Nachhaltig veranlagtes Geld kann in der Wirtschaft einiges bewegen.
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Während die Themen Klima, Umwelt und Nachhaltigkeit in Politik und Öffentlichkeit erst seit kurzem eine größere Breitenwirkung erzielen, spielen solche Kriterien in der Veranlagungsbranche schon wesentlich länger eine Rolle. Wobei alles recht simpel begann: Zunächst wurden einfach Branchen oder Tätigkeiten mit offensichtlich schädlichen Nebenwirkungen wie die Waffenindustrie oder Kinderarbeit aus dem Investmentuniversum gestrichen – wer will sich damit schon die Anlegerhände schmutzig machen.

Wolfgang Pinner beschäftigt sich seit Anfang dieses Jahrtausends mit Corporate Social Responsibility, wie Nachhaltigkeit in der Finanzwelt auch bezeichnet wird. "Damals habe ich noch Probleme gehabt, an Daten und Literatur zu kommen", erinnert sich Pinner, der diesen Bereich heute bei der Raiffeisen-Fondstochter verantwortet und Vize-Vorstandschef des Forums Nachhaltige Geldanlagen ist, an die Anfänge der "Idee eines positiven Kapitalismus". Als nachhaltiger Investor wolle man grundsätzlich eine doppelte Dividende einstreifen: den Finanzertrag sowie einen "positiven Impact", also eine Veränderung der Geschäftsmodelle hin zu nachhaltigerem Wirtschaften.

Messbare Fortschritte

Die Rendite von Anlagen war immer schon leicht zu messen, heute kann man aufgrund der inzwischen reichlich vorhandenen Daten auch den Impact in Zahlen fassen – etwa die Entwicklung des CO2-Ausstoßes, des Wasserverbrauchs oder des Müllaufkommens von Unternehmen. Dazu versucht die Finanzindustrie auch ihr Scherflein beizutragen, indem sie die Firmenlenker von den Vorteilen von Nachhaltigkeit zu überzeugen. In der Praxis korreliert das Veränderungspotenzial auch mit der Größe der Unternehmen, berichtet Pinner: Bei kleineren Organisationen könne man leichter mit neuen Ideen durchdringen.

Das hat dem Nachhaltigkeitsexperten zufolge aber auch einen Vorteil: Small Caps, wie kleinere Firmen im Börsensprech genannt werden, entwickeln sich generell auf lange Sicht zumeist besser als schwerfällige Großkonzerne, die sogenannten Large Caps. Aber nicht nur deshalb ist Pinner davon überzeugt, dass nachhaltige Investments von der Performance, also dem Finanzerfolg, her attraktiver sind, indem Investoren gewisse Risiken ausschließen oder minimieren. Gerade im Umweltbereich können Risiken richtig ins Geld gehen, wie der drastische Fall der 2010 von BP verursachten Ölpest nach der Havarie der Ölplattform Deepwater Horizon zeigte. Der Ölkonzern bezifferte die Gesamtkosten des Unfalls sechs Jahre später auf 62 Milliarden Dollar.

Blödheiten auslassen

"Man versucht, bei den ganz großen Blödheiten der Unternehmen nicht dabei zu sein", bricht es Pinner auf eine einfache Formel herunter, "und das funktioniert eigentlich ganz gut." Man bekomme ein besseres Risikoverständnis und versuche langfristige Entwicklungen zu antizipieren.

Jedenfalls fließt in Österreich immer mehr Kapital in nachhaltige Anlageprodukte. Von 2012 bis 2018 hat das jährliche Wachstum Pinner zufolge durchschnittlich 27 Prozent betragen. Von den derzeit 21,8 Milliarden nachhaltig veranlagten Euro entfalle ein Fünftel auf Privatanleger, der Rest auf institutionelles Kapital, das hauptsächlich von Pensions- und Vorsorgekassen stamme.

Eine davon ist die heimische VBV Vorsorgekasse, laut eigenem Bekunden Vorreiter bei nachhaltiger betrieblicher Vorsorge in Österreich. Die Vorsorgekasse ist eines von rund 1400 Mitgliedern der Finanzinitiative PRI (Principles for Responsible Investment) der Vereinten Nationen – und ist zuletzt von dieser Organisation in den Kreis jener Investmentfirmen berufen worden, die am nachhaltigsten investieren. VBV-Chef Andreas Zakostelsky verweist darauf, dass sein Haus den CO2-Fußabdruck pro investierte Million Euro binnen dreier Jahre um fast 23 Prozent verringert habe. Das ist nur etwas mehr als ein Drittel jenes Werts, den der Weltaktienindex MSCI World aufweist.

Druck des Geldes

PRI-Mitglieder sind dazu verpflichtet, durch Gespräche mit Unternehmen nachhaltiges Wirtschaften voranzutreiben. "Die Industrie bewegt sich dann, wenn sie den Druck des großen Geldes spürt", sagt Zakostelsky unter Verweis auf jene 59 Billionen US-Dollar, welche die PRI-Mitglieder in Summe global veranlagen.

Obwohl auch in Österreich nachhaltiges Investieren wächst, besteht noch Luft nach oben, geht aus einer Umfrage der Bank Austria hervor: Ihr zufolge wissen bloß 27 Prozent der erwachsenen Österreicher mit dem Begriff "nachhaltige Veranlagung" etwas anzufangen. Davon stufen wiederum nur zwei Drittel diese Form des Investierens als interessant ein. (Alexander Hahn, 14.10.2019)