Das Lohn- und Sozialdumpinggesetz (LSD-BG) hat der Europäische Gerichtshof schon seit einiger Zeit im Visier. Schließlich werden darin diverse Regeln kodifiziert, die anlässlich der EU-Osterweiterung eingeführt wurden, um den inländischen Markt vor ausländischer Niedriglohnkonkurrenz zu schützen.

Der härteste Schlag gegen das LSD-BG kam im September, als der EuGH in der Rechtssache Maksimovic die Regeln über die Strafbemessung bei Verletzungen des Gesetzes für unionsrechtswidrig erklärte.

In der Causa ging es um Millionenstrafen für Manager des Andritz-Konzerns, weil sie die LSD-BG-Verpflichtung zur Bereithaltung der Lohnunterlagen für grenzüberschreitend hereinüberlassene Arbeitnehmer verletzt hatten. Seither fragen sich viele, ob das Urteil das LSD-BG nachhaltig schwächt oder gar das Ende des berüchtigten Kumulationsprinzips im Verwaltungsstrafrecht einleitet.

Worum geht es? Im LSD-BG wurde die Geltung der inländischen Kollektivvertragsentgelte auf alle in Österreich tätigen Arbeitnehmer ausgedehnt, auch auf die vom Ausland entsendeten oder grenzüberschreitend überlassenen.

Die Sanktionen des LSD-BG sind drakonisch. Es drohen Mindeststrafen in der Höhe von 1000, 2000 oder 4000 Euro pro betroffenem Arbeitnehmer.
Illustration: Davor Markovic

Zweitens gelten bei grenzüberschreitenden Personaleinsätzen strenge Formalpflichten, damit die inländischen Behörden die Einhaltung der Entgeltregeln prüfen können, vor allem zur vorherigen Anmeldung und zur Bereithaltung von Lohnunterlagen.

Und drittens wurde die Nichteinhaltung sowohl der Entgelt- wie auch der Formalregeln unter hohe Verwaltungsstrafen gestellt. Aus unionsrechtlichen Gründen wurde die Strafdrohung bei grenzüberschreitenden Causen auch auf rein inländische Sachverhalte der Unterentlohnung erstreckt.

Eine Revolution: Seither sind Behörden für die Ahndung von Unterentlohnung zuständig.

Dabei ist das LSD-BG sozialpartnerschaftlich zustande gekommen. Die Wirtschaftsseite hatte zugestimmt, vor allem, weil ein Teil der Unternehmen unter der "Billig"-Konkurrenz aus den östlichen Nachbarländern leidet, insbesondere im Baubereich.

Drakonische Strafen

Die Sanktionen des LSD-BG sind drakonisch. Es drohen – je nach Konstellation – Mindeststrafen in der Höhe von 1000, 2000 oder 4000 Euro nach dem Kumulationsprinzip, also pro betroffenem Arbeitnehmer. Diese Strafen treffen im Entsendungsfall den ausländischen Arbeitgeber.

Geht es aber um eine Überlassung ins Inland, wird das inländische Unternehmen in die Pflicht genommen. "Überlassung" wird dabei extrem weit definiert: Klar greifen Behörden lieber auf inländische als auf ausländische Unternehmen zu – wobei die Effizienz des Strafenregimes ohnehin fraglich ist.

Der EuGH bemängelt nun gerade diese Rigidität des Strafenregimes, die voll beabsichtigt ist: Die pro Arbeitnehmer kumulierenden Mindeststrafen ohne Gesamthöchststrafe, verbunden mit einem 20-prozentigen Verfahrenskostenzuschlag und der Umwandlung in eine Ersatzfreiheitsstrafe bei Nichteinbringlichkeit, sei nicht angemessen und daher eine unzulässige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit.

Schon zuvor hatte der EuGH das Gesetz in zwei Punkten geschwächt: Der Versuch des LSD-BG, viele Entsendungen in Überlassungen umzuwidmen und so inländische Leistungsempfänger stärker in die Pflicht zu nehmen, hat der unionsrechtlichen Prüfung genauso wenig standgehalten wie der gesetzliche Ansatz, den österreichischen Behörden den Zugriff auf das Entgelt, das der ausländische Dienstleister vom inländischen Auftraggeber erhält, zu ermöglichen, damit die Behörde potenzielle Strafen gegen das ausländische Unternehmen abdecken kann.

Ungeliebtes Kumulationsprinzip

Mit dem Infragestellen des Kumulationsprinzips im grenzüberschreitenden Sachverhalt sticht der EuGH in ein österreichisches Wespennest. Nach diesem Prinzip des Verwaltungsstrafrechts wird jede einzelne Übertretung separat bestraft, sodass die Strafen kumulieren; im gerichtlichen Strafrecht wird nur eine Strafe verhängt.

Die klassischen Anwendungen sind Arbeitszeitrecht und LSD-BG: Die Strafe ergeht jeweils pro Arbeitnehmer, und das kann in Großunternehmen zu sehr hohen Geldstrafen für Geschäftsleiter führen.

Wenn der EuGH nun beim LSD-BG das Kumulationsprinzip, das der Verfassungsgerichtshof zuletzt als grundrechtskonform bezeichnet hat, für unangemessen hält, dann freut das vor allem die Wirtschaft, die dagegen seit Jahren Sturm läuft. Die türkis-blaue Koalition hatte die Abschaffung zwar angekündigt, dann aber nicht durchgezogen. Eine generelle Absage an das Kumulationsprinzip ergibt sich aus der EuGH-Entscheidung allerdings nicht.

Was die EuGH-Entscheidung bedeutet

Deren Folgen sind jedenfalls komplex:

  • Welche Strafen nun im Bereich des LSD-BG bei den Formaldelikten verhängt werden dürfen, weiß keiner, solange das LSD-BG nicht repariert ist. Nutznießer sind die ausländischen Entsender von niedrig bezahlten Arbeitnehmern auf den österreichischen Markt und deren inländische Leistungsempfänger.
  • Ob die EuGH-Bedenken auch die Bestrafung der Unterentlohnung betreffen, ist offen.
  • Wenn der EuGH auch die LSD-BG-Strafen bei grenzüberschreitender Unterentlohnung mindert, ist Feuer am Dach: Anlass für die Einführung der Bestrafung der Unterentlohnung war ja das Ziel, die grenzüberschreitenden Fälle zu treffen. Wenn der reine Inlandssachverhalt nun strenger bestraft wird als der grenzüberschreitende, dann wird die Sache aus Sicht der Wirtschaft paradox: Das ist nicht die Regelung, der sie einst sozialpartnerschaftlich zugestimmt hatte.

Vielleicht geht die Entwicklung aber ohnehin stärker in genau diese Richtung: Vieles spricht dafür, dass der EuGH die Strafbarkeit der Unterentlohnung bei grenzüberschreitendem Einsatz gänzlich kippen kann, weil für den ausländischen Arbeitgeber nicht hinreichend klar ist, welcher der anzuwendende Kollektivvertrag ist; es gibt in Österreich mehr als 800.

Ein handlungsfähiger Gesetzgeber könnte das selbstverständlich sanieren, auch weil die bestehende rechtliche Unsicherheit hauptsächlich den billigen ausländischen Dienstleistern nützt.

Das LSD-BG war immer problematisch. Bei den grenzüberschreitenden Aspekten läuft es Gefahr, in seiner Effizienz zu implodieren. Dann bleibt vor allem die aggressive Strafbarkeit der Unterentlohnung bei Inlandssachverhalten über: eine klassische Inlandsdiskriminierung. (Stefan Köck, Wirtschaft & Recht Journal, 17.10.2019)

Foto: Frank Helmrich

Stefan Köck ist Partner der Wirtschaftskanzlei Greindl & Köck und Professor für Arbeitsrecht an der Universität Wien.