Eine Turteltaube in voller Pracht.
Foto: APA/BIRDLIFE/HANS-MARTIN BERG

Wien – Die Organisation BirdLife Österreich hat eine Angehörige der Taubenfamilie zum Vogel des Jahres 2020 gekürt. Kotabkratzende Großstadtbewohner, die auf das Wort Taube allergisch reagieren, können aber beruhigt sein: Es geht nicht um die omnipräsente Stadttaube, sondern um die erheblich seltenere Turteltaube (Streptopelia turtur).

Die Spezies im Porträt

Turteltauben sind nicht nur kleiner und leichter gebaut als Stadttauben. Man erkennt sie an ihrem großteils rostbraunen Gefieder, das mit dunklen Flecken gesprenkelt ist. Am Hals haben sie schwarze Querbinden auf weißem Grund, der Schwanz ist blauschwarz. Es ist eine von vier natürlicherweise in Mitteleuropa heimischen Taubenarten (neben Türkentaube, Ringeltaube und Hohltaube). Die Stadttauben hingegen sind die längst verwilderten Nachfahren domestizierter Felsentauben aus dem Mittelmeerraum.

Turteltauben sind die einzigen Langstreckenzugvögel unter den Taubenarten Mitteleuropas. Sie verlassen zwischen Ende Juli und Anfang Oktober Europa, um in der Sahelzone zu überwintern, und kehren ab Ende April wieder in ihre europäischen Brutgebiete zurück.

Schrumpfender Bestand

BirdLife bezeichnet die Turteltaube als "Österreichs Sorgenvogel". Früher habe man das markante Gurren des Tieres an jedem Dorfrand oder Flussufer gehört, doch strukturreiche Wald- und Feldränder als Lebensraum seien selten geworden. Aktuell brüten hierzulande nur noch rund 10.000 Brutpaare, um rund zwei Drittel weniger als noch 1998.

In den meisten europäischen Ländern ist der Bestand seit den 1970er-Jahren rückläufig. In Europa werden nur noch rund 4,2 Millionen Paare zur Brutzeit gezählt, das ist um 79 Prozent weniger als noch vor 20 Jahren. "In den letzten Jahrzehnten haben wir zwei Drittel der Brutpaare verloren, ganze Landstriche sind turteltaubenfrei", so Gabor Wichmann, Geschäftsführer von BirdLife Österreich.

Bedrohungsfaktoren

Die Art sei "ein Symbol für den Verlust an Artenvielfalt". Laut Wichmann ist "die Industrialisierung der Landwirtschaft der größte Gefährdungsfaktor für die Turteltaube". Durch die Ausweitung von Anbauflächen gehen Brachen, Ackersäume, Feldgehölze und Kleingewässer verloren und damit Nistplätze sowie Nahrungs- und Trinkmöglichkeiten.

Wegen ihres Zugverhaltens droht der Turteltaube zudem Gefahr durch Bejagung, was laut EU-Vogelschutzrichtlinie in zehn EU-Staaten erlaubt ist. Jährlich kommen laut BirdLife bis zu 2,2 Millionen Turteltauben in der EU legal zu Tode, auch in Österreich. "Die Jagd auf Turteltauben bei uns und unseren Nachbarn muss völlig verboten werden, nach den Regeln der Vogelschutzrichtlinie ist die Jagd auf sie angesichts der tristen Bestandssituation nicht angemessen", so Wichmann. (red, APA, 12. 10. 2019)