Einander länger beäugen – und in "Gatekeeper" entsteht dann Erotik.

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Verrätselt ist in Lawrence Tooleys Gatekeeper bereits das erste Bild. Eine Frau zerrt einen bewusstlosen Mann über den Fußboden ihres schicken Wiener Innenstadt-Lofts. Sie heißt Elly (Loretta Pflaum), arbeitet als Galeristin und durchstreift nächtens mit Pagenschnitt-Perücke im Auto die Stadt. Er ist ein junger Rumäne ohne Papiere, den sie angefahren hat. Warum sie ihn mitnimmt, erfahren wir nicht – ganz selbstlos handelt sie jedenfalls nicht. Mysteriös bleibt auch der Hintergrund des Mannes, der abwechselnd von zwei Darstellern (Anghel Damian, George Pistereanu) verkörpert wird.

Schon diese Irritationen machen deutlich, dass Tooley – der gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Pflaum auch das Drehbuch verantwortete – eher kein Sozialdrama anpeilt. Statt Zuschreibungen nach außen zu kehren (der Flüchtende und die Wohlsituierte), belässt der Film beide Figuren erfrischend opak. Der Fremde schläft viel untertags, Haushaltsdienste werden ihm von Elly untersagt ("I don’t like domestic!"). Die Kunstexpertin zieht den ästhetischen Blick auf ihren Untermieter vor und genießt seine Gegenwart in etwa so wie die Präsenz eines Haustiers.

Verräumlichte Gefühle

In der Nacht zeichnet sie jedoch seine im Schlaf gemurmelten Monologe auf. Ist er vielleicht doch das traumatisierte Opfer von Human Trafficking, wie Ellys Ex-Freund vermutet? Der Film geht solchen Spekulationen zum Glück nur beiläufig nach. Es sind ausschließlich Personen aus der Außenwelt, welche die beiden festzulegen versuchen. In Ellys Loft profitieren dagegen beide Seiten voneinander: Als der Mann ihren Blick zu erwidern beginnt, mischt sich auch Erotik ins Spiel.

Die aufgeräumt-vernügliche Art, in der Tooley Gefühlszustände verräumlicht, erinnert eher an asiatisches Kino. Körperlagen und Kameraperspektiven erzählen mindestens ebenso viel wie Dialoge. Gatekeeper, der nun nur kurze Zeit im Metro-Kino läuft, demonstriert damit sehr schön, dass man jemand anderen nur sehen kann, wenn man Irritationen zulässt. (Dominik Kamalzadeh, 11.10.2019)