Der Siebenschläfer vergräbt sich im Herbst bis zu einen Meter unter die Erdoberfläche, wo bis spätestens Anfang Mai Winterschlaf hält. Senkt sich seine Körpertemperatur bis auf 3 Grad Celsius ab, zahlt er dafür einen hohen Preis.

Foto: Claudia Bieber

Manche Säugetiere entgehen der kalten, nahrungsarmen Jahreszeit, indem sie sich im Spätherbst schlafen legen und erst mit beginnendem Frühjahr wieder vollständig erwachen. Während dieses Ruhezustandes senken die Tiere ihre Körpertemperatur häufig wenige Grad Celsius über Null. Dieser als Torpor bezeichnete Zustand hat den Vorteil, dass der Körper nur wenig Energie verbraucht: Die Atmung ist schwach, der Herzschlag deutlich verlangsamt und die Empfindlichkeit gegenüber äußeren Reizen gering.

Doch die Hybernation hat auch ihren Preis, wie nun Forscher der Veterinärmedizinischen Universität Wien herausgefunden haben und im Fachjournal "Biology Letters" berichten: Niedrigere Temperaturen führen zu einem vermehrten Schrumpfen der Schutzkappen der Chromosomen, die sogenannten Telomere. Der Vorgang hat beträchtliche Schäden zur Folge, die sogar zum Tod der Zelle führen können. Der Energieaufwand, um diese Schäden wieder zu beheben, ist enorm.

In Experimenten mit Gartenschläfern und Siebenschläfern stellten die Wissenschafter der Vetmeduni Vienna nun fest, dass Tiere, die bei höheren Temperaturen überwintern, längere Telomere aufrechterhalten, aber auch mehr Energie verbrauchen. "Es scheint sich um einen Kompromiss zwischen der Beibehaltung intakter Telomere, also eine Investition in das Überleben der Zellen, und der Maximierung der Energieeinsparung durch Winterschlaf bei niedriger Körpertemperatur zu handeln," sagt Julia Nowack, eine der ErstautorInnen der Studie, die derzeit an der Liverpool John Moores University in Liverpool (Großbritannien) arbeitet.

Energieverbrauch versus Telomer-Abbau

Das Forschungsteam konnte in der Verkürzung der Telomere der beiden untersuchten Tierarten die im Labor entweder bei 3 Grad Celsius oder 14 Grad Celsius im Winterschlaf gehalten wurden, signifikante Unterschiede feststellen. Die Tiere, die bei 14 Grad Celsius Winterschlaf hielten, verbrauchten mehr Energie als die Tiere, die bei 3 Grad Celsius Winterschlaf gehalten hatten. Umgekehrt blieben jedoch die Telomere der Tiere bei 14 Grad Celsius weit besser erhalten.

Diese neue Erkenntnis stützt die bereits bisher allgemein verbreitete Vermutung, dass Winterschlaf seinen Preis hat. "Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein tiefer Winterschlaf mit Kosten auf zellulärer Ebene verbunden ist, also einer verstärkten Verkürzung der Telomere, die von den Tieren aktiv und energetisch aufwändig ausgeglichen werden muss. Infolgedessen überschätzen die bisherigen wissenschaftlichen Annahmen vermutlich den Anteil an Energie, den Tiere durch tiefen Winterschlaf einsparen können", so Nowack.

Erfolgsstrategie mit gewissen Nachteilen

Der Winterschlaf ist ein Zustand anhaltender Inaktivität, der mit einer verringerten Stoffwechselrate und Körpertemperatur verbunden ist. Er gilt als die effizienteste Strategie zur Energieeinsparung bei Säugetieren und Vögeln. Trotz seiner vielen Vorteile wird zunehmend klar, dass der Winterschlaf auch mit Nachteilen verbunden ist, wie beispielsweise einer verminderten Immunfunktion, verlangsamten Reaktionen und erhöhtem oxidativen Stress. Denn häufiges Aufwachen aus dem Winterschlaf führt zu einem raschen Abbau der Energiereserven und die Hochregulierung des Stoffwechsels ist mit der Produktion von reaktiven Sauerstoffverbindungen verbunden, die über DNA-Brüche eine schnellere Verkürzung der Telomere verursachen.

Telomere sind nichtkodierende, sich wiederholende DNA-Sequenzen am Ende von Chromosomen, die zusammen mit Telomer-assoziierten Proteinen den Abbau der kodierenden DNA während der Replikation verhindern. Die Telomerlänge wird häufig als Marker für die Alterung des Körpers verwendet. Telomere verkürzen sich nach jeder somatischen Zellteilung – der sogenannten Mitose –, aber die Verkürzung von Telomeren kann durch oxidativen Stress beschleunigt werden. Kann die Telomerlänge nicht wiederhergestellt werden, stirbt die Zelle schließlich ab. Während des Winterschlafes wird die Mitose bei niedrigen Temperaturen gestoppt und daher der Abbau der Telomere unterbrochen.

Menschlicher Alterungsprozess

Die Telomere sind auch in der Humanmedizin von großer Relevanz. Beim Menschen ist aus Studien bekannt, dass chronischer Stress die Verkürzung der Telomere beschleunigt. Umgekehrt können Veränderungen des Lebensstils zu einer Verlangsamung der Verkürzung der Telomere führen und dadurch den Alterungsprozess der Zellen und damit auch des Gesamtorganismus positiv beeinflussen. (red, 15.10.2019)