Die von den Bundesländern finanzierten Heime bieten Kindern, die nicht bei ihren Eltern leben können, ein neues Zuhause. In Niederösterreich wird die Finanzierung nun auf neue Beine gestellt.

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Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ) beteuert: Sparen ist nicht das Ziel der Reform.

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Es muss schon einiges passieren, damit der Staat die vollständige Obhut bei Kindern übernimmt. Verwahrlosung oder Gewalt zu Hause etwa. Das Land Niederösterreich darf dem Gesetz nach Kinder nur dann ihren Eltern abnehmen, wenn ihr Wohl gefährdet ist – und es keine anderen Mittel gibt als die "volle Erziehung" außer Haus.

Der heikle Bereich wird in dem Bundesland ab 2020 umfassend neu organisiert. Die zuständige Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ) will damit mehr Transparenz und eine Qualitätssteigerung erreichen – Betroffene fürchten allerdings Einsparungen und das Ende von intensiver Betreuung für besonders schwierige Fälle.

Einheitlicher Tagsatz

Denn ab 2020 sollen in einem zweijährigen Prozess die Tagsätze für die Kinder- und Jugendhilfe vereinheitlicht werden. Die Tagsätze sind die wichtigste Finanzierungsquelle sowohl für die neun Jugendheime des Landes als auch für die von privaten Vereinen getragenen Heime. Aktuell erhalten die Organisationen in der Regel zwischen 156 und 384 Euro pro Tag und Kind für Unterkunft, Verpflegung, Rund-um-die-Uhr-Betreuung und Therapie sowie Verwaltungskosten – je nach Bedarf. Für besonders schwierige Fälle gibt es oft auch deutlich mehr Geld, um Kinder und Jugendliche auf die richtige Bahn zu bringen.

Dem Vernehmen nach soll für sie alle der künftige Tagsatz bei rund 180 Euro liegen. Königsberger-Ludwig wollte auf STANDARD-Anfrage keine Zahlen nennen. Die Reform wird am Dienstag präsentiert, bis dahin will sie den Betroffenen nichts über die Medien ausrichten.

Eine Sozialpädagogin (Name der Redaktion bekannt) kontaktierte zuvor den STANDARD: Sie fürchtet, dass wichtige Maßnahmen bei besonders schwierigen Fällen bald nicht mehr finanzierbar sind. Denn Heime mit einem intensiven Angebot für Härtefälle sind auf hohe Tagsätze angewiesen – etwa zur Finanzierung von engmaschiger Elternarbeit, häufiger Psychotherapiesitzungen oder freizeitpädagogischer Ausflüge, "damit die Kinder lernen, dass es auch etwas Schönes gibt im Leben".

Neue Durchmischung

Königsberger-Ludwigs Reform sieht eine völlig neue Organisation in den "sozialpädagogischen Betreuungszentren" vor. Aktuell wird vor allem zwischen (günstigen) sozialpädagogischen und (teuren) sozialtherapeutischen Wohngruppen unterschieden. Künftig werden bis zu neun Minderjährige in einer "sozialinklusiven Wohngruppe" betreut, wie dem STANDARD vorliegende Unterlagen zeigen.

Im Wesentlichen sieht das Modell vor, dass Kinder mit mehr Betreuungsbedarf und solche mit weniger Bedarf in einer Gruppe zusammengefasst werden. Das führe dazu, "dass die sozial schwächsten, häufig wegen Verwahrlosung fremduntergebrachten Kinder mit solchen zusammenleben werden, die Gewalt und Missbrauch ausgesetzt waren", warnt die niederösterreichische Sozialpädagogin. Sie fürchtet, dass etliche Kinder dadurch im Heim "ihre ersten Gewalterfahrungen machen".

Eine "große Herausforderung"

Königsberger-Ludwig beteuert, dass das neue Modell "nicht in erster Linie das Ziel hat, Geld einzusparen". Für 2020 sei "kein Cent weniger budgetiert" als bisher – ob das Gleiche für die Zeit nach der Übergangsphase ab 2023 gilt, konnte die Politikerin nicht sagen. Sie sei jedenfalls niemand, der "jetzt die großen Sparmaßnahmen durchdrückt", das Geld sei in diesem Bereich bestens investiert.

Ihr gehe es darum, "den Fokus auf das Kind zu legen", sagt Königsberger-Ludwig. Künftig gebe es einen einheitlichen Tagsatz und "Sondermodule" bei Bedarf: "Es gibt auch in Zukunft für besondere Kinder besondere Betreuungsformen." Die "sozialinklusiven" Gruppen würden von allen Experten befürwortet – auch wenn sie zweifelsohne "eine große Herausforderung" darstellten.

Ob einzelne Einrichtungen durch die harmonisierten Tagsätze mit weniger Geld auskommen müssen, wollte die Landesrätin nicht bekanntgeben. Aber: "Dass es für manche eine große Umstellung sein wird: keine Frage." (Sebastian Fellner, 12.10.2019)