Johannes Krisch dringt als Weinberl anfangs beherzt ein in die Welt der (vermeintlich) Reichen und Schönen: Bald schon muss er sich seiner Haut als Junggeselle erwehren.

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In "Einen Jux will er sich machen" stellt Johann Nestroy einem ganz gewöhnlichen Ladendiener das höchste Glück auf Erden in Aussicht. Weinberl darf auf der Erfolgsleiter die Sprosse der Buchhaltung überspringen. Er soll unverzüglich zum Teilhaber ("Associé") des Gewürzkrämers Zangler avancieren. Und weil das Wiener Josefstadt-Theater in Gestalt von Johannes Krisch einen herrlich Zerrissenen in sein Ensemble aufgenommen hat, ist die erstmalige Erscheinung Weinberls für den Zuschauer ein reiner Glücksfall.

Krisch schiebt die Wände des Saftladens, eines Setzkastens aus Gewürzkrämerfächern (Bühne: Sophie Lux), mit Aplomb auseinander. Er handhabt den Besen wie Fred Astaire das Stöckchen. Er kommt, Nestroy sei Dank, vom allgemeinen Handel und Wandel auf Erden auf die Besonderheiten der Ökonomie zu sprechen.

Ehe dieser Gipfelstürmer aber den "Chimborasso seiner Wünsche" auch wirklich bestiegen hat, gönnt er sich eine mehrtägige Auszeit. Weinberl schlägt sich gemeinsam mit seinem Lehrbuben Christopherl (Julian Valerio Rehrl) in die Büsche der Großstadt. Er möchte, bevor er endgültig seriös wird, das süße Leben begierig aufsaugen.

Erziehung des Herzens

Bis hierhin und nicht weiter folgt Regisseur Stephan Müller Nestroys Vorschlägen. Ab nun begegnet er Nestroys Erziehung eines einsamen, malträtierten Herzens beschwichtigend.

Man gewahrt flackernde Bilder aus der Zeit der Belle Époque. Die Modeläden der Stadt gleichen prunkvollen Freuden häusern. Ihre Inhaberinnen (Martina Stilp, Alexandra Krismer) tragen Röcke, die sich bei Betätigung dünner Schnüre ihrerseits wie Vorhangtücher heben. Das Lächeln dieser Monstren in Frauengestalt lässt auf ungeahnte Appetite schließen. Ein Buchhalter mit Chapeau claque kommt als gefundenes Fressen für erotische Hyänen wie gerufen.

Die ätzende Schärfe Nestroys ist da schon längst beim Teufel. Das Karussell dreht sich immer langsamer. Keine Sekunde lang lässt die Aufführung daran denken, dass Weinberl für die Dauer eines Albtraums um die Integrität eines Lebens als Junggeselle zappelt. Er gibt den Frischverheirateten – und ist doch nur der geschundene Knecht, dessen Wert einzig und allein an seiner Kaufkraft gemessen wird.

Ein Laden voller Nippes

Müller aber geht in Nestroys Wien herum wie in einem Porzellanladen voller Nippes. Er steckt das herzzerreißend einsame Fräulein von Blumenblatt (Elfriede Schüsseleder) in ein Robert-Wilson-Kostüm. Er sperrt die Abenteurer des Vormärz in eine Plüschzelle, wie sie allenfalls in einer Offenbach-Operette am Platz wäre. Alles so schön bunt hier!

Plötzlich ist der Jux ein einziger, langatmiger, kaum zweistündiger Witz, der nicht zündet. "Mussje" Weinberls Verzweiflung ist mit Händen zu greifen. Rasch werden noch die Couplettexte von Autor Thomas Arzt abgenickt. Rasch ist das Einvernehmen hergestellt. Rechte Hand in die Höh’? "Ganz a blöde Idee!"

Und so möchte man wenigstens den Hausknecht Melchior des Martin Zauner loben, der über jede Anomalie des Lebens auszusagen weiß: "Dös is’ klassisch!" Dabei gießt dieser Agent der faulen Widersetzlichkeit seine Mieselsucht wie Glücksstaub über der Szene aus. Klassisch? Eine klasse Aufführung hätte vollauf gereicht. Die Zustimmung war heftig. (Ronald Pohl, 11.10.2019)