Die Klimakrise hat im heurigen Sommer im Weinviertel tiefe Spuren hinterlassen. Die Ausrufung des Klimanotstands war eine Folge.

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Die von Greta Thunberg begründete Fridays-for-Future-Bewegung hat auch in Österreichs Politik ein klimapolitisches Umdenken bewirkt. So hat der Nationalrat mit einer Entschließung vom 25. 9. 2019 die Bundesregierung dazu aufgefordert, den "Climate-Emergency" (Klimanotstand) zu erklären.

Darin wird unter anderem verlangt, die Eindämmung der Klima- und Umweltkrise als zentrale Aufgabe anzuerkennen, die Emissionen ehestmöglich über die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens hinaus zu reduzieren und bei zukünftigen Entscheidungen die Auswirkungen auf das Klima und den Klimaschutz zu berücksichtigen. Dem Klimaschutz wurde durch den Nationalrat oberste Priorität eingeräumt.

Bereits beim Verfahren zur dritten Piste des Wiener Flughafens hatte das Thema Klimaschutz an juristischer Brisanz gewonnen und beinahe zur Verhinderung des Projekts geführt, zumal das Bundesverwaltungsgericht eine Interessenabwägung durchgeführt und – kurz gefasst – die öffentlichen Interessen bezüglich des Klimaschutzes höher bewertet hat als ein wirtschaftliches Interesse am Bau der zusätzlichen Piste.

Dieser Ansicht wurde vom Verfassungsgerichtshofs insbesondere mit dem Verweis darauf, dass Klimaschutz als öffentliches Interesse im anzuwendenden Materienrecht nicht verankert sei, eine Absage erteilt.

Bis dahin hatte das Thema Klimaschutz im Rahmen von Projektgenehmigungsverfahren nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Der Klimanotstand könnte nun dazu führen, dass dem Thema in den behördlichen und verwaltungsgerichtlichen Verfahren aufgrund verfahrensrechtlicher Aspekte ein erhöhter Stellenwert zukommt und sich für gewisse "klimafreundliche" Projekte sogar beschleunigend auswirkt.

Denn bei Projektgenehmigungsverfahren von Windkraftanlagen, Wasserkraftwerken, Schieneninfrastruktur etc. ist in der Regel mit Beschwerden von Projektgegnern zu rechnen, die eine rasche Verwirklichung des Projekts verhindern. Im Gegensatz zu Verfahren vor dem Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof ist bei Verfahren vor den Verwaltungsgerichten eine aufschiebende Wirkung gesetzlich vorgesehen. Das bedeutet, dass eine Verwirklichung des Projekts bis zur Entscheidung des Gerichts über die Beschwerde nicht weiterbetrieben werden kann.

Interessenabwägung

Grundsätzlich ist gesetzlich zwar vorgesehen, dass sowohl die Behörde, die ein Vorhaben genehmigt, als auch im Beschwerdeverfahren das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung ausschließen können – dies allerdings nur, wenn nach einer Interessenabwägung die berührten öffentlichen Interessen und/oder Interessen anderer Parteien gegenüber den Interessen der Beschwerdeführer überwiegen und der Vollzug der Genehmigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.

Voraussetzung für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung ist daher eine nachvollziehbare Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und der Interessen der Verfahrensparteien. Aus ihr muss sich ebenso nachvollziehbar ergeben, dass ohne Aufschiebung gravierende Nachteile für das öffentliche Wohl eintreten würden.

Gerade bei dieser Interessenabwägung könnten nun Klimaschutzinteressen zum entscheidenden Faktor werden. Sowohl das öffentliche Interesse als auch das öffentliche Wohl sind dehnbare Begriffe, die auch gesellschaftspolitischen Wandlungen unterworfen sind, weshalb sie auch durch die Änderung umweltpolitischer Zielvorstellungen mitbeeinflusst werden können.

Ausschluss der Aufschiebung

Mit dem Verweis auf den Klimanotstand könnte somit argumentiert werden, dass die Verhinderung der sofortigen Umsetzung eines klimafreundlichen Projektes – z. B. der Ausbau von erneuerbarer Energie oder dem öffentlichen Verkehr – einen gravierenden Nachteil für das öffentliche Wohl mit sich bringt und eine frühzeitige Verwirklichung im Lichte des Klimaschutzes im öffentlichen Interesse liegt.

Damit ließe sich der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung rechtfertigen. Nehmen die Behörden und Verwaltungsgerichte den Nationalrat beim Wort und räumen tatsächlich dem Klimaschutz oberste Priorität ein, müsste nahezu jede Interessenabwägung bei solchen Projekten zugunsten des Klimaschutzes ausgehen – und zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung führen. Zahlreiche Projekte könnten trotz eingebrachter Beschwerden schneller verwirklicht werden.

Letzten Endes hängt es freilich von den Behörden und den Richtern ab, welche Gewichtung sie vornehmen; die jüngsten Entwicklungen könnten allerdings Klimaaspekte in den genannten Verfahrensfragen stark in den Vordergrund rücken. (Clemens Gabriel, Josef Peer, 14.10.2019)