Grüne müssen sich für Wahlfahrt im Zug rechtfertigen: Rauch (links), Wiesflecker und Kogler.

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Bregenz – Sprechstunde oder Wahlwerbung? Eine Zugfahrt bewegt die Gemüter in Vorarlberg. Grünen-Chef Johannes Rauch ist in der Landesregierung für Mobilitätsfragen zuständig. Derweil der Ausbau von Bus und Bahn eines der erklärten Ziele der Grünen ist, machte er immer wieder öffentliche Sprechstunden im Regionalzug.

Die letzte Sprechstunde dieser Legislaturperiode, zwei Tage vor der Landtagswahl, führte zum Streit zwischen den schwarz-grünen Regierungspartner. Denn nicht Sprechstunde, sondern Wahlwerbung war das Ziel der Fahrt. Und Parteiwerbung ist in Zügen der ÖBB nicht erlaubt.

Freitag von Mittag bis Mitternacht sollte der grüne Zug zwischen Bregenz und Bludenz unterwegs sein. "Zwei Tage vor der Landtagswahl machen wir Vorarlberger Grüne uns im wahrsten Sinn des Wortes noch einmal auf Wahlkampftour: Wir sind am Freitag, 11. Oktober, einen Tag lang im Regionalzug zwischen Bregenz und Bludenz unterwegs. Unsere Kandidat*innen suchen hier das Gespräch mit der Bevölkerung und präsentieren noch einmal unser Zukunftsprogramm", hieß es in der Einladung. Angekündigt wurden als Mitreisende neben Rauch und Co auch Werner Kogler und die beiden neuen Abgeordneten Leonore Gewessler und Sigi Maurer.

Hat Rauch die ÖBB getäuscht?

Warum konnten die Grünen den Zug von den ÖBB mieten, obwohl Wahlwerbung an Bahnhöfen und in Zügen eigentlich nicht erlaubt wird? Bestellt wurde der zusätzliche Wagen aus dem Büro des Landesrates zum Zweck einer öffentlichen Sprechstunde, heißt es dazu von der ÖBB. Von Wahlwerbung sei bei der Bestellung nicht die Rede gewesen, man hätte dazu auch keinen Zug vermietet, sagt ÖBB-Regionalsprecher Christoph Gasser-Mair.

Man habe eh auf das Verteilen von Prospektmaterial verzichtet, beschwichtigen die Grünen. "Jeder, der eine gültige Fahrkarte hat, darf mit dem Zug fahren, auch ein Werner Kogler", sagte Johannes Rauch, auf die Anwesenheit des Grünen-Chefs angesprochen.

Der Regierungspartner reagiert harsch: "Offenkundig hat Johannes Rauch die ÖBB bewusst getäuscht, indem er seine Funktion als Landesrat zur Organisation eines Wahlkampfauftrittes in den Zügen der ÖBB genützt hat", kritisiert VP-Klubobmann Roland Frühstück. Die Erklärungsversuche der Grünen seien inakzeptabel, sagt Frühstück: "Die Partei, die Ehrlichkeit und Transparenz plakatiert, nimmt die eigenen Slogans im Wahlkampffinale nicht mehr ganz so ernst."

Wer bezahlt nun die Wahl-Sprechstunde? Er selbst, aus der eigenen Tasche, verspricht Rauch. Wie viel die Zugfahrt von Mittag bis Mitternacht kostet, wollten weder ÖBB noch Grüne sagen. Insider sprechen von mehreren Tausend Euro. Rauch-Sprecher Hannes Metzler: "Nächste Woche kommt die Rechnung, dann wissen wir mehr."

Alle wollen mitregieren

Sollte die Volkspartei nach der Wahl am Sonntag wieder einen Partner brauchen, fehlt es nicht an Bewerbungen. Grüne, Neos, SPÖ sind bereit. Am Freitag machte auch die FPÖ eine Rolle rückwärts, will nun doch mitregieren, wenn sie Wallner nicht mehr länger ausschließe, sagt FP-Chef Christof Bitschi.

Gemeinsames Ziel der vier Parteien ist es, die absolute Mehrheit der VP zu verhindern. Die wäre dank sechs fast chancenloser Kleinparteien, die am Sonntag kandidieren, schon mit weniger als 47 Prozent zu erreichen.

Die Ausgangslage: VP 41,8 Prozent (16 Mandate), FPÖ 23,4 (neun Sitze), Grüne 17,1 (sechs Sitze), SPÖ 8,8 (drei Sitze), Neos 6,9 (zwei Mandate). (Jutta Berger, 11.10.2019)