Der Duden weist "sondieren" als bildungssprachlichen Terminus für "vorsichtiges Erkunden und Erforschen" aus – "um die Möglichkeiten zur Durchführung eines bestimmten Vorhabens abschätzen zu können".

Ab Donnerstag wird hierzulande wieder sondiert – eine mittlerweile fast zwanzigjährige Tradition, bevor es ernst wird und Koalitionsverhandlungen mit einer Partei aufgenommen werden.

Konkret lädt Nationalratswahlsieger und ÖVP-Chef Sebastian Kurz ab Donnerstag die SPÖ, ab Freitag auch Grüne und Neos ins Winterpalais in der Wiener Innenstadt – nur die FPÖ verzichtet vorläufig auf derartige Gespräche, weil sie sich nach ihrem Wahldebakel angeblich auf die Opposition vorbereiten will.

Klima und Stil gefragt

Im Detail werden für jede Sondierungsrunde "zwei bis drei Stunden" budgetiert, heißt es aus der ÖVP, und: Dabei sollen vor allem "das Klima und der politische Stil" nach den aufgeheizten Wahlkampfzeiten zur Sprache kommen. Nachsatz: Insbesondere mit Rot gebe es da "einige Baustellen", nach dem Misstrauensantrag gegen Kurz & Co und den aus türkiser Sicht glücklosen Jahren von Rot-Schwarz .

Das sechsköpfige ÖVP-Team ist schon aufgestellt: Neben Ex-Kanzler Kurz selbst sitzen den anderen Parteispitzen drei Ex-Minister sowie der ÖVP-Klubchef und Kurz' engster Berater gegenüber. DER STANDARD hat die türkisen Player vorab einer Stärken-Schwächen-Analyse unterzogen.


SEBASTIAN KURZ

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Karriere: Als Jus-Student geriet Kurz auf Abwege, heuerte bald bei der Jungen ÖVP an. Seitdem ging es steil bergauf, aber auch bergab: Integrationsstaatssekretär, Außenminister, ÖVP-Chef, jüngster Regierungschef weltweit – doch seit dem Frühsommer ist er auch jüngster Altkanzler der Zweiten Republik.

Stärke: Betont oft und gern, "das Volk" hinter sich zu haben. Mit 29. September ist es amtlich, dass seiner ÖVP immerhin 37, 5 Prozent ihre Stimme gegeben haben.

Schwäche: Inhaltlich gilt der 33-jährige Chefsondierer nicht gerade als detailverliebt – sondern eher auf Überschriften fokussiert.


MARGARETE SCHRAMBÖCK

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Karriere: Direkt aus der Wirtschaft wechselte Schramböck 2017 ins Wirtschaftsministerium. Zuvor war die 49-jährige Tirolerin Vorstandsvorsitzende der Telekom Austria.

Stärke: Als erste Türkise sprach sich die Betriebswirtin für eine Neubewertung der Lage von Asylwerbern in Lehre mit negativem Bescheid aus – und läutete damit eine Änderung der harten Haltung der ÖVP ein.

Schwäche: Mit ihrem Hang zum Übersinnlichen erregte das politische Leichtgewicht Aufmerksamkeit. Ihre Ausbildung zur Humanenergetikerin brachte ihr Häme ein, den Gewerbeschein legte sie aber zurück.


GERNOT BLÜMEL

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Karriere: Der studierte Philosoph hatte bis zum unrühmlichen Ende von Türkis-Blau als Kanzleramtsminister ein weites Portfolio: mit den EU-Agenden, Kunst und Kultur sowie den Medien. Die Erfolge des 37-jährigen Blümel als Wiener ÖVP-Chef sind bis dato aber bescheiden.

Stärke: Schlug bisher den härtesten Pflock für Koalitionsverhandlungen mit den Freiheitlichen ein, indem er Ex-Innenminister Herbert Kickl als nicht ministrabel qualifizierte – und zwar "völlig wurscht, auf welchem Sessel. Das geht sich einfach nicht aus."

Schwäche: Redet wie Kurz, tut wie Kurz – ist aber nicht Kurz.


AUGUST WÖGINGER

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Karriere: Seit mehr als eineinhalb Jahrzehnten im Nationalrat stieg der 44-jährige Sozialexperte der ÖVP Ende 2017 zum ÖVP-Klubchef auf. Schon davor avancierte Wöginger zum Chef des schwarzen Arbeitnehmerbundes ÖAAB.

Stärke: Als Klubchef gilt der Innviertler als türkiser Allrounder – und damit als sattelfest bei sämtlichen türkisen Leib-und-Magen-Themen wie Restriktionen für Zuwanderer, Verschärfungen bei der Sozialhilfe und der Fusion der Sozialversicherungsträger.

Schwäche: Glaubt wirklich: "Wer in unserem Hause schläft und isst, hat auch die Volkspartei zu wählen!"


ELISABETH KÖSTINGER

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Karriere: Nachhaltig ist die 40-jährige Kärntnerin vor allem für die ÖVP. Denn die frühere Nachhaltigkeitsministerin, wie ihr Landwirtschafts-, Umwelt- und Tourismusressort genannt wurde, war bereits EU-Abgeordnete, Generalsekretärin und Nationalratspräsidentin. Als Publizistikstudentin engagierte sich bereits früh politisch: Köstinger war Obfrau der Landjugend.

Stärke: Kann anscheinend alles.

Schwäche: Österreich verfehlte 2017 die nationalen Klimavorgaben. Der Republik drohen deshalb Zertifikatszukäufe in Milliardenhöhe.


STEFAN STEINER

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Karriere: Anders als sein Intimus Kurz absolvierte Steiner sein Jusstudium im Schnelldurchlauf. Er promovierte mit 25 und wurde von Ex-ÖVP-Chef Josef Pröll entdeckt. Bald kreuzten sich die Wege mit Kurz, der den 40-Jährigen in sein Kabinett holte, ihn zum Sektionschef im Außenamt machte und später zum Generalsekretär ernannte. 2017 machte sich Steiner als ÖVP-Exklusivberater selbstständig.

Stärke: Gilt als türkises Mastermind und Schöpfer des Kurz-Mantras "Integration durch Leistung".

Schwäche: Der Mann kostet. Laut "Falter" soll er über 30.000 Euro im Monat von der ÖVP erhalten haben. (Marie-Theres Egyed, Nina Weißensteiner, 15.10.2019)