Das Radio-Symphonieorchester Wien

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Gut, dass es das RSO gibt – und das seit einem halben Jahrhundert, mittlerweile. Beinahe heimlich, still und leise feierte das ORF Radio-Symphonieorchester Wien, so der offizielle Name, Ende September seinen Fünfziger. Okay, es gab einen Ö1 Klassik-Treffpunkt live aus dem Großen Sendesaal in der Argentinierstraße. Aber da hätte man ruhig ein bisschen lauter auf die Pauke hauen dürfen.

Während sich die anderen Wiener Klangkörper obsessiv mit den Herren Beethoven, Brahms und Bruckner beschäftigten, waren für das RSO in der Programmgestaltung auch die klassische Moderne und die noch gegenwartsnähere Musik seit jeher zentral. In 1850 verschiedenen Konzertprogrammen brachte man im Lauf der letzten 50 Jahre 257 Uraufführungen zu Gehör, 168 Werke österreichischer Komponistinnen und Komponisten wurden gespielt.

Dirigentinnen und Dirigenten des RSO Wien

Bild nicht mehr verfügbar.

Jakub Hrůša
Foto: Joachim Adrian/AP

Frauenfreundlich ist der vielseitige Klangkörper zudem noch: In der ersten Saison von Marin Alsop als Chefdirigentin wird die Orchesterleitung auch abseits der US-Amerikanerin vermehrt in weibliche Hände gelegt. Bei der überwiegenden Mehrheit der Abonnementkonzerte des Orchesters im Wiener Konzerthaus kann man in dieser Saison Frauen am Dirigierpodium erleben.

Den ersten Auftritt des RSO im Musikverein leitete mit Jakub Hrůša aber eindeutig ein Mann: Mit den Dynamo-Qualitäten eines Yannick Nézet-Séguin lud der Tscheche am Donnerstagabend etwa das Finale von Witold Lutosławskis Konzert für Orchester (1954) mit Hochspannung auf und ließ es so zum Ereignis werden. Schon im virtuosen Mittelsatz, dem Capriccio notturno, hatte das RSO mit seiner spielerischen Leichtigkeit beeindruckt. Dieses komplexe, herausfordernde Werk muss man erst einmal mit solch einer Selbstverständlichkeit hinbekommen: Chapeau.

Jungstars der Klassik

Emmanuel Tjeknavorian hatte zu Beginn des Konzerts als Solist von Schostakowitschs erstem Violinkonzert trotz technischer Makellosigkeit noch Wünsche offen gelassen. Wie festgeschraubt stand der junge Wiener am Podium und fabrizierte starre, ausgefräste, eindimensionale Emotionsschablonen in Serie – die vom Publikum allerdings bejubelt wurden.

Violinist Emmanuel Tjeknavorian
Foto: Thomas Jantzen/APA/ORF

Ungleich musikantischer, freier und vielfältiger im Ausdruck agierte danach Fanny Vicens als Solistin der Uraufführung von Bernd Richard Deutschs "Phaenomena". Dessen vierteilige "Musik für Akkordeon und Orchester" unterhielt mit Effektsicherheit und einem stilistischen wie auch stimmungsmäßigen Abwechslungsreichtum, der neben Latin-Rhythmen auch kurze Streichersentimentalitäten à la Korngold zuließ. In Summe ließ der beeindruckende Konzertabend nur einen Schluss zu: Das RSO Wien gehört gehört, und zwar live im Konzertsaal und noch mindestens 50 weitere Jahre lang. (Stefan Ender, 11.10.2019)