Mit dem Gesetz sollen Großprojekte "im besonderen Interesse der Republik" schneller genehmigt werden.

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Brüssel/Wien – Heiß umfehdet, wild umstritten – was laut Hymne für Österreich gilt, gilt auch für so manches Herzstück von Türkis-Blau. Ziemlich heftig gerungen wurde in der letzten Legislaturperiode um die von Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ausgerufene Stärkung der Wirtschaft.

Neben dem Zwölfstundentag zählen der Versuch, die Wirtschaft in die Verfassung zu schreiben, sowie das Standortentwicklungsgesetz zu den wichtigsten Maßnahmen in diesem Bereich. Das 2018 beschlossene Standortgesetz hat jetzt ein Nachspiel: Die EU-Kommission hat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eingeleitet.

UVP-Beschleunigung umstritten

Zwar gab es vorerst keine genaueren Angaben, welche Punkte beanstandet werden, doch eines ist klar: Es geht um die angestrebte Verfahrensbeschleunigung bei der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) von Großprojekten. Diesen wird durch das Gesetz Vorrang eingeräumt.

Zack, zack, zack

Zwar musste Ex-Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) nach einer Protestwelle selbst aus der eigenen Regierung die ursprünglich geplante automatische Genehmigung eines Vorhabens, wenn das Verfahren länger als ein Jahr dauert, wieder abblasen. Doch blieben einige andere Beschränkungen für Beschwerdeführer.

Ex-Ministerin Schramböck war für das Standortentwicklungsgesetz zuständig.
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Zu ihnen zählt die Verpflichtung, Beweisanträge spätestens bei der mündlichen Verhandlung einzubringen. Neue Erkenntnisse, Gutachten oder Projektunterlagen können somit nicht mehr gewürdigt werden. Weitere Eckpunkte des neuen Gesetzes: Redezeitbeschränkung in der mündlichen Verhandlung; Strafen bei schuldhaft verspätet eingebrachten Vorbringen; Entscheidung durch das Verwaltungsgericht in der Sache anstatt Zurückverweisung an die Vorinstanz. Welche dieser Punkte zu den von der EU-Kommission angesprochenen "mehreren problematischen Aspekten" zählen, wusste auch das Ministerium am Freitag nicht.

Flughafen als Auslöser

Einer der Auslöser des österreichischen Gesetzes war die dritte Piste am Wiener Flughafen. Betreiber und Industrie kritisierten das jahrzehntelange Verfahren massiv. Derartige Großvorhaben – darunter Straßen-, Schienen- und Kraftwerksprojekte – sollen auf eine Liste kommen, für die dann besonders rasche Verfahren angestrebt werden.

Forderung nach Zurücknahme

Der WWF Österreich forderte am Freitag eine umgehende Zurücknahme des Standortentwicklungsgesetzes. "Die Bundesregierung muss das Standortgesetz möglichst rasch zurücknehmen, bevor es in der Praxis Schaden an Natur und Umwelt anrichten kann", so Hanna Simons vom WWF: "Zentrale Bestimmungen sind sowohl verfassungsrechtlich höchst problematisch als auch unions- und völkerrechtlich sehr bedenklich. Umweltstandards und Beteiligungsrechte dürfen nicht ausgehebelt werden, um kritische Großprojekte durchboxen zu können."

Auch Dänemark, Schweden, Griechenland, Luxemburg, Portugal, Slowenien, die Slowakei und Kroatien wurden von der EU-Kommission "nachdrücklich" dazu aufgefordert, ihr innerstaatliches Recht mit der Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP-Richtlinie 2011/92/EU) in Einklang zu bringen. (Andreas Schnauder, 11.10.2019)