Demonstrationen gegen Rechtsextremismus fanden am Wochenende nach dem Anschlag von Halle in mehreren deutschen Städten statt.

Berlin – Die deutsche Polizei stufe aktuell 43 Rechtsextremisten als Gefährder ein, erklärte das deutsche Bundeskriminalamt (BKA) knapp eine Woche nach dem Anschlag auf eine Synagoge in Halle mit zwei Toten. Zum Vergleich: Derzeit gelten 690 Personen als islamistische Gefährder. Kritiker befürchten, dass die Gefahr durch Rechtsextreme unterschätzt wird.

Das Bundeskriminalamt und der Verfassungsschutz stellten am Montagabend neue Konzepte vor, wie sie die Szene besser überwachen wollen. Als Gefährder werden Personen eingestuft, denen man jederzeit zutraut "politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung" zu begehen.

Neuer Tätertyp

"Rechte Straftaten gefährden unsere Demokratie", warnte BKA-Chef Holger Münch. "Die Situation ist ernst." Neben Ausländern und Juden gerieten zunehmend auch Politiker und andere Personen des öffentlichen Lebens ins Visier der Rechtsextremisten. Im Juni war der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke, der sich für Flüchtlinge engagierte, von einem mutmaßlichen Rechtsextremisten getötet worden.

Der Bundesverfassungsschutz zählt 12.700 Menschen zur gewaltbereiten rechtsextremen Szene. Verschärft werde die Lage durch eine neue Dynamik der Radikalisierung im Internet. "Die virtuelle Globalisierung des Rechtsterrorismus und ein neuer Tätertyp, der zugleich Nachahmer ist und Nachahmer generieren will, stellt die Sicherheitsbehörden vor neue Herausforderungen", sagte Verfassungsschutz-Chef Thomas Haldenwang und erinnerte an die Anschläge im neuseeländischen Christchurch und im amerikanischen El Paso. "Virtuell agierende Gruppen können situative Netzwerke bilden, die deutlich aktionistischer und in ihrer Zusammensetzung heterogener sind, als dies bisher bei starren Organisationen im Rechtsextremismus der Fall war."

Neue Konzepte

Das BKA und der Verfassungsschutz legten dem Innenministerium daher abgestimmte Konzepte zur Neuausrichtung des Kampfes gegen den Rechtsextremismus vor. Demnach will der Verfassungsschutz das Internet intensiver nach Hinweisen auf die Radikalisierung einzelner Rechtsextremisten durchkämmen, Gruppierungen der "Neuen Rechten" – etwa der Identitären Bewegung – verstärkt analysieren, durch waffen- und steuerrechtliche Maßnahmen zusammen mit anderen Behörden den Druck auf die Gruppen erhöhen und weitere Verbote prüfen. Dazu brauche der Inlandsgeheimdienst allerdings mehr Personal.

Das BKA will verstärkt Ermittlungsverfahren anstoßen oder an sich ziehen, um rechtsextreme Strukturen aufzudecken und den Verfolgungsdruck zu erhöhen. Es plant ebenfalls eine stärkere Beobachtung des Internets und wirbt zudem um die Schaffung eines Straftatbestands des "Outings", um die Veröffentlichung sogenannter Feindeslisten mit persönlichen Daten politischer Gegner im Internet zu erschweren. Der Einschüchterung politischer Gegner müsse Einhalt geboten werden, sagte Münch: "Bedrohungen im Internet und Gewalttaten schaffen ein Klima der Angst, was auch dazu führt, dass ehrenamtliches Engagement schwindet und Ämter vielleicht nicht mehr besetzt werden."

Personal soll massiv aufgestockt werden

Das BKA wolle deshalb eine Zentralstelle zur Bekämpfung der Hasskrimininalität einrichten. Provider sollten verpflichtet werden, der Polizei strafbare Inhalte zu melden, die sie nach der heutigen Gesetzgebung bereits löschen müssen.

Gewaltaufrufe, Morddrohungen und andere Entgleisungen im Netz nicht einfach hinzunehmen sei wichtig, betonen die Sicherheitsbehörden. Auch da gewaltbereite Rechtsextremisten ansonsten den Eindruck gewinnen könnten, "dass ein Teil der bürgerlichen Mitte hinter ihnen steht". Der Verfassungsschutz will dafür 300 neue Stellen schaffen, das BKA hat 440 zusätzliche Planstellen beantragt. (APA, Reuters, red, 15.10.2019)