eben FPÖ-fernen oberösterreichischen Postille Wochenblick publiziert und verbreitete sich dann im Internet, so wie sich eben alles im Internet verbreitet.

Die Kuh ist aus dem Stall

Der Brief bringt Kurzschlüsse der Anti-Thunberg-Liga klar auf den Punkt. Er beginnt mit einer scheinheiligen Anerkennung der Autorin für Thunbergs Engagement gegen die "vermeintliche, alles zerstörende Klimakrise". Zentral ist das Wort "vermeintlich", mit dem die Existenz der Krise en passant vom Tisch gewischt wird, ohne dass sich die Autorin bemüßigt fühlen würde zu erklären, worauf ihre Diagnose der "Vermeintlichkeit" fußt. Ist sie Statistikerin? Meteorologin? Hat sie eine riesige Metastudie verfasst, die überraschend falsifiziert, was 98 Prozent der seriösen Wissenschaft als zutreffend erkannt haben?

Es folgt eine weitschweifige Anklage, dass Thunberg ihre Altersgenossen aus der Verantwortung lasse, weil in Wahrheit diese wegen Handygebrauchs, Klamotten aus Pakistan etc. für die globale Krise verantwortlich seien: der öde Topos also, die Jungen ließen sich mit dem SUV zu den Fridays-for-Future-Demos kutschieren und hätten daher jedes Protestrecht verwirkt.

Wir hatten nach dem Verlesen des Briefes eine sehr kontroversielle, aber durchgehend zivilisierte Diskussion, von der ich hoffe, dass sie ein paar verfestigte Meinungen zum Tanzen gebracht hat. Eines ist gewiss: In Sachen Klimakrise werden sich die Jungen sicher nicht mit dem "Selber schuld!"-Argument abspeisen lassen und sich zur Überzeugung bekehren, dass die Polkappen nur vermeintlich abschmelzen. Es gilt die alte oberösterreichische Weisheit: Die Kuh ist aus dem Stall. Und dort wird sie auch keiner so bald mehr hineinbringen. (Christoph Winder, 13.10.2019)