Der Ausgang der neuen Episode des langen Krieges in Syrien, in der derzeit ein zuvor relativ sicheres, relativ gut verwaltetes Gebiet im Norden in eine Hölle verwandelt wird, ist noch nicht abzusehen. Aber diese Woche beginnt gut für einen der Akteure, den mächtigsten und zweifellos gerissensten in diesem bösen Spiel: Russlands Präsident Wladimir Putin kann zufrieden sein. Der Meldung vom definitiven Abzug der US-Truppen – bisher hatten sie sich nur umgruppiert – folgte am Sonntag jene, dass sich die Armee des von Russland unterstützten Assad-Regimes Richtung Nordsyrien bewegt. Und zwar nach Absprache mit den kurdisch geführten "Syrischen Demokratischen Kräften" (SDF), die von der Türkei und ihren syrischen Hilfsmilizen angegriffen werden.

Ayn al-Arus, nahe der türkisch-syrischen Grenze.
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Das heißt: Jene militärischen Einheiten, die die USA für den Kampf gegen den "Islamischen Staat" aufgebaut haben, wenden sich an Damaskus um Hilfe. Dort sitzt Bashar al-Assad, den die USA im fernen Sommer 2011 zum Rücktritt aufforderten und dessen zweitwichtigster Verbündeter der Iran ist, der sich in den vergangenen Jahren zum Entsetzen Israels in Syrien ordentlich breitgemacht hat.

Aus Damaskus kam gerade noch ein Statement, in dem die SDF wegen ihrer Zusammenarbeit mit den USA als "Verräter" bezeichnet wurden. Dennoch war es stets ein mögliches Szenario, dass sich die SDF als Folge des von den USA zugelassenen türkischen Angriffs dem Assad-Regime annähern könnten. Die linken PYD-Kurden, die das Gebiet verwalteten, haben bereits Erfahrung mit der Koexistenz mit Assad: Sie haben sich dem islamistisch geprägten Aufstand gegen Assad nie ganz angeschlossen, und dieser ließ sie in Ruhe. Was nun passiert, ist also keine ganz große Überraschung. Erstaunlich ist, wie schnell es geht.

Großer Bruder Putin

Assads Armee rückt nun also nach Kobane vor und nach Manbij, das zwar außerhalb der von den Türken angestrebten "Sicherheitszone" liegt, aber von großer strategischer Bedeutung ist. Die türkische Invasion erlaubt Assad etwas, was er nicht so schnell zu erreichen hoffen konnte: die Wiedergewinnung der Kontrolle über Gebiete in Nordsyrien. Nicht über alles, aber es ist ein schöner Beginn.

Und da kommt der große Bruder Putin ins Spiel. Russland war bereit, ein begrenztes türkisches Syrien-Abenteuer zu dulden: Auch Moskau brachte wiederholt das für tot gehaltene Adana-Abkommen von 1998 zur Sprache, das Ankara als eine der Rechtsgrundlagen für die "Verfolgung von Terroristen" zitiert. Als solche deklariert die Türkei ja ihre Militäroperation gegen die PYD/YPG-Kurden.

Die Türkei, die Putin für sein Syrien-Diplomatieformat "Astana" braucht, bekommt etwas. Aber das Assad-Regime bekommt auch etwas. Und die "türkische Gefahr" beschleunigt zudem die Reintegration Syriens in die Arabische Liga. Kompliment, Herr Putin. Gefährlich würde es allerdings, wenn sich Putins türkischer Amtskollege Tayyip Erdogan nicht an die russischen Vorstellungen hält und keineswegs vor der syrischen Armee haltmacht. (Gudrun Harrer, 14.10.2019)