Frankreich unter Präsident Emmanuel Macron hat sich in den vergangenen Jahren zum größten Gegner der Erweiterung in Südosteuropa entwickelt.

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Die französische Regierung legte vor dem Rat der Außenminister kommenden Dienstag ein Veto gegen den Beginn von Beitrittsverhandlungen für Nordmazedonien und Albanien ein, obwohl die beiden Staaten alle Bedingungen erfüllt haben und im regionalen Vergleich geradezu als Modell für Reformbemühungen gelten.

Frankreich unter Präsident Emmanuel Macron hat sich in den vergangenen Jahren zum größten Gegner der Erweiterung in Südosteuropa entwickelt und droht damit die Politik der EU-Kommission zu untergraben. Bisher galt: Wer Fortschritte macht, darf auch mit einem nächsten Schritt Richtung EU rechnen. Dieses Prinzip wird nun von Paris ausgehebelt.

Spannungen zwischen Frankreich und EU

Aus Diplomatenkreisen ist zu hören, dass das Veto Frankreichs damit zu tun haben könnte, dass die französische EU-Kommissionskandidatin Sylvie Goulard nicht akzeptiert wurde. Dies hatte jedenfalls zu Spannungen zwischen der künftigen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Macron geführt. Von der Leyen steht zudem vor der schwierigen Situation, dass unklar ist, wer nach dem Sturz der Regierung in Bukarest für Rumänien in die EU-Kommission entsandt werden soll. Möglicherweise wird es noch zu Umschichtungen bei den Portfolios kommen.

Eigentlich sollten Nordmazedonien und Albanien bereits seit 2018 verhandeln, doch Frankreich und die Niederlande verzögerten den Prozess. Nun fordern die beiden EU-Staaten im Gegensatz zu den restlichen 26 EU-Staaten, dass zunächst eine neue Methodik in der Erweiterungspolitik eingeführt werden soll, erst dann sollen Skopje und Tirana grünes Licht bekommen. Die Einführung einer neuen Methodik könnte allerdings Jahre dauern.

Prozess rückgängig machen

Außerdem wollen Frankreich und die Niederlande, dass es möglich werden soll, den Beitrittsprozess rückgängig zu machen. Sie verlangen zudem weitere Reformen von Albanien und Nordmazedonien und anerkennen damit die Leistungen, die die Regierungen in Tirana und in Skopje bereits erbracht haben, gar nicht an. Frankreich kann wegen des Prinzips der Einstimmigkeit jeden weiteren Schritt verhindern.

Die Erweiterung liegt seit Jahren auf Eis. Die Reformpolitik in Nordmazedonien hat aber zuletzt wieder Hoffnung gemacht. Das Signal für die Region ist dementsprechend verheerend, denn nun wird der gesamte Beitrittsprozess infrage gestellt.

Stillstand auf Rat-Ebene

Wegen der unterschiedlichen Ansichten in den EU-Staaten wird der Außenministerrat am Dienstag vielleicht gar keine Schlussfolgerungen bezüglich der Verhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien ziehen. Dann könnte die Causa an die Staats- und Regierungschefs weitergereicht werden.

Die finnische Ratspräsidentschaft und der EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn setzen sich dafür ein, dass Nordmazedonien und Albanien, die beide große Fortschritte bei der Einführung von Rechtsstaatlichkeit gemacht haben, trotzdem noch eine Chance bekommen. Denn ansonsten drohen die Anreize für alle Staaten auf dem Westbalkan, sich um Reformen zu bemühen, völlig verlorenzugehen.

"Unverantwortlicher Akt"

Der deutsche Bundestagsabgeordnete der Grünen, Manuel Sarrazin, appellierte am Freitag an die europapolitische Verantwortung von Macron: "Die derzeitige Blockadepolitik von Präsident Macron ist ein höchst unverantwortlicher Akt und eines europäischen Miteinanders unwürdig. Nordmazedonien und Albanien haben wichtige Reformfortschritte erzielt. Im Gegenzug hat die EU den Ländern die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen versprochen. Wenn Präsident Macron dieses Versprechen nun brechen sollte, riskiert er nicht nur die Glaubwürdigkeit der EU. Er riskiert auch die Stabilität und den Frieden in der Region", so Sarrazin.

Die Reform des EU-Beitrittsprozesses sei kein Widerspruch zur Aufnahme der EU-Beitrittsverhandlungen, beides könnte parallel vonstatten gehen, argumentierte Sarrazin. Macron hatte dies zuletzt auch bei seinem Besuch in Belgrad im Juli eingeräumt. Nun hat er seine Position offensichtlich wieder verändert. Der französische Staatschef hat die Sorge, dass das Thema Erweiterung Rechtspopulisten in Frankreich stärken könne. (Adelheid Wölfl, 11.10.2019)