Man stelle sich folgende Szene vor. Eine junge Frau führt eine Gruppe von Unternehmerinnen durch ein ehemaliges Fabriksgebäude, das, mit modernen, nachhaltig produzierten und schicken Arbeitsplätzen ausstaffiert, ein "Start-up-Innovation-Hub" darstellt – nur arbeiten dort leider sehr wenige andere junge Frauen. Ist ein bisschen peinlich. Zumindest die Mitarbeiterin des "Talent Garden"-Start-up-Hub schien dieser Umstand unangenehm zu berühren, als sie in der vergangenen Woche einer Delegation von 55 österreichischen Unternehmerinnen das Gebäude in Ostiense in Rom, eigentlich der Stolz der römischen Start-up-Szene, zeigte. Die Peinlichkeit war unbegründet – die Frauen aus Austria wissen: Viel besser ist es nördlich der Alpen auch nicht.

Martha Schultz, Vizepräsidentin der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) und Vorsitzende von "Frau in der Wirtschaft", welche die Delegationsreise der Unternehmerinnen nach Rom organisiert hatte, weiß, warum es einen eklatanten Frauenmangel in der Start-up-Szene gibt. Dass das Studium der Mint-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) bei Frauen immer noch eher die Ausnahme darstellt, ist dabei nur eine Erklärung. Die andere lautet: Für Frauen ist es oft schwierig, Startkredite von Banken zu bekommen.

120.000 Unternehmerinnen

Das Problem ist nicht auf die Start-up-Szene beschränkt. "Viele Gründerinnen, aber auch Gründer haben mit diesem Problem zu kämpfen", sagt Schultz zum STANDARD. Das betrifft vor allem kleine und mittlere Betriebsgründungen mit wenig Eigenkapital. Weil aber ein hoher Anteil dieser kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs) weiblich geführt wird, ist es am Ende eben doch ein eklatantes Problem vor allem für Unternehmerinnen. Auch in Italien ist die Finanzierungsfrage eines der Hauptthemen: "Das ist schwierig für uns", erzählt auch die Mitarbeiterin von Talent Garden in Rom.

Logisch ist das nicht, denn Frauen sind im Wirtschaftsleben der EU-Staaten längst keine Exotinnen mehr. 120.000 Unternehmerinnen gibt es in Österreich, bereits jedes dritte Unternehmen wird von einer Frau geleitet. Die Zahl der Gründerinnen stieg im Vorjahr gar auf ein Rekordhoch von 45,3 Prozent – trotz struktureller Nachteile, wie etwa immer noch fehlender (passender) Kinderbetreuung.

Für Junge ist es anfangs schwierig, Kredite zu bekommen. Da müssen wir mehr tun.
Martha Schultz, WKO-Vizechefin
Foto: WKO / Inge Prader

Für WKO-Vize Schultz heißt das, dass man die beiden Enden der komplizierten Geschichte "Wie kommt die Frau zum Geld?" zusammenfügen müsse – einerseits durch intensive Gespräche mit Bankenvertretern darüber, Gründerinnen (und auch Gründern) mehr Kreditfähigkeit zuzutrauen.

Andererseits müsse aber auch der Staat das Jungunternehmerinnentum stärker stützen – vor allem durch steuerliche Maßnahmen, sagt Schultz. Die Liste ihrer Forderungen: Lohn- und Einkommensteuer müssten gesenkt, der Basisgewinnfreibetrag von derzeit 30.000 auf 100.000 Euro erhöht werden. Gleichzeitig sollten Körperschaftssteuer und Lohnnebenkosten gesenkt und wieder Investitionsfreibeträge eingeführt werden.

Büros wieder absetzbar machen

Wichtig ist Schultz und den "Frauen in der Wirtschaft" noch ein weiterer Punkt. Für Büros, die sich in der Wohnung befinden, müsse es wieder eine steuerliche Begünstigung geben. Schultz: "Momentan akzeptiert das Finanzamt das nur, wenn es getrennte Eingänge für Wohnung und Büro gibt. Zeigen Sie mir eine normale Wohnung, wo das zutrifft." Besonders für Ein-Personen-Firmen ist diese strikte Regelung ein Problem. 150.000 Unterschriften haben die WKO-Frauen, gemeinsam mit der Jungen Wirtschaft, gesammelt, um eine Gesetzesänderung zu forcieren.

In Rom machten sich die 55 österreichischen Unternehmerinnen (übrigens aus allen neun Bundesländern) nicht nur in der Start-up-Szene kundig, auch Betriebsbesuche beim Nobelmodehaus Fendi und beim Keksfabrikanten Gentillini standen auf dem Programm – sowie eine Teilnahme an der Jahresversammlung der Europäischen Wirtschaftskammern, dem European Economic Forum, bei der Ex-WKO-Chef Christoph Leitl als Präsident wiedergewählt wurde. Leitl zeigte sich erfreut über die weibliche Verstärkung aus Österreich in dem ansonsten eher männlich dominierten Gremium. WKO-Frauenchefin Martha Schultz: "Das sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein."

(Petra Stuiber, 13.10.2019)