Egal, ob man Bettware oder ein Schnitzel möchte, der Knopf ist derselbe. Der verglaste Aufzug fährt langsam durch die offene Halle in der Mitte des Möbelhauses. Vierter Stock: Baby, Jugendzimmer, Schlafzimmer, Kinderland.

Nicht weit entfernt von den Matratzen, den Kinderwägen und den Spielwaren tragen Kellnerinnen große Teller mit Essen aus der Küche: Cevapcici, das Tagesmenü oder das Schnitzel mit Pommes, wahlweise Ketchup oder Preiselbeere dazu, eine Frittatensuppe vornweg – der Klassiker hier.

Ein Hauptgericht kostet zwischen sieben und zwölf Euro, mit Gutschein geht es schon um vier Euro.
Foto: Heribert Corn

Das Restaurant der XXXLutz-Filiale im 15. Bezirk ist ein schnörkelloser Ort. Einfache Holztische mit Marmorfolie für knapp 120 Gäste reihen sich aneinander, zu mittäglichen Stoßzeiten ist jeder davon besetzt. Vor den Fenstern baut sich ein grauer Klotz namens Wiener Stadthalle auf, Plastikblumen sorgen für ein wenig Farbe.

Das Möbelhausrestaurant ist eine Gastronomiesparte, die nicht den allerbesten Ruf genießt. Foodies würden sich hier nicht hinverirren. Es schwingt immer ein bisschen der Vorwurf der Großküche mit, die günstige Speisen in rauen Mengen anbietet. Was ja alles grundsätzlich auch stimmt.

Aber das ist noch längst nicht alles. Mancher erwartet sich im vierten Stock eines Möbelhauses traurige Menschen, die sich nicht mehr leisten können und schweigend vor ihren Tellern sitzen. Der perfekte Ort für eine dieser Sozialreportagen, wo sich im Idealfall die große, graue Wirklichkeit im Kleinen verdichtet. Wäre das hier das Spiegel-Gesellschaftsressort, man könnte den Redaktionsauftrag ("Wir brauchen einen einsamen alten Mann, dessen Frau und Tochter von einem Seeungeheuer gefressen wurden und der jetzt jeden Tag außer Haus essen muss und einsam in der Ecke sitzt") direkt vor sich sehen.

Das Restaurant der XXXLutz-Filiale in der Hütteldorfer Straße im 15. Wiener Gemeindebezirk.
Foto: Heribert Corn

Das Schöne ist, dass die Realität – wie so oft – sehr viel unspektakulärer ist. In den Restaurants der Möbelhausketten treffen einander tatsächlich weitgehend Menschen, die ihr Erwerbsleben bereits hinter sich haben. An vielen Tagen ist man der einzige Unter-50-Gast. Aber es sind hauptsächlich Ehepaare und Freundesgruppen, die den Ausflug sichtlich genießen.

Auf mindestens jedem zweiten Tisch stehen schon mittags die kleinen Biere, so wie es in der Pension auch sein sollte. Fährt man ein paar Wochen lang mit dem verglasten Aufzug in den vierten Stock des Möbelhauses und setzt sich an einen dieser Holztische, dann nimmt man das Restaurant zunehmend als sozialen Ort wahr. Ein wenig wie ein Dorfgasthaus, nur eben nicht im Dorf und nicht so schummrig wie in den Heimatfilmen.

Ein wenig Community

Wie in diesen Gasthäusern – oder in der verklärten Erinnerung an diese – gilt auch hier: Man kennt sich. "Es sind fast alles Stammgäste hier", sagt die freundliche Kellnerin, die schon "fast 20 Jahre" hier arbeitet. Bei der Verabschiedung lässt sie manchen Gästen "Schöne Grüße nach Hause" ausrichten, sie merkt, wenn jemand an einem Tag fehlt. Auch sonst stellt man sich gerne auf die Bedürfnisse der Gäste ein. Neben der Kassa liegen zwei Rollen Alufolie bereit, um die Reste einzupacken.

Manch einer bringt sich aber auch seine eigene Alufolie mit. Für gewöhnlich herrscht hier eher eine gemütliche Stimmung. Es sei denn, die Hälfte des Grillteams ist plötzlich krank, dann ist die Hölle los, und alles dauert länger als gewohnt ("Bestellen Sie lieber was Gebackenes, wenn Sie es eilig haben").

Es ist eine kleine, feine Community, die sich da jeden Mittag an der Hütteldorfer Straße zusammensetzt. Man gehört schnell dazu oder glaubt es zumindest. Nach ein paar Tagen wissen die freundlichen Kellnerinnen, was man trinkt ("Ein Pepsi Max?"). Man erkennt dann auch die wenigen Leute, die hier zufällig beim Möbeleinkauf reingestolpert sind, auf den ersten Blick. Die sind nur geduldet, gehören aber nicht dazu, sagt einem das Community-Denken, das längst bei einem selbst eingesetzt hat.

Das Essen ist günstig, die Portionen sind groß, vor allem aber: Man kennt sich.
Foto: Heribert Corn

Für manche Gäste erfüllt so ein Restaurant tatsächlich einen praktischen Wert. Sie erzählen das Beispiel von dem 90-Jährigen, der in der Nähe wohnte und sich nach dem Tod seiner Frau dreimal die Woche Essen abholte. Aber für viele andere ist es einfach ein liebgewonnener, regelmäßiger Termin. So wie für Helmut und Erika Buchtar, die gerne an der Bar sitzen und ein bisschen mit dem Personal schäkern. Seit etwa fünf Jahren sind die beiden jeden Dienstag und Donnerstag hier. Im früheren Leben war er Tapezierer, sie hat sich um die drei Kinder gekümmert. Die sind längst aus dem Haus, Enkelkinder gibt es eine ganze Bande. "Es ist ein Ritual geworden", sagt Erika Buchtar. Das Personal sei freundlich, das Essen gut, die Umgebung gefalle ihnen. Die Buchtars sind in ihren späten 60ern und fit, niemand muss für sie kochen. Sie kommen einfach gern raus.

Ein Hauch von 68 im Möbelhaus

Die meisten der Stammgäste sind Profis. Sie kommen mit Gutscheinen, die sie aus den regelmäßigen XXXLutz-Prospekten herausgetrennt haben und die das Essen noch günstiger machen. Man kann Menschen beobachten, wie sie die Gutscheine tauschen wie sonst nur mittelalte Männer Panini-Sticker im Vorfeld eines internationalen Fußballturniers. Bewegen sich die Preise für ein Hauptgericht normalerweise zwischen sieben und zwölf Euro, kommen sie mit einem Gutschein den vier Euro nahe. Ein Ort, um ans Tierwohl zu denken, ist das hier eher nicht, selbst wenn mittlerweile vegetarische Alternativen angeboten werden.

Helmut und Erika Buchtar essen seit fünf Jahren zweimal in der Woche hier.
Foto: Heribert Corn

Das Mittagsrestaurant als Ort der sozialen Zusammentreffens, das hat eine gewisse Tradition, sogar aus ungewohnter Richtung. Es waren die 68er, die der Kantine nicht nur praktische, sondern auch politische Bedeutung zusprachen. Die Bewegung hatte die Küche als Hort bürgerlicher Reaktion ausgemacht, den Rückzug ins Private als konterrevolutionäre Aktion. Man ging in die öffentliche Kantine und speiste dort unter Menschen, die man weitgehend nicht kannte, gewissermaßen als politischer Akt.

Die meisten Gäste des Möbelhaus-Restaurants an der Hütteldorfer Straße wären vermutlich wenig begeistert, würde man ihnen revolutionäre Gedanken unterstellen. Überhaupt ist auch in den Wochen vor der Wahl Politik kaum ein Thema an den Mittagstischen. Hier sitzt eine Bevölkerungsgruppe, die Beständigkeit schätzt, vor den Wahlen hauptsächlich als Empfänger von "Wahlzuckerln" medial vorkommt und nach der Wahl, weil sie noch immer zu drei Vierteln die große Koalition wählt.

Die Möbelhauskantine ist kein trauriger Ort, auch kein besonders lustiger. Es ist ein leicht banaler Ort, der seine Schönheit eben dadurch gewinnt, dass er so normal ist.

Wie an jedem sozialen Ort berührt man, wenn man hier Zeit verbringt, immer wieder kurz die Leben der anderen. Am fünften Tag kann man am anderen Ende des Tisches einen Ehestreit erleben, am sechsten bespricht eine Mutter mit ihrer circa 18-jährigen Tochter die Einrichtung der ersten Wohnung, am siebenten schimpft jemand laut über das Finanzamt, am achten schiebt eine osteuropäische Tagespflegerin eine ältere Dame im Rollstuhl an einen der Tische. Die beiden bestellen nicht nur ein Hauptgericht, sondern auch noch ein Stück Torte hinterher. Und jetzt sind wir doch bei der Verdichtung des Lebens auf dem gefliesten Boden zwischen Aufbewahrungszubehör fürs Kinderzimmer und Salatbuffet.

Banale Schönheit

Das Restaurant im vierten Stock der XXXLutz-Filiale auf der Hütteldorfer Straße ist kein trauriger Ort. Hier sitzen keine einsamen Männer, deren Familien von Seeungeheuern gefressen wurden. Es ist auch kein besonders lustiger Ort. Die Wahrheit ist einfacher und deshalb auch ein bisschen toll: Es ist ein leicht banaler Ort, der seine Schönheit eben dadurch gewinnt, dass er so normal ist.

Die meisten Gäste kommen regelmäßig zum Mittagstisch.
Foto: Heribert Corn

So normal wie die Forstners, ein Ehepaar Mitte 70, das seit ein paar Jahren ungefähr zweimal im Monat kommt. Karl Forstner war früher "im Vermessungswesen tätig", ist viel herumgefahren und kann viel über die Gastronomie erzählen. In Lokalen mit vielen Fernfahrern seien die Portionen groß, aber bei wenigen Stammkunden sei Vorsicht geboten, da hätten die Betreiber grundsätzlich weniger zu verlieren. Margarete Forstner sitzt lächelnd daneben und wirft gelegentlich etwas ins Gespräch ein. Ansonsten zupft sie ihrem Mann Fusseln vom T-Shirt. Vermutlich soll er ordentlich ausschauen, wenn die Zeitung schon mal da ist. Er bekommt das Hühner-Cordon-bleu, sie die Entenkeule, wie immer im Herbst.

Menschen wie die Forstners sind der Grund, warum Restaurants wie das hier funktionieren. Die meisten Menschen sind eben keine Foodies, sondern freuen sich, rauszukommen und zu geringen Preisen ordentliches Essen zu konsumieren. Am besten noch in einer gewohnten Umgebung, wo man freundlich behandelt wird und ein überschaubares Risiko eingeht. "Wir haben hier noch nie negative Erfahrungen gemacht", sagt Karl Forstner.

So einfach ist das. Und das ist irgendwie beruhigend. (Jonas Vogt, 13.10.2019)