Rudy Giuliani ist der persönliche Anwalt von US-Präsident Donald Trump.

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Die österreichische Hauptstadt Wien rückt zunehmend ins Zentrum eines Skandals, der sich in den USA als Seitenast der Ukraine-Affäre entwickelt. Bereits am Mittwochabend waren zwei Vertraute des persönlichen Anwalts von US-Präsident Donald Trump, Rudy Giuliani, in den USA verhaftet worden. Lev Parnas und Igor Fruman wurden festgenommen, als sie am Washingtoner Flughafen Dulles ein Flugzeug in Richtung Frankfurt besteigen wollten.

US-Medien berichten aber übereinstimmend, dass ihr eigentliches Ziel Wien gewesen sei. Die zwei Männer hatten demnach ein One-Way-Ticket nach Österreich gebucht. Wie das US-Magazin "The Atlantic" nun mit Verweis auf ein Gespräch mit Giuliani meldet, soll auch dieser selbst geplant haben, am Donnerstagabend in die österreichische Hauptstadt zu fliegen.

Welchen Anlass Giuliani für seine Reisepläne gehabt haben könnte, geht aus den Berichten nicht hervor. Auf Nachfrage des "Atlantic" antwortete Giuliani nur via SMS. Er könne "derzeit zu dieser Frage keine Stellung nehmen". Auch aus welchem Grund Parnas und Fruman nach Wien wollten, ist unklar. Giuliani wird im "Wall Street Journal" mit den Worten zitiert, die beiden hätten Österreich in den vergangenen zwei Monaten "drei bis sechs Mal" besucht. Der Grund sei geschäftlich gewesen.

Den beiden Verhafteten wird vorgeworfen, gegen US-amerikanische Gesetze zur Wahlkampffinanzierung verstoßen zu haben. Konkret heißt es in der Anklageschrift, sie würden verdächtigt, US-amerikanische Wahlen und Wahlkämpfe im Sinne "zumindest eines ukrainischen Politikers" beeinflusst zu haben.

Für die Wiederwahl Trumps

Demnach hätten sie über eine Firma Gelder in Höhe mehrerer Hunderttausend US-Dollar an Kampagnen von Republikanern weitergeleitet, deren wahre Herkunft angeblich verschleiert werden sollte. Besonderer Nutznießer sei ein sogenanntes "Super PAC", also ein Unterstützungskomitee, gewesen, das sich für die Wiederwahl Trumps 2020 einsetzt.

US-Medien spekulieren auch über eine mögliche Verbindung zum ukrainischen Oligarchen Dmitri Firtasch, der 2014 in Wien festgenommen worden ist. Ihm wird in den USA Korruption vorgeworfen. Laut mehreren US-Medien hatten die beiden Anwältinnen Victoria Toensing und Joseph diGenova zuletzt für ihn gearbeitet. Diese hatten vor einigen Monaten auch als Kandidaten für die Rechtsvertretung Trumps gegolten. Parnas soll laut "Wall Street Journal" als Übersetzer für das Anwaltsteam gearbeitet haben. Die Anwaltskanzlei erklärte, die für Mittwoch geplante Reise von Parnas hätte auf jeden Fall nichts mit Firtasch zu tun gehabt.

Firtasch-Anwalt: "Ich weiß es nicht"

Ein Sprecher von Firtasch weiß ebenso nichts von einer Verbindung zu Giuliani wie dessen Anwalt Dieter Böhmdorfer. Dieser sagt, vom STANDARD zu einer Connection befragt: "Ich weiß es nicht. Aus unserer anwaltlichen Pflicht heraus werden wir natürlich nachforschen, ob hinter diesen Vorgängen etwas steckt, das unsere Causa berührt."

Indessen wurde bekannt, dass die US-Justiz gegen Giuliani ermittelt, wie die "New York Times" berichtet. Trumps Anwalt soll Lobbyisten-Gesetze im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise gebrochen haben, zitiert das Medium zwei Personen, die mit den Ermittlungen vertraut sind. Giuliani soll versucht haben, die US-Botschafterin in Kiew, Marie L. Yovanovitch, zu schwächen. Sie war im Frühling abgezogen worden – im Zusammenhang mit Trumps Vorgehensweise, die Ukraine unter Druck zu setzen, um gegen Joe Bidens Sohn zu ermitteln. Sie selbst sagte, dass sie von ihrem Posten abgezogen worden sei, weil "gegenstandslose und falsche Behauptungen" gegen sie aufgestellt worden waren. Laut Medienberichten war sie mit der Strategie Trumps und Giulianis nicht einvestanden, möglicherweise kompromittierendes Material über den demokratischen Präsidentschaftsbewerber Biden und dessen früher für ein ukrainisches Gasunternehmen tätigen Sohn zu besorgen.

Trump verteidigte Giuliani am Samstag auf Twitter als "legendären Verbrechensbekämpfer" und "wunderbaren Anwalt", nachdem bekannt wurde, dass die Staatsanwaltschaft untersuchen will, ob Giuliani bei seinen Geschäften in der Ukraine gegen Lobbyisten-Gesetze verstoßen hat.

Die beiden Männer, Parnas und Fruman, spielen auch im Ukraine-Skandal um Präsident Trump eine Rolle. Sie stellten Giuliani schon 2018 zwei ehemaligen ukrainischen Generalstaatsanwälten vor. Diese, Wiktor Schokin und Juri Luzenko, sollen sich mit dem Trump-Anwalt über Ermittlungen gegen die Gasfirma Burisma ausgetauscht haben. Dabei ging es auch um Hunter Biden, den Sohn des möglichen demokratischen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden. US-Präsident Donald Trump forderte ja im Juli 2019 in einem Telefongespräch mit dem ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj Ermittlungen gegen die Bidens. Weil er zuvor die US-Militärhilfe für Kiew einstellen ließ, steht der Verdacht im Raum, er habe die Ukraine mit staatlichen Mitteln unter Druck gesetzt, um so persönliche Vorteile für seine Wahlkampagne zu erhalten.

Fotos mit Unbekannten

Zu Parnas und Fruman gibt es in dieser Causa einen weiteren Zusammenhang. Wie es in der Anklageschrift heißt, sollen die beiden an einen US-Abgeordneten Gelder gespendet haben, der später an einer Kampagne zur Absetzung der US-Botschafterin in Kiew, Marie Yovanovitch, beteiligt gewesen sei. Tatsächlich entlassen wurde die Diplomatin dann – offenbar auf Betreiben Donald Trumps – Anfang Mai 2019.

Trump selbst gab am Donnerstag an, die zwei Männer nicht zu kennen. Allerdings gibt es Fotos mit Parnas, Fruman und ihm. (Manuel Escher, Andreas Schnauder, red, 12.10.2019)