Christoph Chorherr ist nicht mehr grünes Parteimitglied.

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Weil die Wiener Neos mögliche "Wunschwidmungen" für Immobilieninvestoren bei Flächenwidmungsverfahren befürchten, fand auf Betreiben der Pinken am Montag ein Sondergemeinderat statt. Anlass sind die laufenden Ermittlungen gegen Christoph Chorherr, den Ex-Planungssprecher der Wiener Grünen, und einen von ihm gegründeten Verein. An diesen sollen Immobilienfirmen gespendet haben. Die Oppositionsparteien werfen Chorherr vor, möglicherweise Widmungsverfahren beeinflusst zu haben. SPÖ-Abgeordneter Omar Al-Rawi meinte dazu: "Wenn Sie wirklich glauben, dass da eine einzige Person allein etwas entscheiden kann, dann haben Sie keine Ahnung von den Planungsprozessen in dieser Stadt."

Frage: Wird es eine U-Kommission zur Causa Chorherr geben?

Antwort: Zur Causa Chorherr alleine nicht. Die FPÖ brachte im Gemeinderat einen Antrag auf Einsetzung einer U-Kommission ein, im Zuge deren die Förderungen der Stadt an parteinahe Vereine von SPÖ, ÖVP und Grünen beleuchtet werden. Die FPÖ hat genügend Mandatare, um das Gremium selbst zu beschließen, andere Parteien mussten nicht mitstimmen. Wann die erste Sitzung stattfindet, ist offen. Im Fokus wird auch der Verein S2arch stehen, den Chorherr gegründet hat.

Frage: Weshalb werden rund um S2arch Ermittlungen durchgeführt?

Antwort: Es steht der Vorwurf im Raum, unter anderem die Oppositionsparteien erheben ihn, dass Personen, die an S2arch gespendet haben, Vorteile bei Flächenwidmungen gehabt haben sollen. Nach einer Anzeige aus dem Jahr 2017 ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Eine weitere anonyme Anzeige gegen einen Wiener Magistratsbeamten erfolgte 2018. Unter den Spendern an den gemeinnützigen Verein sollen sich wichtige Player aus der Immobilienbranche befinden. Auch die Stadt Wien hat dem Verein laut einem Bericht des Stadtrechnungshofs Förderungen in Höhe von 550.000 Euro gewährt.

Frage: Welche Projekte wurden vom Verein S2arch umgesetzt?

Antwort: Es geht um Projekte im Bereich Entwicklungszusammenarbeit. Geplant und errichtet wurden etwa zwei Schulen der Initiative Ithuba in Südafrika: das Ithuba Community College Johannesburg sowie das Ithuba Wild Coast Community College. Beide Schulen werden laut der Vereinshomepage von knapp mehr als 500 Schülern besucht.

Frage: Welche Rolle spielt der ehemalige Planungssprecher Chorherr?

Antwort: Chorherr hat S2arch 2004 gegründet, 2018 aber alle Funktionen zurückgelegt, als erste Vorwürfe im Raum standen. Gegner des umstrittenen Hochhaus-Projekts am Heumarkt warfen Chorherr vor, dass Immobilienunternehmen durch Spenden an seinen Verein möglicherweise Einfluss auf seine politische Tätigkeit genommen hätten. Chorherr wies diese Vorwürfe stets vehement zurück. Dass er seine operative Tätigkeit für den Verein mit dem Regierungseintritt der Wiener Grünen im Jahr 2010 nicht beendet hatte, bezeichnete Chorherr nachträglich aber als Fehler. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Frage: Gegen wen wird sonst noch ermittelt?

Antwort: Mittlerweile wird gegen neun Beschuldigte ermittelt, wie die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft am Montag auf STANDARD-Anfrage mitteilte. Es handelt sich um acht Personen und einen Verband. Ermittelt wird wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs, der Bestechlichkeit und der Bestechung. Namen nennt die Behörde keine, sie bestätigte aber, dass die Ermittlungen mit S2arch zu tun haben. Die grüne Vizebürgermeisterin Birgit Hebein räumte zudem ein, dass "aufgrund einer Anzeige aus dem Jahr 2017 gegen einen ehemaligen Mandatar" ermittelt werde. Bekannt ist außerdem, dass neben Chorherr auch gegen einen Beamten im Magistrat für Flächenwidmungen (MA 21) ermittelt wird.

Frage: Welche Konsequenzen hat die Stadt Wien aus der Causa gezogen?

Antwort: Vorerst keine. Sowohl Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) als auch Hebein sagten, man wolle das Ergebnis der Ermittlungen abwarten. Betont wurde stets, dass mit den Behörden kooperiert werde und alle angefragten Unterlagen ausgegeben wurden. Im Sommer wurde Beamten des Bundesamts zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) nach einem Amtshilfeersuchen eine freiwillige Einschau in Akten der MA 21 gewährt. Laut Chorherr wurden zudem 19 Mitarbeiter der Magistratsabteilung bereits befragt. Laut Kurier sollen acht Großspender zwischen 2011 und 2017 rund 2,2 Millionen Euro gespendet haben. Untersucht wird ein Firmennetz von rund 200 Unternehmen.

Frage: Wie haben sich die Grünen in der Causa verhalten?

Antwort: Die Grünen wurden rund zwei Wochen vor den Nationalratswahlen durch die Causa belastet, weil bekannt wurde, dass im Magistrat für Flächenwidmungen ermittelt wurde. Hebein nannte es einen "politischen Fehler", dass Chorherr mit seinem Verein Spenden aus der Immobilienbranche angenommen habe. Auch der grüne Spitzenkandidat Werner Kogler nannte das Vorgehen Chorherrs fast wortgleich einen "schweren politischen Fehler". Chorherr trat im September 2019 schließlich aus der Partei aus, bis die Vorwürfe gegen ihn geklärt seien, wie er sagte.

Frage: Welche Rolle spielt Heumarkt-Investor Michael Tojner in der Causa?

Antwort: Hochhaus-Fan Chorherr hat das Bauvorhaben am Heumarkt immer unterstützt. Die Umwidmung für das 66 Meter hohe Tojner-Projekt wurde auch gegen den Willen der grünen Basis, die sich in einer Urabstimmung dagegen aussprach, im Wiener Gemeinderat beschlossen. Tojner wies aber Darstellungen vehement zurück, wonach er auch für Chorherrs Verein gespendet hat. Tojner hat aber eine Minderheitsbeteiligung von zehn Prozent an einer Firma gehalten, die für den Chorherr-Verein gespendet hat. Zum Zeitpunkt der Spenden sei er aber nicht operativ tätig gewesen, ließ der Investor mitteilen.

Frage: Was hat das Immo-Unternehmen Soravia mit Chorherr zu tun?

Antwort: Soravia setzt mit Partnern aktuell den 163 Meter hohen Wohnturm Danube Flats in bester Lage bei der Reichsbrücke um. Chorherr saß in der Jury des Architektenwettbewerbs und ist ein Fürsprecher des Projekts. Möglich macht den Hochhausbau eine massive Aufwertung des Areals: Vor der Umwidmung im Wiener Gemeinderat 2015 war die Bebauungshöhe auf 26 Meter limitiert. Aussagen, dass auch Soravia an den Verein S2arch spendete, dementierte das Unternehmen. Neos-Klubchef Christoph Wiederkehr musste entsprechende Behauptungen zurückziehen. Nach dem Ende seiner Politlaufbahn im Februar 2019 gab Chorherr nur wenige Monate später bekannt, als freier Berater zu Soravia zu wechseln. Hier ist er seit Juni tätig.

Frage: Welche Bedeutung hat die Causa für die rot-grüne Koalition?

Antwort: Ludwig kreidet den Grünen die erhobenen Vorwürfe nicht an, zumindest nicht in der Öffentlichkeit. Beide Parteien wollen am Koalitionspakt bis zum Ende der Legislaturperiode festhalten. Vizebürgermeisterin Hebein trat auch angesichts von Chorherrs Wechsel für Cooling-off-Phasen für Politiker ein. Das bedeutet, dass Mandatare für eine gewisse Zeit nach dem Ausscheiden aus der Politik nicht in Feldern zu tun haben dürfen, für die sie sich politisch eingesetzt haben. (David Krutzler, Rosa Winkler-Hermaden, 14.10.2019)